[17] Hoch- und Wohlgeborne Herren / Gnädige Herren /Hoch- und Wohlgeborne / gnädige Gräfin und Frau Hoch- und Wohlgeborne gnädige Fräulein: Hoch- und Wohl-gebohrne / Wohl-Edle / Gestrenge / Veste und Hochgelahrte / Wohl und Viel-Ehrwürdige / Wohl-und Ehrenveste / Hoch- und Vorachtbare / Wohlgelarte / Wohlweise / ingleichen auch Ehrsame u Wohlgeachte / respectivè Hochgeehrte Patronen / Großgeneigte Förderer / Viel- und günstige Herren.
Daß die Comoedien und Tragoedien / so da in Gegenwart Vornehmer und Tugendliebender Personen auff denen Theatris publicis repraesentiret werden /uhralten Herkommens / und vor sehr vielen hundert Jahren üblich gewesen seyn / auch fast unaussprechlichen Nutzen nach sich ziehen / nichts minder allen verständigen und tapferen Gemüthern von Zeit zu Zeit ein angenehmes Gefallen erwekket; Solches ist in verflossenen Jahren bey Aufführung dergleichen Vbungen von unterschiedlichen alumnis des wohl-löblichen Gymnasii theils kürtzlich berühret / theils auch in etwas ausgeführet worden. Dannenhero anietzo vor unnöhtigerachtet wird / ein mehrers hiervon zu [17] produciren / und weitleufftig abzuhandeln. Damit aber gleichwol der alten / wohlhergebrachten und löblichen Gewohnheit ein Genügen geschehe / und unser bevorstehendes exercitium Dramaticum nicht als ein Leib ohne Häupt geachtet werde; hab ich mir / auff empfangenen Befehl vorgenommen / etwas weniges von der Difficultät oder grossen Mühe und Arbeit / so zu solchen exercitiis erfordert wird / nach meinem Vermögen / und sonder einige Wörter versucht / zu reden und anzufügen / mit angeheffter unterthäniger / unter-und dienstlicher Bitte / daß solch mein Vorhaben in sonderbahren Gnaden / groß- viel- und gönstig auffgenommen werden möchte. Es erscheinet aber obgedachte Difficultät erstlich daher / daß dem jenigen /der ein solch Exercitium auffzuführen gesonnen ist /eine trefliche Menge allerhand denkwürdiger und nützlicher Historien / die er zum fundament seines Vorhabens gebrauchen könte / vor Augen schwebet: Da denn die Election und Außlesung / oder das Judicium, nach welchem eine Geschicht der andern vorzuziehen / wie ein jedweder ermässen kan / sehr schwehr fället / auch viel Zeit und Nachsinnen erfordert. Vnd weil man vors andere die Historien oder Geschichten nicht so bloß und ordenlich praesentiren darff / wie sie von denen Historicis auffgezeichnet sind; sondern gewisse leges und praecepta derer Comicorum gantz genau beobachten / und das gantze Werck in gewisse Actus und Scenas distribuiren und eintheilen[18] / auch unterschiedene fictiones, und erdichtete Begebenheiten ersinnen / und hin- und wieder einsprengen muß: Als ist gar leicht zu begreiffen /was vor grosse Mühe und Arbeit hierzu gehöre. Zwar die Engellander / und andere im Lande herumbstreichende Comoedianten / als welche entweder gar nichts / oder nicht viel besonders studiret haben / sind hierumb wenig bekümmert / wie aus denen Engelländischen Comoedien / so in zweyen voluminibus zusammen gedrukt / satsam zu ersehen stehet / als in welchen fast nicht eine einige zu befinden / die nach den vorgeschriebneen legibus und praeceptis durchgängig eingerichtet wäre; und pflegen doch nichts desto weniger solche Comoedianten hin und wieder beliebet und gelobet zu werden / alldieweil sie / was ihren Comoedien ermangelt / theils durch Kleider-Pracht / theils durch einen geübten und kurtzweiligen Jean putagen ersetzen / und sich getrösten / daß unter viel hundert Spectatoribus oder Zusehern offt kaum einer sey / der da / was zu einem solchen Wercke gehöret / gründlich verstehe / und consequenter davon judiciren könne / sondern die meisten Spectatores mit Hindansetzung des Haupt-Werks sich an den Possen / und gemeiniglich groben und ärgerlichen Zoten belustigen: Aber wenn ein gelehrter Mann ein solches Exercitium auf führen will / und zumahl in Gegenwart Hoch- und Wohlgelarter Leute / dergleichen nicht wenig auch in dieser Versamlung zu finden / hieneben auch bedencket /[19] daß alles / was er praesentiren will /erbar / erbaulich und Christlich seyn müsse; so muß er seine Gedancken viel anders einrichten. Vnd was soll ich sagen von dem Nachsinnen / das ein solcher Mann über sich zu nehmen hat / wenn er ans einem grossen Coetu sothane ingenia außlesen soll / welche die auffgetragenen Personen mit bequemer statur, minen und Gebehrden recht agiren können? Was gehet auch endlich vor Verdruß und Vnlust bey unterschiedenen Versuchungen vor? In Erwägung dessen ist leicht zu gedencken / daß unser herrgeliebter Herr Rector vor seine Person wenig Lust habe / wie sich zwar etliche Vnverständige einbilden / sondern in einen rechtsauren Apffel beissen müsse so offt er ein solch Exercitium Dramaticū aufführet. Nichts desto minder / weil es Ihm in seiner vocation also anbefohlen / die Jugend auch solcher gestalt mercklich erbauet / und jedweder Tugend-liebendes Gemüt dadurch erlustiget wird; hat er sich auch vor dieß mahl /seiner Hohen Landes-Obrigkeit / und denen Hochlöblichen Land-Ständen Vnterthänig und Dienst- auch Dienstfreundlich durch dieß Exercitium auffzuwarten / keine Mühe oder besorgende Verdrieslichkeit taugen oder abhalten lassen / und zum fundament die Geschicht / so sich verwichenen Sommer / wo man anders denen Zeitungen trauen darf / zu Padua in Italien begeben / erwählet: worvon die Argumentatores mehr und mehr Nachricht ertheilen werden. Vnser unterthäniges / demütiges / unter- und[20] dienstliches Bitten ist / daß wir gnädig / groß- viel- und günstig angehöret / und / so etwan ein Fehler vorlauffen möchte / selbiger unserm unvollkommenen Verstande beygemässen / auch mit sonderbahrer Gnade / und hoher adfection zugedekket werde.
Ich trage keinen Zweiffel / es werde aus dem Anbringen derer Argumentatorum / so sich vor jedwedem Actu werden hören lassen / sattsam zu vernehmen seyn / was nach und nach vorgehen möchte: Aldieweil aber ich mir einbilde / man werde gern alsobald / was vom Anfange biß zum Ende zu gewarten sey / wissen wollen; Als berichte ich kürtzlich / daß der Inhalt dieses Exercitii Scholastici nachfolgender sey. Es hat ein Kauffman zu Trient seinen Sohn eine Zeitlang zum studiren gehalten; Da er aber selbigen auff die Universität senden wollen / wird der Sohn wider des Vaters Willen und Vermuthen ein Soldat / und läßt sich in Spanische Kriegsdienste wider Portugal einwikkeln. Hernachmahls / da er in der That erfähret / daß er im Kriege viel einen andern Zustand finde / als er sich zuvor eingebildet; gehet er durch / mit Vorsatz /wieder zu seinen Eltern zu ko ien / und ihnen bessern Gehorsam zu erweisen. Aber das Vnglück führet ihn in eines Barbirers Hauß zu Padua. Vnd weil derselbe Barbirer aus Vorwitz längst gerne wissen wollen /wie es[21] mit der Natürlichen Bewegung des Hertzens in einem gesunden Menschen beschaffen speiset er den armen Soldaten etliche Tage sehr wol / führet ihn aber hernach in den Keller / wirfft ihn / vermittelst etlicher Gehülffen / zu Boden / schneidet ihm die Brust auff /besiehet des Hertzens Bewegung / und büsset also seinē Vorwitz. Jedoch ko t diese grausame That wunderlich aus / und wird derowegen ermeldter Barbirer vor das hohe Gerichte geladen / auch endlich also bestraffet / daß man ihm anfänglich die rechte Hand / dann den Kopff abgeschlagen / und schließlich den Leib auff das Rad geleget. Vnd eben dahero wird dieses Trauer-Spiel / massen aus beygefügter Tafel zu ersehen ist /
Der unglükselige Soldat / und
vorwitzige Barbirer
genennet.
Ich bin Veritas oder die Wahrheit / und pflege zu loben / was zu loben ist / auch hingegen zu schelten /was zu schelten ist / wenig achtende / was condition die jenigen seyn / die ich lobe oder schelte. Fürchte mich weder vor Kronen noch Sceptern / noch einiger Menschlichen auctoritat. Ob ich nun wol zu allen Zeiten deßwegen wenig Danck verdienet / und hin und wieder sehr verhassetbin, so achte ich doch solches alles nicht / sondern straffe nur desto ernster /was ich unrecht und strafbar[22] zu seyn erachte. Altdieweil aber meine Wort nicht von allen Menschen recht verstanden / sondern mir offt verkehret / oder mit andern Wörtern ungebührlich außgewechselt werden /hab ich eine Nohtdurfft zu seyn vermeynet bey dieser Aufführung des Vnglükseligen Soldatens unnd Vorwitzigen Barbirers / Eri erung zuthun / wie eines oder das andere / so etliche meiner Bedienten vorbringen werden / zu verstehen und auffzu nehmen sey. Wenn derowegen etwas vorkommet / das denen Eltern / Kindern / Soldaten / Künstlern / Praeceptoribus, oder dergleichen Personen zu nahe geredt zu seyn scheinet; so muß solches / wie ich hiermit solennissimè contestire / nicht von allen und jeden Eltern / Kindern /Soldaten / Künstlern / Praeceptoribus, und anderen /sondern einig und allein von denen / so sich nicht gebührend verhalten / angenommen und verstanden werden. De ich straffe hierinnen lauter nichts / als was alle verständige und bescheidene Leute einmütiglich neben mir vor Vnrecht schätzen. Im Fall nun jemand sich deßwegē beschweren würde / so sag ich ihm rund heraus / er werde nichts mehr zu gewarten haben / als daß man von ihm sage / er gehöre mit unter die Rolle derer / welche die heitere Wahrheit nicht wohl leiden können. Inzwischen behalte ich mir vor / denen Tugend-liebenden Eltern / Kindern / Soldaten / Künstlern und Praeceptoribus bey anderwärtiger Begebenheit ihr[23] Wort mit gleichem Ernste zu reden / und ihr gebührendes Lob heraus zu streichen.
Auch dem nun diese Hochansehnliche Versamlung (über welcher honorisiqven Gegenwart wir uns billich respectivè unterthänig / unter- und dienst- / hierneben auch hertzlich erfreuen) ins gemein verstanden /was des gantzen Trauer-Spiels Inhalt sey / wird die Nohtdurfft erfordern / daß von einem Actu zum andern berichtet werde / was vor Personen erscheinen möchten Wird also in dem bevorstehenden Actu primo oder ersten Handlung Musophilus, ein Kaufman von Trient / neben seinem Sohne / Ariophilo, sich praesentiren / und diesen exgenere causarum deliberativo zu glücklicher continuation derer studiorum Väterlich ermahnen. Aber der Sohn wird die studia und gelehrten Leute verachten und seine Beliebung zum Kriege endlich mercken lassen. Darnach wird ein Werber ankommen / bey dem sich Ariophilus anmeldet / vom Vater aber gefrage wird / ob ihm denn nicht beliebe / in ein Kloster zu gehen / und ein Mönch zu werden / dem er zur Antwort ertheilet / er solle / wolle / und müsse ein Soldat / und künfftig ein General werden. Drittens wird sich Mars mit einem Lieutenand u etlichen andern Bedienten praesentiren / welche Ariophilo dermassen gefallen / daß er nun völlig schleußt / er wolle einen Soldaten agiren.[24] Dann wird man / wie sich ein alter gewesener Soldat mit einem neugeworbenē herumb kampele vernehmen. Vnd schließlich wird ein Barbirer von Padua vor dem hohen Gericht daselbst erscheinen / umb einen maleficanten bittende / daß er denselben lebendig auffschneiden / und also den motum naturalem cordis humani, oder die natürliche Hertzens- Bewegung /wie sie in einem gesunden Menschen sich befindet / per experientiam erkundigen / unnd hernach in öffentlichen Schrifften der Gelehrten und Kunst-liebenden Welt communiciren möchte.
Buchempfehlung
Strindbergs autobiografischer Roman beschreibt seine schwersten Jahre von 1894 bis 1896, die »Infernokrise«. Von seiner zweiten Frau, Frida Uhl, getrennt leidet der Autor in Paris unter Angstzuständen, Verfolgungswahn und hegt Selbstmordabsichten. Er unternimmt alchimistische Versuche und verfällt den mystischen Betrachtungen Emanuel Swedenborgs. Visionen und Hysterien wechseln sich ab und verwischen die Grenze zwischen Genie und Wahnsinn.
146 Seiten, 9.80 Euro
Buchempfehlung
Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Dass das gelungen ist, zeigt Michael Holzingers Auswahl von neun Meistererzählungen aus der sogenannten Biedermeierzeit.
434 Seiten, 19.80 Euro