An die Vögel

[181] Im Winter.


1772.


Der Winter hüllt das ganze Land

In sein betrübtes Schneegewand,

Und jeder Vogel sehnt im Hain

Sich nach dem lieben Sonnenschein.


O Vögelchen, so sehn' auch ich

Nach einem lieben Mädchen mich;

Seit ich sie kenne, lachte sie

Mir aus dem milden Auge nie.


Doch, was ist euer Kummer? Schon

Ist euer Winter halb entflohn;

Bald lächelt wieder eurem Hain

Der warme Frühlingssonnenschein.


Mir aber wird, solang ich bin,

Kein angenehmer Frühling blühn;

Mir birgt die liebe Sonne sich,

Und steter Winter herrscht um mich.


Quelle:
Deutsche Nationalliteratur, Band 50, Stuttgart [o.J.], S. 181-182.
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