[73] MUSOPHILUS. Hertzliebes Weib / ich weiß nicht / wie mir so bange ums Hertze ist. Es grauset mir vor einem grossen Vnglükke. Ich kan mich aber nicht recht drein schikken. Ich habe heunt die gantze Nacht mit Grillen verzehret. Einsmahls schlummerte ich ein wenig / und siehe / da war mir nicht anders / als hätte ich unsern ungerahtenen Sohn / Ariophilum, weinend / und gantz erbärmlich vor mir gesehen. Als ich aber ihm zureden / und nach seinem Zustande fragen wolte / erwachte ich wieder / und war niemand / wie helle auch der Mond scheinete / zu sehen. Mich bedünket immer / er habe schon seinen Rest bekommen. Ach daß er doch nicht in Vnbußfertigkeit dahin gefahren wäre!
MUSOPHILI WEIB / ARIOPHILI MUTTER. Ach! hertzlieber Herr / was soll ich sagen? Ich halte dafür / derselbe / unser ungerahtener Sohn / habe schon erfahren / was vor erschrekliche Plagen der Mutter Fluch nach sich ziehe. Deñ ich habe eben diese Nacht einen solchen Traum gehabt / dergleichen mir Zeit meines Lebens niemahls vorkommen.
MUSOPHILUS. Erzählet mir denselben.[73]
DAS WEIB. Es kam mir gar deutlich vor / als ob etliche böse und verwägene Buben unsern Sohn an Händen und Füssen mit starken Strikken gebunden gehalten / und ihm hernach das Hertz aus dem Leibe geschnitten hätten. Er aber rieff einmahl über das andere: Ach Vater / Ach Mutter! ach helfet mir. Aber ich konte ihm nicht helfen.
MUSOPHILUS. Das ist ein böser Traum. Doch müssen wir das beste hoffen. Laßt uns zu GOtt ruffen / daß nur die arme Seele errettet werde.
NACHBAR DES MUSOPHILI. Glük zu / Herr Nachbar.
MUSOPHILUS. Grossen Dank / Herr Nachbar. Was begehret er guts?
NACHBAR. Mein Sohn / der Spanische Kriegs- Dienste angenommen hatte / ist wieder kommen Zwar nacket und bloß: alleine gantz voll Vngeziefer. Ist denn der Seinige nicht auch erschienen?
MUSOPHILUS. Seinem Sohne ist nicht unrecht geschehen / daß er so wohl besetzt ist nach Hause ko ien. Denn er hat nicht alleine keinem Rahte folgen wollen / sondern auch den Meinigen / wie ich nur neulich erfahren / mit aufgesprenget und verhetzet.
NACHBAR. Das sey ferne. Des Herren Nachbars Sohn hat[74] meinen verführet. Vnd das hat mir ein ehrlicher / beglaubter Mann gesagt / der heimlich zugehöret hat / was unsere Söhne vom Kriege mit einander geredet / und endlich / wiewohl zu unsern grossen Betrübnis / geschlossen und vollzogen haben.
MUSOPHILUS. Es ist aber nie einige Klage / so viel ich mich erinnern kan / über meinen Sohn gegen mich anbracht worden.
NACHBAR. Das hat die Frau Mutter verhindert / und abgewendet. Weiß denn der Herr Nachbar nicht / daß die Mütter ins gemein / wenige ausgenommen / derer Söhne Mißhandlungen vor den Vätern zu vertuschen pflegen? Meine Frau hat es eben so gemachet.
MUSOPHILI WEIB. Herr Nachbar / das redet ihr mit dem Maule. Wäre ich nicht so tief betrübt / ich wolte euch hierauff also antworten / daß ihr biß in euren Tod an mich denken soltet. Hat nicht die gantze Stad von eurem Vngezogenen Sohne zu reden und zu klagen gehabt? Hingegen ist mein Sohn von iedermanne / und sonderlich von seinen Herren Praeceptoribus beständiglich gelobet worden / biß ihm der Krieg in den Kopf kommen.
NACHBAR. Liebe Frau Nachbarin / die alten Weiber / die ihren Sohn gegen sie gelobet haben / sind bey[75] weitem noch nicht die gantze Stad. So findet man auch wohl etliche praeceptores, welche die Kinder / von denen sie etwas zu geniessen haben / gegen die Eltern treflich heraus zu streichen pflegen / ob sie es gleich nicht würdig seyn.
MUSOPHILUS. Ein solcher praeceptor aber machet sich selbst zum Lügner / betriegt Eltern und Kinder / und wird wenig gutes davon zu gewarten haben. Aber was sagt denn euer Sohn von meinem?
NACHBAR. Er giebt vor / als er außgerissen / sey des Herren Nachbarn Sohn zwar noch in Diensten / aber schon um die 500. Kronen theils durch Huren / theils durch untreue Cameraden gebracht / und dannenhero gantz Melancholisch / und auf dem Sprunge gewesen. Deswegen er / mein Sohn / dafür gehalten / der Seine würde auch durchgangen / und heim kommen seyn.
MUSOPHILI WEIB. Ach GOtt! Sind die 500. Kronen auch schon weg?
NACHBAR. So sagt meiner. Aber ich habe nicht Zeit / länger zu verziehen / denn ich muß in den Kramladen gehen / und zu einem Kleide außnehmen / daß ich meinen nakketen Kerl wieder außmundire. Er gibts treflich gut vor / und wil nun seine studia besser in acht nehmen.[76]
MORIO. Wenns anders war ist.
Gehn alle ab.
PHILOSOPHUS TERTIUS. Was vor Schaden bringen falsche Freunde und Huren? Der arme Tropf / Ariophilus, hat es albereit erfahren. Jedoch ist nicht wohl Mitleiden mit ihme zu tragen / weil er die treue Vermahnung des Hofmeisters so schimpflich verachtet / und sich die imagination eines künfftigen Generals gantz zum Narren machen lässet / daß ihn auch dannenhero der Narr selbst nicht unbillich vor den grösten Narren hält. Vnd weil ein alt Sprichwort ist: Narren muß man die Kolben lausen; so erfähret solches der thumme Götze mit grossem Schmertzen. Denn wie er von dem Wachtmeister abgeschmieret worden / das wird er mehr / als zu sehr / gefühlet haben. So ist auch wohl zu beklagen / daß die unerfahrnen Soldaten das vornehmste Stück ihrer vermeinten Heldenthaten darinnen suchen / wenn sie die armen Bauren plakken / und außmergeln. Denn wenn diese zu Grunde gerichtet / und alles Vermögens erschöpfet seyn; so gehet endlich auch die gantze armee zu Grunde / weil sie keine Lebensmittel mehr findet. Welches man in dem 30. Jährigen Teutschen Kriege mehr / als ein mahl / erfahren. Sonst mögen sich Kinder wohl vorsehen / daß sie ihrer Eltern Fluch nicht auf sich laden / und solcher gestalt ihr eigenes Gewissen beleidiaen und wider sich erwekken. Denn was dasselbe vor Angst / Qval /[77] und Marter verursache / wenn es auffwachet / das kan man aus Ariophili Exempel erlernen. Vnd wie endlich fast alle Eltern ihre Kinder zu verthädigen gewohnet / ob sie gleich unrecht gethan / solches ist aus der Hatze des Musophili und seines Nachbarn zu ersehen.
Moriones continuiren ihre actiones.
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