Der Mai

[172] 1772.


Vögel schlagen

Im Gesträuch;

Fische jagen

Sich im Teich.


Schafe blöken

Durch den Klee;

Mutig lecken

Hirsch und Reh.


Flöten klingen

Durch den Hain;

Hirten schlingen

Sich im Reihn.


Was da lebet,

Liebt und lacht,

Und erhebet

Amors Macht.


Aber trübe

Fließt der Mai,

Sonder Liebe,

Mir vorbei.[172]


Bang und öde

Traurt die Flur;

Denn die Spröde

Denk' ich nur.


Schüchtern fliehet

Sie zurück!

Nimmer glühet

Lieb' ihr Blick!


Und ich weine

Meine Qual,

Wie die kleine

Nachtigall.


Tief in Schatten,

Spät und früh,

Um den Gatten,

Jammert sie.


Ach! gefangen,

Folget er

Nicht dem bangen

Rufe mehr!


Quelle:
Deutsche Nationalliteratur, Band 50, Stuttgart [o.J.], S. 172-173.
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