Scena III.

[132] Nachdem der Praesident mit den Adsessoribus sich gesetzet / thut ihm des Barbirers Weib mit 4. Kindern einen Fußfall.


UXOR. Hochgeehrte Herren / was soll ich sagen? was soll ich thun? Ich weiß es selber nicht. So gar bestürtzt bin ich / nach dem ich vernommen / daß mein Mann um feiner begangenen Vbelthat willen das Leben lassen solle. Hocherleuchtete Richtere / mir kömmt nicht zu / in euren gerechten Vrtheiln viel zu grübeln / weniger viel davon zu disputiren / am allerwenigsten aber / dieselben vor unrecht zu halten! Viel mehr bin ich überflüssig versichert / daß ihr in allen Sachen euch der Gerechtigkeit befleissiget / u ohne einiges Ansehen einiger Person urtheilet: glaube auch gerne / daß Ihr hochwichtige Vrsachen habet / worum ihr meinem Manne das Leben abgesprochen, oder noch / wie man sagt / absprechen werdet.[132] Aber sehet doch / Hocherleuchtete Herren / sehet doch den armen Hauffen / der alhier vor Euch auf den Kniehen / ja fast gar auf dem Angesichte lieget. Wie soll ich nach meines Mannes Tode diese armen Waiselein ernähren? Mein Mann hat alles auf Bücher und kostbare Barbirs instrumenta gewendet / und hat ihm nichts mehr angelegen seyn lassen / als seiner Kunst obzuliegen / und denen patienten aufzuwarten. Vnd eben daher hat er nichts vor seine arme Kinder ersparen können. Ach meine Herren! Ach meine Herren! erbarmt euch meiner und der armen Waisen / und schenkkt uns unsern Mann und Vater.

DER ERSTE SOHN. Ach Herr Praesident, Ach! laßt doch meinem lieben Vater das Leben / daß er mich noch weiter versorgen und erziehen könne. Erbarmt euch auch dieser meiner hochbestürtzten / armen Mutter.

DER ANDER SOHN. Ach Herr Praesident, Ach! schenkt doch meinem lieben Vater das Leben / daß er mir ein neu Kleid kan machen lassen.

DER DRITTE SOHN. Ach schönste Herren / laßt mir doch mein lieben Gold-Vater. Ach ich bitte gar sehr / laßt mir meinen lieben Gold-Vater.

DAS TÖCHTERLEIN. Ach ihr Gold-Herren / schlagt meinen lieben Vater nicht todt. Wer wolte mir denn sonst einen Pfennig zur Semmel geben? Ach laßt ihn leben![133] Ich will euch alle meine Dokken schenken.

PRAESES. Weib / euer Mann ist noch nicht verurtheilet: habt derowegen nicht Vrsach / euch so übel zu gehaben.

UXOR. Ach mein Herr / das weiß ich wohl / daß mein Mann noch nicht verurtheilt ist. Weil aber iedermann saget / er käme mit dem Leben nicht davon / so hab ich aus schuldig- und ehlicher Liebe vorbauen wollen / daß er nicht verurtheilet werde.

ADSESSOR I. Gebt euch nur zu frieden / ihr und wir können ihn nicht retten / wenn ihn die Rechte nicht retten.

UXOR. Ach! so laßt doch mich und die Kinder zu ihm / daß wir uns mit einander letzen.

ADSESSOR II. Hierzu habt ihr noch Zeit genug. Jetzt werdet ihr nicht zu ihm gelassen. Wir müssen ihn zuvor wieder verhören.

UXOR. Nun hertzliebste Herren / laßt euch doch unsern Zustand jammern.

ADSESSOR III. Was recht ist / wird geschehen.


Gehen alle ab.

Moriones hingegen erscheinen.


Quelle:
Johann Sebastian Mitternacht: Dramen. Tübingen 1972, S. 132-134.
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