[27] Polichinelle. Die Häscher singend und tanzend.
DIE HÄSCHER.
Du Lump! Du Schurke! Du Erzbösewicht,
Ruchloser Dieb, verdammter Molch,
Du wagst uns zu erschrecken, Strolch?
POLICHINELLE. Ihr Herren, ich war vom Wein ein wenig munter.
DIE HÄSCHER.
Nein, nein, wir glauben dir kein Wort;
Du triebst es sonst noch immer bunter:
Ins Loch mit ihm! Schnell führt ihn fort!
POLICHINELLE. Ich bin ja kein Dieb, meine Herren!
DIE HÄSCHER. Ins Loch!
POLICHINELLE. Ich bin ein Bürger aus der Stadt!
DIE HÄSCHER. Ins Loch!
POLICHINELLE. Was habe ich denn getan?
DIE HÄSCHER. Fort mit ihm ins Loch!
POLICHINELLE. Meine Herren, laßt mich gehn!
DIE HÄSCHER. Nein!
POLICHINELLE. Ich bitte schön.
DIE HÄSCHER. Nein.
POLICHINELLE. Ei!
DIE HÄSCHER. Nein!
POLICHINELLE. Aus Barmherzigkeit!
DIE HÄSCHER. Nein, nein.
POLICHINELLE. Meine Herren!
DIE HÄSCHER. Nein, nein, nein.
POLICHINELLE. Wenn ihr so gut sein wolltet –
DIE HÄSCHER. Nein, nein.[27]
POLICHINELLE. Habt die Gnade!
DIE HÄSCHER. Nein, nein!
POLICHINELLE. Um des Himmels willen!
DIE HÄSCHER. Nein, nein!
POLICHINELLE. Seid barmherzig!
DIE HÄSCHER.
Nein, nein, wir glauben dir kein Wort;
Du triebst es sonst noch immer bunter.
Ins Loch mit ihm, schnell führt ihn fort.
POLICHINELLE. Ach! Gibt es denn nichts, meine Herren, was eure Herzen zu rühren vermöchte?
DIE HÄSCHER.
's ist nicht so schwer, uns zu erweichen;
Ihr könnt Euch leicht mit uns vergleichen.
Gebt heimlich und verstohlen
Als Trinkgeld für uns alle sechs Pistolen;
Dann mögt Ihr gehn, wohin es Euch gefällt.
POLICHINELLE. Ach, meine Herren, mein Kopf kann's nicht euch, ich habe keinen Heller bei mir.
DIE HÄSCHER.
Wenn's Euch an Pistolen fehlt,
Nun so sprecht, was ist Euch lieber:
Vierundzwanzig Nasenstüber?
Oder richtig aufgezählt
Mit dem Stock ein Dutzend Streiche?
POLICHINELLE. Wenn's denn nicht anders sein kann, und ich durchaus dran muß, so wähle ich die Nasenstüber.
DIE HÄSCHER.
Gut denn, so gebt wohl acht,
Und zählt die Schnippchen mit Bedacht.
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Der eingebildete Kranke
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Im Jahre 1758 kämpft die Nonne Marguerite Delamarre in einem aufsehenerregenden Prozeß um die Aufhebung ihres Gelübdes. Diderot und sein Freund Friedrich Melchior Grimm sind von dem Vorgang fasziniert und fingieren einen Brief der vermeintlich geflohenen Nonne an ihren gemeinsamen Freund, den Marquis de Croismare, in dem sie ihn um Hilfe bittet. Aus dem makaberen Scherz entsteht 1760 Diderots Roman "La religieuse", den er zu Lebzeiten allerdings nicht veröffentlicht. Erst nach einer 1792 anonym erschienenen Übersetzung ins Deutsche erscheint 1796 der Text im französischen Original, zwölf Jahre nach Diderots Tod. Die zeitgenössische Rezeption war erwartungsgemäß turbulent. Noch in Meyers Konversations-Lexikon von 1906 wird der "Naturalismus" des Romans als "empörend" empfunden. Die Aufführung der weitgehend werkgetreuen Verfilmung von 1966 wurde zunächst verboten.
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