|
[178] 1772.
O Sohn, du wendest dein Gesicht?
Und hörest deinen Vater nicht,
Und spottest seiner Zähren?
Nicht deinen Gott, nicht die Natur,
Des Lasters Stimme willst du nur,
Betrogner Jüngling, hören?
Sieh einmal noch zurück, eh du
Der rettungslosen Tiefe zu
Im trunknen Taumel rennest!
Und dann vergeblich Hülfe suchst,
Und dir und deinem Schöpfer fluchst,
Und Wüterich ihn nennest!
Der feilen Buhlerin im Arm,
Umflattert dich der Träume Schwarm,
Die mit der Nacht verschwinden,
Und deinen heißen Busen bald,
In schlangenförmiger Gestalt,
Mit tiefem Schmerz umwinden.
Trink immer deinen Taumelwein
Mit gierigstarken Zügen ein!
Bald wird der Rausch entweichen;
Und abgemattet, freudenleer,
Wirst du im Schwelgersaal' umher
Beim Reihentanze schleichen.[178]
Ich sterbe, Sohn! Der Gram beschließt
Ein Leben, das dir lästig ist;
Bald wird das Grab mich decken.
Komm dann, mit deiner Buhlerin,
Zur Asche deines Vaters hin,
Ganz deinen Sieg zu schmecken!
Dann pflücke, Sohn, auf meinem Grab
Dir Blumen zu den Kränzen ab,
Sie um ihr Haar zu winden!
Und tanze frech auf meiner Gruft,
Und, wann noch das Gewissen ruft,
Töt' es mit neuen Sünden!
Zuviel, o Gott! Ach, höre, Sohn,
Noch einmal die Religion,
Sie will sich dein erbarmen.
Nicht fremden Lobes darf sie, Sohn;
Ohn' Eigennutz und Eigenlohn
Will sie sich dein erbarmen.
Du hörest, ach, du hörest nicht?
Wohlan, so höre Gott dich nicht!
Wann nun der Tod dich schrecket,
Und dein Gewissen fürchterlich
Zu Höllenpein und Qualen, dich
Aus tiefem Schlummer wecket.
Doch, Sohn! mir bricht das Herz. Dein Gott
Erbarme sich in deiner Not,
Und horch' auf deine Klagen!
O möcht' er, durch mein Leid erfleht,
Zu meinem jammernden Gebet
Ein gnädig Amen! sagen!
Buchempfehlung
In elf Briefen erzählt Peter Schlemihl die wundersame Geschichte wie er einem Mann begegnet, der ihm für viel Geld seinen Schatten abkauft. Erst als es zu spät ist, bemerkt Peter wie wichtig ihm der nutzlos geglaubte Schatten in der Gesellschaft ist. Er verliert sein Ansehen und seine Liebe trotz seines vielen Geldes. Doch Fortuna wendet sich ihm wieder zu.
56 Seiten, 3.80 Euro
Buchempfehlung
Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Dass das gelungen ist, zeigt Michael Holzingers Auswahl von neun Meistererzählungen aus der sogenannten Biedermeierzeit.
434 Seiten, 19.80 Euro