Elegie, an Chloen

[143] 1771.


Von dir, o Chloe! fern, betracht' ich weinend

Den Mond, der still vorüber zieht;

Und düster, aus zerrißnen Wolken scheinend,

Auf meinen Schmerz herunter sieht.


So war die Nacht, in der ich deinen letzten

Und feuervollen Kuß empfing,

Als an dem Mund, den deine Thränen netzten,

Der meine, stumm und bebend, hing.


Da sah er noch, im Purpur aufgegangen,

Auf meinen Lippen Rosen blühn;

Nun sieht er Totenblässe meine Wangen,

Wie feinen Trauerflor, umziehn.


Seufzst du auch jetzt, mit bangen Klagetönen,

Zu ihm, um deinen Freund, hinauf;

Und folgt dein Aug', erfüllt mit Liebesthränen,

Ihm in dem einsam stillen Lauf,


So tröste dich, und denke, welche Freude

Dereinst auf unsern Wangen glüht,

Wann er uns, Arm in Arm geschlungen, beide

Von neuer Wonne trunken sieht:


Dann trennt, o Chloe, kein Geschick uns wieder,

Bis sterbend sich dies Auge schließt,

Und er sein dämmernd Licht aufs Grabmal nieder

Aus düstern Eibenschatten gießt.


Quelle:
Deutsche Nationalliteratur, Band 50, Stuttgart [o.J.], S. 143-144.
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