Wanderfüße

[44] Ich bedacht es oft in diesen Tagen,

Meinem flücht'gen Wandel zu entsagen;

Doch was fang ich an mit meinen Füßen,

Die begehren ihre Lust zu büßen?

Von den ruhelosen Jugendtrieben

Sind mir meine Füße noch geblieben,

Schreitend mit dem Lenz und seinen Flöten,

Schreitend durch die Sommerabendröten,

Rasch vorüber den gefüllten Kufen,

Gleitend auf des Winters weißen Stufen

Über die verschneite Jahreswende,

Rastlos schreitend ohne Ziel und Ende!

Längst beschrieb die Stirne sich mit Falten,

Doch die Füße wollen nicht veralten,

Ihren Stapfen tritt auf Waldeswegen

Meiner Jugend Wanderbild entgegen,

Durch das leichte Paar, das stets entflammte,

Bin ich der zum Reiseschritt Verdammte!

Finden möcht ich ohne Sterbebette

Meinen Füßen eine Ruhestätte...


Quelle:
Conrad Ferdinand Meyer: Sämtliche Werke in zwei Bänden. Band 2, München 1968, S. 44.
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