Vierter Auftritt

[132] Satire allein, dann Fritz und Lottchen.


SATIRE. Die Prüfung beginnt, die Täuschung soll ihm das Ziel seiner Begierden von Ferne erblicken lassen – unter lachenden Larven sollen die Verführungen ihn umgeben, bis er erkennt, daß das wahre Glück nur im Bewußtsein und in der Arbeitsamkeit zu finden sei! Ich will ihm zeigen, auf welchem Wege er zu diesem Elende herabgesunken ist und wohin er bei gleichem Benehmen, selbst wenn er seine Verwandten beerbt und wieder reich wird, unausbleiblich wieder kommen muß. Ab in die Kammertür.

FRITZ. Weib! Weib! Ich könnt mich vergreifen, ein rechtschaffenes Weib erkennt den Gang des Mannes in der Jägerzeile, wenn er noch beim roten Turm ist.

LOTTCHEN. Da muß es halt ein andrer Mann sein, als du bist!

FRITZ. Lottel, tuschier meinen männlichen Stolz nicht, man hat mich nicht anders als den schönen Fritzel genannt.

LOTTCHEN. Das war anno achtzehnhundertachtzehn, wie's gute Jahr war! Das ist gar nit mehr wahr! Ein braver Mann laßt sein Weib nit Hunger leiden!

FRITZ. Ein rechtschaffenes Weib hat gar keinen Hunger, wann der Mann kein Geld hat.

LOTTCHEN. Ein ordentlicher Mann laßt sein Weib nit in einem Klüftel dahergehen.

FRITZ. Der Mensch hat nur einen Kopf, ein Herz und einen Magen – warum soll er mehr als ein Kleid haben? Zwei Köpfe, vierundzwanzig Herzen und sechsundvierzig Mägen wären für manchen wichtiger als eine ganze Garderobe.

LOTTCHEN. Hast wieder die letzten Kreuzer durchgebracht, die du für mein verkauftes Umhängetuch eingenommen hast? Was soll ich umnehmen, wenn ich ausgehe?

FRITZ. Den alten Teppich vom Tisch, er hat auch einmal eine Bordüre gehabt, und die Blumen in den Tüchern sind ja wieder modern.

LOTTCHEN. O ich armes, geschlagenes Weib!

FRITZ. Lüg nit – ich hab dich heut noch nit g'schlagen – wenn du aber nit bald andere Saiten aus e- Moll aufziehst, so komm ich ins E-Dur.

LOTTCHEN. Wann ich auf alle die Partien denk, die ich hätt machen können, o ich könnt mir die Augen herausweinen![133]

FRITZ. O ja, das war ein G'riß – aber um mich haben's die Madeln getrieben, daß es ein Spektakel war – an meinem unglücklichen Ehrentag haben alle Doctores alle Händ voll mit krampfhaften Personen zu tun gehabt.

LOTTCHEN. Nur ich hab so unglücklich sein müssen, so einen lüderlichen Mann zu bekommen!

FRITZ. Jetzt hab ich g'nug, es ist eine Kunst, lüderlich zu sein, wenn man kein Geld hat, geh mir aus den Augen – du Sakerdindon! Ich komm voller Zärtlichkeiten nach Haus und will meinen Gram über die Hartherzigkeit der Menschen, die mir kein Geld leihen wollen, in ihren Busen ausschütten, und sie ist grob wie ein Schlagbaum!

LOTTCHEN. Nehmen Sie sich meiner an, jetzt haben S' selber gehört, was das für ein Schroll ist! Sie flüchtet gegen die Kammertür und versinkt, die Satire tritt Fritzen entgegen.

FRITZ. Was ist das? Wo ist mein Weib hingekommen? Wer sind Sie? Wie kommen Sie daher? Was wollen Sie? Warum –

SATIRE. Ich bin deine Freundin, die dich glücklich machen will.

FRITZ. Ist's möglich! Für sich. Ein hübscher Kerl bin ich, sie hat sich in mich verliebt, das kann sich machen, ich kenn mehrere junge Herren, die recht prächtig auf Kosten ihrer Geliebten leben. – Darf ich fragen um das, was ich nicht weiß?

SATIRE. Du wirst alles erfahren.

FRITZ. Das ist ein liebes Geschöpf, das! Kennen Sie mich denn schon lange?

SATIRE. Seit du existierst, hab ich dich genau beobachtet.

FRITZ. Und im stillen geliebt, da widersteh ein eisernes Herz, aber kein so weicher Patzen, wie das meinige ist!

SATIRE. So war es nicht gemeint, auf eine andere Art will ich dich auf den Weg zu deinem Glücke führen, wenn deine Brust nicht von alltäglichen Zweifeln beengt ist; hast du Mut, mir zu folgen?

FRITZ. Wenn's zum Glück geht, wie der Alexander!

SATIRE. So sei der Pfad dir eröffnet!


Sie winkt. Verwandlung. Eine prächtige Vorhalle. – Das Laster in spanischer Tracht mit schwarzen Federn auf dem Hute, die Begierde als Pilgrim, barfuß, mit weißem Barte, wandeln Arm in Arm. Der Wahnsinn in buntfärbigem Schleier, mit fliegenden Haaren, läuft hin und[134] her, und hinter ihm die Luftschlösser als Amoretten, mit transparenten Flügeln.


FRITZ. Wo sind wir denn auf einmal?

SATIRE. In dem Hause meines Verwandten, des Herrn von Luxus.

FRITZ. Dem Namen nach habe ich die Ehre, ihn zu kennen, ich hab von ihm schon bei mancher Krida reden gehört. Wer ist denn der kohlschwarze Herr dort, der wie ein Hamlet ausschaut?

SATIRE. Das ist das Laster, er ist Haushofmeister im Hause des Luxus; der Pilgrim ist die Begierde, ein intimer Freund des Lasters, die buntfärbige Gestalt ist der Wahnwitz der Leute deinesgleichen, deren Einbildungskraft keinen Ruhepunkt findet, und die Kleinen sind die Luftschlösser, die die Menschen sich bauen.

FRITZ. Lauter neue Bekanntschaften, darf man denn nit ins Haus hinein?

SATIRE. Du mußt das Laster darum fragen.

FRITZ. Das Laster? Deswegen ist er schwarz! Wann auf der Welt die lasterhaften Menschen schwarz umgehen müßten, so wär's manchmal ganz finster auf der Gassen vor lauter Konduktansagern. Eure Gnaden, Herr von Laster! Ist's erlaubt, daß man den Palast anschaut?

LASTER. Wer bist du, Sterblicher?

FRITZ. Ein zugrund gegangener Mensch, aber übrigens ein ehrlicher Mann!

LASTER. Ehrlichen Leuten ist hier der Eingang verboten.

FRITZ für sich. So? Nix desto weniger wird's doch an Leuten drinnen nit fehlen, es wird immer nur der kleinste Teil nit hineindürfen.

SATIRE. Er hat ein hübsches, lebenslustiges Weib.

LASTER. Das ist etwas anders. Er läutet. Portier! Die Torflügel auf! Spazieren Sie hinein, mein unvergleichlicher Freund!

DIE BEGIERDE. Wir werden Bruderschaft trinken!

DIE AMORETTEN. Unser Papa! Indem ihn alle umarmen und umgeben.

LASTER. Spazieren Sie herein, Sie sind sehr willkommen!

FRITZ. Was das für ein Glück ist, wenn man ein hübsches Weib hat Ab.

SATIRE. Der Würfel ist geworfen, die Prüfung ist im Gange;[135] gelingen wird der Täuschung, was der Wirklichkeit versagt ward! Das Laster hat er sich zum Führer erwählt; es führt ihn zum Luxus und Verschwendung, indes sich die Begierde seiner Sinne bemeistert. Bereits haben die Luftschlösser in seinem Kopfe Platz gefaßt, die Kaprice und die Mode werden ihn auf seinem Wege begleiten. Die Koketterie wird ihre Netze nach ihm auswerfen; die Komplimente werden ihn mit Titeln füttern, während sein Vermögen schwindet. Plötzlich wird er sich der Armut überliefert fühlen, und die Schande wird ihn fest umklammern, die Schulden werden ihn zerfleischen, und endlich wird der Wahnsinn sein Opfer ergreifen. Sie hat gewunken, und alle allegorischen Personen umgeben sie, reichen sich die Hände und formen einen Kreis um sie, der sich endlich auflöst. Jetzt folgt ihm, ihr Verderber des Menschengeschlechts; diese sind es, die das Reich der Tugend entvölkern und der Hölle ihre Bewohner liefern. Folgt ihm, daß im Bilde erfüllet werde, was dem Leichtsinn im Leben selten entgeht. Auf, meine Freunde, auf zu seinem Verderben! Alle ab.


Quelle:
Das Wiener Volkstheater in seinen schönsten Stücken. Leipzig 1960, S. 132-136.
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