Erster Auftritt.

[24] Cleanthe. La Fleche.


CLEANTHE. Sage mir, du Erztaugenichts, wo hast du denn gesteckt? Hatte ich dir nicht befohlen ...

LA FLECHE. Ja, gnädiger Herr, ich hatte mich auch hier eingefunden; aber Euer Vater, der ungnädigste aller Menschen, hat mich sehr wider meinen Willen aus dem Hause gejagt und mich beinahe geprügelt.

CLEANTHE. Wie steht's mit unserm Geschäft? Es ist die höchste Zeit, denn ich habe inzwischen die Entdeckung gemacht, daß mein Vater mein Nebenbuhler ist.

LA FLECHE. Euer Vater ist verliebt?

CLEANTHE. Ja, und ich habe alle mögliche Mühe gehabt, ihm meine Bestürzung zu verbergen.

LA FLECHE. Der will sich noch mit Liebeshändeln abgeben? Was Teufel fällt ihm denn ein! – Ist er nicht gescheit! – Als ob die Liebe für seinesgleichen erfunden wäre!

CLEANTHE. Zur Strafe meiner Sünden hat er auf den Einfall kommen müssen!

LA FLECHE. Warum habt Ihr ihm aber auch aus Eurer Liebe ein Geheimnis gemacht?

CLEANTHE. Um weniger Verdacht bei ihm zu erregen, und um mir für den Notfall noch Mittel und Wege offen zu halten, wie ich diese Heirat verhindern könne. Was hat man dir geantwortet?

LA FLECHE. Meiner Treu, gnädiger Herr, wer borgen will, ist schlimm dran, und man muß sich wunderliche Zumutungen gefallen lassen, wenn man so wie Ihr in die Hände der Pfandwucherer geraten ist.[24]

CLEANTHE. Also wird nichts aus der Sache?

LA FLECHE. Bitte um Vergebung. Unser Meister Simon, der Mäkler, den man uns empfohlen hat, ist ein rühriger, eifriger Mann; er versichert, er habe Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt, und schwört, schon allein Eure Physiognomie habe sein Herz gewonnen.

CLEANTHE. Also schafft er mir die fünfzehntausend Livres?

LA FLECHE. Ja; aber unter gewissen kleinen Bedingungen, die Ihr Euch gefallen lassen müßt, wenn Ihr wollt, daß die Sache zustande komme.

CLEANTHE. Hast du mit dem Menschen gesprochen, der das Geld hergeben soll?

LA FLECHE. Ach, gnädiger Herr, so leicht geht das nicht. Der ist noch viel mehr darauf erpicht, seinen Namen geheim zu halten als Ihr, und es stecken viel größere Mysterien dahinter, als Ihr Euch vorstellen könnt. Wie er heißt, sollt Ihr schlechter dings nicht erfahren; er will heut mit Euch in einem eigens dazu gemieteten Zimmer zusammenkommen, um von Euch das Nähere über Euer Vermögen und Eure Familie zu erfragen. Ich zweifle aber nicht, daß die Sache sich machen wird, wenn Ihr ihm Euren Vater nennt.

CLEANTHE. Und besonders, wenn ich ihm sage, daß meine Mutter gestorben ist, deren Vermögen mir niemand nehmen kann.

LA FLECHE. Hier sind einige Artikel, die er unserm Mäkler selbst diktiert hat und die Euch mitgeteilt werden sollen, ehe er sich auf etwas einläßt.

»Vorausgesetzt, daß der Darleiher sich von der gehörigen Sicherheit überzeuge und der Borger mündig und aus einer Familie sei, deren Vermögen ansehnlich, solid, gesichert und dabei schulden- und prozeßfrei ist; soll eine rechtsgültige bündige Obligation von einem Notar aufgesetzt werden, der ein möglichst ehrlicher Mann sein muß und den der Darleiher, als welchem am meisten daran liegt, daß besagtes Dokument in gehöriger Form verfaßt sei, selbst aussuchen wird.«

CLEANTHE. Dagegen ist nichts zu sagen.

LA FLECHE. Der Darleiher, der sein Gewissen nicht beschweren will, erklärt, sein Geld nur zum achtzehnten Pfennig ausleihen zu wollen.[25]

CLEANTHE. Nur zum achtzehnten Pfennig? Bei Gott, das ist ja sehr honett; darüber darf man nicht klagen.

LA FLECHE. Das ist wahr.

»Aber da besagter Darleiher die verlangte Summe nicht in Kassa hat und um dem Borger gefällig zu sein sich genötigt sieht, selbige von einem andern zu entnehmen und mit dem fünften Pfennig zu verzinsen; so wird der vorgedachte erste Borger sich dazu verstehen müssen, diesen Zins, ohne Präjudiz des andern, zu bezahlen; maßen besagter Darleiher nur ihm zu Gefallen diese Anleihe kontrahiert.«

CLEANTHE. Was Teufel! Der Kerl ist ja ein Jude, ein wahrer Türke! Das kommt ja auf mehr als den vierten Pfennig!

LA FLECHE. Sehr richtig; das habe ich auch gesagt. Ihr mögt es Euch nun überlegen.

CLEANTHE. Was ist da noch viel zu überlegen? Ich brauche das Geld und muß mich wohl in alles fügen.

LA FLECHE. Das war auch meine Antwort.

CLEANTHE. Ist sonst noch etwas?

LA FLECHE. Nur noch ein kleiner Artikel.

»Von den verlangten fünfzehntausend Livres kann der Darleiher in barem Gelde nur zwölftausend zahlen und muß für die fehlenden dreitausend der Borger die nachstehend verzeichneten Mobilien, Schmucksachen, Kostbarkeiten und Geschmeide annehmen, die gedachter Verleiher auf Treu und Glauben zu den erdenklichst mäßigen Preisen notiert hat.«

CLEANTHE. Was soll das heißen?

LA FLECHE. Nun hört nur das Verzeichnis!

»Primo, eine Bettstelle mit vier Füßen und olivenfarbigen Gardinen, auf welche Streifen von ungarischen Kirchenspitzen sehr sauber aufgenäht sind, nebst sechs Stühlen und einer Paradedecke von nämlichen Stoff: alles wohl konditioniert und mit rot oder blau schillerndem Taft gefüttert;

Item, ein Betthimmel von gutem, trocknen rosenblätterfarbnen Serge d'Aumale, nebst Garnierung und Fransen von Seide.«

CLEANTHE. Was denkt er sich, daß ich mit dem Zeuge anfangen soll?[26]

LA FLECHE. Wartet nur!

»Item, ein Gehänge von gewirkten Tapeten, auf welchen die Geschichte vom Gombaud und der schönen Macée vorgestellt ist;

Item, ein großer Tisch von Nußbaumholz, mit zwölf Füßen oder gedrehten Pfeilern, der an beiden Enden ausgezogen werden kann und unten mit sechs Fußbrettern versehen ist.«

CLEANTHE. Was Teufel soll mir denn der Plunder?

LA FLECHE. Nur Geduld!

»Item, drei große Musketen, ganz mit Perlmutter eingelegt, nebst den dazu gehörigen Gabeln;

Item, ein Ofen von Ziegelsteinen nebst zwei Retorten und drei Rezipienten; sehr nützlich für solche, die Vergnügen daran finden, zu destillieren.«

CLEANTHE. Ich möchte rasend werden!

LA FLECHE. Nur ganz still!

»Item, eine Bologneser Laute mit allen Saiten, bis auf wenig fehlende;

Item, ein Troumadamespiel und ein Damenbrett nebst einem Gänsespiel, wie es von den Griechen entlehnt ist; sehr gut, um die Zeit zu vertreiben, wenn man sonst nichts zu tun hat;

Item, eine Eidechsenhaut, viertehalb Fuß lang und mit Heu ausgestopft; sehr angenehme Kuriosität, um sie an der Decke eines Zimmers aufzuhängen.

Alles hier Benannte, unter Brüdern allerwenigstens auf viertausendfünfhundert Livres geschätzt, ist aus besonderer Billigkeit des Verleihers nur zu einem Taxationswert von dreitausend Livres angenommen.«

CLEANTHE. So wollte ich doch, daß die Pest den Schurken, den Blutsauger mitsamt seiner besondern Billigkeit holte! – Hat man wohl je von einem solchen Wucher gehört? und kann er nicht mit den haarsträubenden Zinsen zufrieden sein, die er ver langt – muß er mich noch zwingen, für dreitausend Livres altes Gerümpel anzunehmen? Nicht fünfhundert Livres bekomme ich dafür, und doch werde ich mich entschließen müssen, in alles zu willigen, was er verlangt; denn er hat es jetzt in der Hand, mich zu allem zu zwingen; der Bösewicht setzt mir das Messer an die Kehle, und ich muß mich fügen.[27]

LA FLECHE. Nehmt mir's nicht übel, gnädiger Herr; aber Ihr seid genau auf derselben großen Heerstraße, auf der Panurge zu seinem Ruin gelangte. Ihr nehmt Geld voraus, kauft teuer, verkauft wohlfeil und verzehrt Euren Weizen auf dem Halm.

CLEANTHE. Was soll ich aber machen? – Dahin führt der verdammte Geiz der Väter die jungen Leute; und dann wundert man sich noch, wenn es Söhne gibt, die ihren Tod wünschen!

LA FLECHE. Soviel ist gewiß, die Knauserei des Eurigen könnte den ruhigsten Menschen von der Welt wild machen. Der Galgen, Gott sei's gedankt, hat keine sonderliche Attraktion für mich, und ich weiß auch unter meinen Kameraden, die sich mitunter allerlei Schmuggel erlauben, meinen Einsatz immer genau zur rechten Zeit zurückzuziehn, und nehme mich wohl in acht vor allen Kunststücken, die nach dem Strick schmecken. Aber das muß ich sagen, Euer Vater mit seinem Geiz könnte mir Lust machen, ihn zu bestehlen, und wenn's mir glückte, würde ich glauben, ein gutes Werk getan zu haben.


Quelle:
Molière: Der Geizige. Leipzig [o. J.], S. 24-28.
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