Als Mariane am Klavier sang

[265] Um Mitternacht.


(1775.)


Alles schläft! Nur silbern schallet

Marianens Stimme noch!

Gott, von welcher Regung wallet

Mein gepreßter Busen hoch!

Zwischen Wonn' und bangem Schmerz

Schwankt mein liebekrankes Herz.


Schwind, o Erde! Laß mich fliegen

Zu des Hochgelobten Thron;

Mich mit ihr im Staube liegen,

Seufzen mit in ihren Ton!

Gott, du hörst es, was sie fleht;

Acht auch mit auf mein Gebet!


Daß ich lang um sie mich quäle,

Ist der Holden unbewußt.

Send, o Gott, der frommen Seele

Lieb' und Mitleid in die Brust!

Wär' ihr nur mein Leid bekannt,

Wär' auch meine Qual verbannt. –


Gott! Ich seh den Himmel offen;

Freud' und Leben winken mir![266]

Daß mein Herz darf wieder hoffen,

Mariane, dank' ich dir.

Sing, und zaubr', o Sängerin,

Ganz ins Paradies mich hin!


Quelle:
Deutsche Nationalliteratur, Band 50, Stuttgart [o.J.], S. 265-267.
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