Die Lautenstimmer

[35] Schlummernd jüngst in Waldesraum

Hatt ich einen hübschen Traum:[35]

Etwas regt sich in der Hecke,

Etwas klimpert im Verstecke.


Das Gesträuch mit leiser Hand

Teilt ich, bis das Nest ich fand:

Kinder, rings im Grase sitzend,

Mit den hellen Augen blitzend!


Rutschend auf dem nackten Knie,

Stimmten eine Laute sie –

»Sagt, was lagert ihr im Runde?

Sprecht, was schaffet ihr im Bunde?«


Auf das zarte Werk erpicht,

Hörten sie die Frage nicht.

»Seht, wie ist sie zugerichtet!

Wundgerissen! Fast vernichtet!«


Emsig ward geklopft, gespäht,

An den Saiten flink gedreht,

Ließen eine tiefer klingen,

Ließen eine hohe springen –


Endlich klang die Laute rein

Und die Kinder spielten fein,

Bis ich aus dem Traum erwachte

Und mir seinen Sinn bedachte:


Dumpf entschlummert, jetzo hell,

Ganz ein anderer Gesell!

Was die Kinder ohne Fehle

Stimmten, es war meine Seele!


Quelle:
Conrad Ferdinand Meyer: Sämtliche Werke in zwei Bänden. Band 2, München 1968, S. 35-36.
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