Sechster Auftritt.

[33] Herr Diafoirus. Thomas Diafoirus. Argan. Angelique. Cleanthe. Toinette. Zwei Lakaien.


ARGAN legt die Hand an seine Schlafhaube, ohne sie abzunehmen. Herr Purgon, mein werter Herr, hat mir verboten, den Kopf zu entblößen. Ihr gehört zur Zunft, Ihr wißt, was das für Folgen haben könnte.

HERR DIAFOIRUS. Es ist die Aufgabe aller unserer Besuche, den Kranken Hilfe zu bringen, nicht ihnen schädlich zu werden.


Argan und Herr Diafoirus sprechen alles Folgende zugleich.


ARGAN. Mein Herr, ich empfange ...

HERR DIAFOIRUS. Mein Herr, wir kommen ...

ARGAN. Die Ehre, die Ihr mir erzeigt ...

HERR DIAFOIRUS. Mein Sohn Thomas und ich ...

ARGAN. Mit größtem Vergnügen ...

HERR DIAFOIRUS. Um Euch zu versichern ...

ARGAN. Und hätte gewünscht ...

HERR DIAFOIRUS. Wie sehr wir erfreut sind ...

ARGAN. Ich hätte zu Euch kommen können ...

HERR DIAFOIRUS. Über die Gunst, die Ihr uns erweist ...

ARGAN. Um es Euch auszusprechen ...

HERR DIAFOIRUS. Indem Ihr uns die Ehre antut ...

ARGAN. Aber Ihr wißt, mein Herr ...

HERR DIAFOIRUS. Euch mit uns, mein Herr ...

ARGAN. Wie es mit einem armen Patienten beschaffen ist ...

HERR DIAFOIRUS. Befreunden zu wollen ...

ARGAN. Der nichts anderes tun kann ...

HERR DIAFOIRUS. Und Euch zu beteuern ...

ARGAN. Als Euch hier zu sagen ...

HERR DIAFOIRUS. Daß wir in allem, was in unser Fach einschlägt ...[33]

ARGAN. Daß er jede Gelegenheit aufsuchen wird ...

HERR DIAFOIRUS. Sowohl als in andern Dingen ...

ARGAN. Euch zu versichern, mein Herr Doktor ...

HERR DIAFOIRUS. Allezeit bereit und willig sein werden ...

ARGAN. Daß er gänzlich zu Euern Diensten steht.

HERR DIAFOIRUS. Euch unsern Diensteifer zu bezeigen. Zu Thomas. Tritt jetzt vor, Thomas, und begrüße die Herrschaften.

THOMAS DIAFOIRUS zu seinem Vater. Muß ich nicht beim Vater anfangen?

HERR DIAFOIRUS. Ja.

THOMAS DIAFOIRUS. Mein Herr, ich begrüße, erkenne, liebe und verehre in Euch einen zweiten Vater; aber einen zweiten Vater, dem ich auszusprechen mich erkühne, daß ich ihm mehr schulde, als dem ersten. Der erste hat mich erzeuget, aber Ihr habt mich erwählet; jener hat mich aus Notwendigkeit empfangen, Ihr habt mich aus Gnade angenommen. Was ich von ihm habe, ist ein Werk seines Körpers; was ich aber von Euch erhoffe, ist ein Werk Eures Willens: und um so viel höher die Kräfte des Geistes über denen des Körpers stehen, um so viel mehr bin ich Euch verpflichtet, und um so kostbarer ist mir die bevorstehende Kindschaft, um derentwillen ich Euch heut im voraus meinen gehorsamsten und alleruntertänigsten Respekt zu vermelden komme.

TOINETTE. Es leben die Schulbänke, auf denen man ein so gelehrter Mann wird!

THOMAS DIAFOIRUS zu Herrn Diafoirus. War's so recht, Herr Vater?

HERR DIAFOIRUS. Optime.

ARGAN zu Angelique. Geh, mach dem Herrn dein Kompliment.

THOMAS DIAFOIRUS. Muß ich küssen?

HERR DIAFOIRUS. Ei ja.

THOMAS DIAFOIRUS zu Angelique. Geehrteste Frau Schwiegermutter ...

ARGAN zu Thomas Diafoirus. Das ist nicht meine Frau; Ihr sprecht mit meiner Tochter.

THOMAS DIAFOIRUS. Wo ist sie denn?

ARGAN. Sie wird gleich kommen.

THOMAS DIAFOIRUS zu Herrn Diafoirus. Soll ich warten, bis sie kommt, Herr Vater?[34]

HERR DIAFOIRUS. Mach' einstweilen dem Fräulein dein Kompliment.

THOMAS DIAFOIRUS. Mein Fräulein! Nicht mehr noch weniger als das Standbild des Memnon einen harmonischen Laut erklingen ließ, wenn es von den Strahlen der Sonne berührt ward; gleichergestalt fühle ich mich von einer angenehmen Regung entzückt, wenn die Sonne Eurer Schönheit mir aufgeht. Und gleichwie die Naturforscher beobachtet haben wollen, daß die unter dem Namen Sonnenblumen bekannte Staude ihr Haupt ohne Unterlaß dem Tagesgestirn zuwendet, also wird auch mein Herz von nun an sich den glänzenden Sternen Eurer anbetungswürdigen Augen als seinem einzigen Pol zuwenden. Erlaubt dannenhero, mein Fräulein, daß ich heut auf dem Altar Eurer Reize die Opfergabe dieses Herzens niederlege, welches nach keinem andern Ruhm strebt und schmachtet, als zeit seines Lebens zu verbleiben, verehrtes Fräulein, Euer gehorsamster, untertänigster und allergetreuster Diener und Ehegatte.

TOINETTE. Da kann man sehn, was es heißt, studiert zu haben! Man lernt doch schöne Dinge vorbringen!

ARGAN zu Cleanthe. He! Was sagt Ihr dazu?

CLEANTHE. Ich finde alles wundervoll; und wenn Herr Diafoirus ein so guter Arzt als großer Redner ist, so muß es ein Vergnügen sein, von ihm behandelt zu werden.

TOINETTE. Das wollte ich meinen. Wenn er so schöne Kuren macht, als er schön spricht, so muß er es weit bringen.

ARGAN. Geschwind, setzt meinen Lehnstuhl her und Sessel für die ganze Gesellschaft. Die beiden Lakaien bringen Stühle. Setze dich hierher, meine Tochter. Zu Herrn Diafoirus. Ihr seht, mein Herr Doktor, daß jedermann Herrn Thomas bewundert; und ich finde Euch sehr glücklich, einen solchen Sohn zu besitzen.

HERR DIAFOIRUS. Mein Herr, ich sage das nicht, weil es mein Sohn ist; aber ich kann mit Wahrheit versichern, daß ich alle Ursache habe, mit ihm zufrieden zu sein, und daß, wer ihn kennt, ihn als einen jungen Menschen rühmt, an dem keine böse Ader ist. Er hat niemals sehr viel Einbildungskraft blicken lassen und ebensowenig den lebhaften Geist, den man an einigen seiner Altersgenossen bemerkt; aber eben deshalb habe ich immer eine um so bessere Meinung von seiner Urteilskraft gehabt, die für[35] unsern Beruf das erste Erfordernis ist. Als er noch klein war, ist er nie, was man so nennt, aufgeweckt oder durchtrieben gewesen; man sah ihn allezeit still, friedfertig und schweigsam; er sprach kein Wort und spielte auch nie die kleinen Spiele, die dem kindischen Alter zu gefallen pflegen. Wir hatten die größte Mühe, ihn lesen zu lehren; als er neun Jahre alt war, kannte er noch keine Buchstaben. Gut, sagte ich zu mir selbst; die langsam wachsenden Bäume tragen die besten Früchte. Man schreibt mit größerer Mühe in den Marmor als in den Sand; aber die Schrift hält auch länger aus, und diese Trägheit des Verstandes, diese Schwerfälligkeit der Einbildungskraft sind der beste Beweis für ein zukünftiges gesundes Urteil. Als ich ihn auf das Gymnasium schickte, ward es ihm anfangs sauer; aber er kämpfte gegen die Schwierigkeiten, und seine Lehrer rühmten mir immer seinen Fleiß und seine Ausdauer. So ist er denn endlich durch stetes Hämmern auf das Eisen so weit gekommen, daß er Lizentiam erhalten; und ich kann ohne Eitelkeit beteuern, daß in den zwei Jahren, seit er auf den Bänken sitzt, kein Kandidat vorgekommen ist, der sich in allen Disputationen unsrer Fakultät so hervorgetan hat als er. Er hat sich recht furchtbar gemacht, und es wird kein einziger Aktus gehalten, wo er nicht auf Tod und Leben wider die gegnerische Proposition streitet. Er ist firm im Disputieren, stark wie ein Türke in seinen Grundsätzen, geht nie von seiner Behauptung ab und verfolgt ein Argument bis in die innersten Schlupfwinkel der Logik. Was mir aber vor allem andern an ihm gefällt, und worin er meinem Exempel folgt, das ist, daß er blindlings an den Ansichten unsrer Alten festhält, und daß er von den modernen Experimenten, die den Umlauf des Bluts und andre Schwindeleien von gleichem Schlage beweisen sollen, nie das mindeste hat wissen oder nur darauf hören wollen.

THOMAS DIAFOIRUS zieht eine große zusammengerollte Disputation aus der Tasche, die er Angelique überreicht. Ich habe gegen die Anhänger des Umlaufs eine These verteidigt, welche ich mit der Erlaubnis Dero Herrn Vaters dem Fräulein zu überreichen mich erdreiste als pflichtschuldiges Opfer der Erstlinge meines Studiums.

ANGELIQUE. Mein Herr, das ist für mich ein nutzloser Gegenstand; ich verstehe mich auf solche Dinge nicht.[36]

TOINETTE nimmt die Disputation. Gebt nur her, gebt nur her: es ist ein Bild darauf, das kann man immer brauchen. Wir wollen sie an die Wand hängen.

THOMAS DIAFOIRUS indem er dem Herrn Argan wieder eine Referenz macht, gleichfalls. Mit Dero Herrn Vaters Erlaubnis invitiere ich Euch dem nächst auch, mein Fräulein, daß Ihr einen dieser nächsten Tage zu Eurer Ergötzlichkeit der Obduktion einer Frauensperson beiwohnen wollt, über welche ich einen Vortrag halten werde.

TOINETTE. Die Ergötzlichkeit wird recht unterhaltend sein. Der und jener führt seine Dame ins Schauspiel; aber auf eine Sektion einzuladen ist weit galanter.

HERR DIAFOIRUS. Was übrigens diejenigen Qualitäten anlangt, die für den Ehestand und die Propagation erforderlich sind, so bezeuge ich, daß er nach den Regeln unsrer Doktoren durchaus nach Wunsch beschaffen ist; daß er die zur Prolifikation erforderliche Tüchtigkeit in einem löblichen Grade besitzt und sich desjenigen Temperaments erfreut, welches zur Hervorbringung und Prokreation wohlkonditionierter Kinder verlangt wird.

ARGAN. Ist es nicht Eure Absicht, Herr Doktor, ihn bei Hof anzubringen und eine Stelle als Leibarzt für ihn zu sollizitieren?

HERR DIAFOIRUS. Wenn ich aufrichtig reden soll, so ist mir unsre Praxis bei den Großen nie sehr annehmlich erschienen, und ich habe immer gefunden, wir täten besser, nur dem Publikum anzugehören. Das Publikum ist bequem: da ist man niemand Rechenschaft von seinen Handlungen schuldig, und wer nur dem Strom der hergebrachten Regeln folgt, braucht sich um nichts zu kümmern, was allenfalls draus entstehn kann. Bei den Großen dagegen ist der Übelstand, daß sie schlechterdings von ihrem Arzt kuriert sein wollen, wenn sie krank geworden sind.

TOINETTE. Wie kann man denn auch das noch von euch Ärzten verlangen, daß ihr eure Patienten herstellen sollt! Dazu seid ihr ja gar nicht da: ihr habt nur eure Rezepte zu schreiben und euer Honorar einzustreichen, ob sie gesund werden, ist ihre Sache.

HERR DIAFOIRUS. Das ist ganz richtig. Wir sind nur verpflichtet, die Leute nach der vorgeschriebenen Form zu behandeln.[37]

ARGAN zu Cleanthe. Mein Herr, laßt doch meine Tochter ein wenig vor der Gesellschaft singen.

CLEANTHE. Ich wartete nur auf Euern Befehl, mein Herr; und mir fällt eben ein, ich könnte, um die Gesellschaft zu unterhalten, eine Szene aus der neuen kleinen Oper, die jetzt aufgeführt wird, mit dem Fräulein singen. Zu Angelique. Seht, hier ist Eure Stimme.

ANGELIQUE. Ich ...

CLEANTHE leise zu Angelique. Weigert Euch nicht, wenn ich bitten darf, und erlaubt mir, Euch zu erklären, was in der Szene vorgeht, die wir singen sollen. Laut. Ich habe zwar wenig Stimme, aber hier ist es genug, wenn ich mich verständlich mache; und man wird die Güte haben, mich zu entschuldigen, weil ich dadurch das Fräulein veranlasse zu singen.

ARGAN. Sind die Verse schön?

CLEANTHE. Es ist recht eigentlich eine kleine Oper aus dem Stegreif, und Ihr werdet nichts andres singen hören als eine rhythmische Prosa, wie Leidenschaft und Notwendigkeit sie zwei Liebenden diktieren, die ihren Dialog erfinden.

ARGAN. Schön. Hören wir's mit an.

CLEANTHE. Die Situation ist also diese: Ein Schäfer hörte aufmerksam einem soeben beginnenden Schauspiel zu, als er durch laute Worte in seiner Nähe gestört ward: er sieht sich um und gewahrt einen rohen Menschen, der durch unziemliche Reden eine Schäferin beleidigt. Er nimmt sich sofort eines Geschlechts an, dem alle Männer Achtung schuldig sind, und nachdem er den frechen Buben für seine Ungebühr gezüchtigt, naht er sich der Schäferin, und erblickt ein junges Mädchen, deren schönen Augen Tränen entströmen, die ihm die schönsten der Welt dünken. Ach, denkt er, war's denn möglich, ein so liebenswürdiges Wesen zu kränken? Welcher Unmensch, welcher Barbar würde nicht durch solche Tränen gerührt werden? Er bemüht sich, diese Tränen, die ihm so schön dünken, zu hemmen; und zu gleicher Zeit bemüht sich die liebenswürdige Schäferin, ihm für seinen geringen Dienst zu danken; aber in so reizender, zarter und beweglicher Weise, daß der Schäfer ihr nicht widerstehen kann; denn jedes Wort, jeder Blick ist ein brennender Pfeil, der sein Herz entzündet. Gibt es wohl etwas, sagt er sich, das die entzückenden Worte eines solchen Danks verdienen kann?[38] Und was täte man nicht, welche Dienste, welche Gefahren suchte man nicht freudig auf, um sich, wenn auch nur für einen Augenblick, den süßen Lohn eines solchen Danks zu gewinnen? Das Schauspiel geht vorüber, ohne daß er im mindesten darauf achtet; er aber bedauert, daß es so kurz war, weil sein Ende ihn von der geliebten Schäferin trennt; und von jenem ersten Anblick, von jenem ersten Moment an empfindet er die volle Heftigkeit einer jahrelangen Leidenschaft. Er fühlt alle Qualen der Abwesenheit; er ist unglücklich, die Heißgeliebte, die er so wenig gesehn, nicht mehr zu sehn. Er tut, was ihm irgend möglich ist, um sich den Anblick, dessen Bild ihn Tag und Nacht nicht mehr verläßt, noch einmal zu verschaffen; aber der Zwang, in welchem man seine Schäferin hält, wehrt ihm jede Möglichkeit. Die Heftigkeit seiner Leidenschaft bringt ihn zum Entschluß, um die Hand der angebeteten Schönen anzuhalten, ohne die er nicht mehr leben kann, und ein Briefchen an sie, das er durch eine List in ihre Hände zu bringen weiß, verschafft ihm ihre Einwilligung zu diesem Schritt. Zu gleicher Zeit aber erfährt er, daß der Vater der Schönen ihre Heirat mit einem andern beschlossen hat, und daß schon alle Anstalten zur Hochzeit getroffen werden. Welcher grausame Schlag für das Herz des armen Schäfers! Nun überwältigt ihn ein tödlicher Schmerz; er kann die entsetzliche Vorstellung nicht ertragen, seine Geliebte in den Armen eines andern zu sehn; und seine verzweifelnde Leidenschaft läßt ihn ein Mittel ersinnen, sich in das Haus seiner Schäferin einzuschleichen, um zu hören, was sie beschlossen hat, um das Schicksal, das ihm bevorsteht, zu vernehmen. Er begegnet daselbst den Vorbereitungen zu dem, was er über alles fürchtet; er sieht den unwürdigen Nebenbuhler, den die Laune eines Vaters seiner zärtlichen Liebe entgegenstellt; er sieht den Triumph dieses lächerlichen Rivalen, der seinen Sieg schon für gesichert hält, und dieser Anblick erfüllt ihn mit einem Zorn, den er kaum beherrschen kann. Er wirft schmerzliche Blicke auf seine Geliebte; seine Ehrerbietung sowie die Gegenwart ihres Vaters hindern ihn, anders als durch die Augen mit ihr zu reden: endlich aber wirft er jeden Zwang ab, und die Heftigkeit seiner Liebe bewegt ihn, folgende Worte an sie zu richten: Er singt.[39]

Mein Lied ist allzu herbe,

O schöne Phillis; deshalb brich dein Schweigen.

Ich will in Demut deinem Spruch mich neigen;

Darf ich noch hoffen? Willst du, daß ich sterbe?

ANGELIQUE singt.

Tircis, du siehst, wie mich der Gram verzehrt,

Wie der verhaßte Bund an meinem Herzen nagt.

Zum Himmel bilck' ich, seh' dich an und seufze;

Ist das noch nicht genug gesagt?

ARGAN. Sapperment! Ich dachte nicht, daß meine Tochter so geschickt wäre und so frischweg vom Blatt singen könnte, ohne zu stocken.

CLEANTHE.

Ach Phillis, schönste Schäferin,

Darf dein getreuer Tircis hoffen,

Ihm steh' ein Platz in deinem Herzen offen?

Ist's wahr, daß ich so glücklich bin?

ANGELIQUE.

Dein bin ich, dein für alle Zeit;

Dir, Tircis, hab' ich ganz mein Herz geweiht,

Ich liebe, ja ich liebe dich.

CLEANTHE.

O holde Worte, wie entzückt ihr mich!

Hört' ich auch recht die süße Harmonie?

Noch einmal wiederhole sie!

ANGELIQUE. Ja, Tircis, ja, ich liebe dich.

CLEANTHE. O noch einmal!

ANGELIQUE. Ich liebe dich!

CLEANTHE.

Noch hundert Male wiederhol', o Phillis,

Noch tausend Male dein Geständnis mir.

ANGELIQUE.

Ich liebe dich, ich liebe dich,

Ja, Tircis, ewig lieb' ich dich.

CLEANTHE.

Die ihr die Welt mit ihren Königreichen

Zu euren Füßen seht,

Ihr Götter, ist eu'r Glück dem meinen zu vergleichen?

Nur ein Gedanke trübt

Die Wonne dieser sel'gen Stunde;

Mein Nebenbuhler ...

ANGELIQUE.

Ach, ich hass' ihn mehr

Als selbst den Tod, und seine Gegenwart

Ist mir wie Euch die größte aller Qualen.

CLEANTHE.

Doch eines Vaters ernstem Dringen,

Wirst du ihm ewig widerstehn?

ANGELIQUE.

Und sollt' ich dran zugrunde gehn,

Nie wird es ihm gelingen,[40]

Mich in dies Joch zu zwingen:

Im schlimmsten Fall, ich schwör's bei Ja und Nein,

Soll mich der Tod von solcher Schmach befrein.

ARGAN. Und was sagt denn der Vater zu dem allen?

CLEANTHE. Der sagt nichts.

ARGAN. Das ist aber ein recht einfältiger Vater, der alle solche Dummheiten mit ansieht, und nichts sagt!

CLEANTHE will fortfahren zu singen.

O Liebste ...

ARGAN. Nein, nein, das war gerade genug. Diese Oper gibt ein ganz schlechtes Beispiel. Der Schäfer Tircis ist ein zudringlicher Bursche, und die Schäferin Phillis eine unverschämte Dirne, daß sie das alles in Gegenwart ihres Vaters ausspricht. Zu Angelique. Zeig mir doch einmal das Blatt! Oho! Seht doch! wo sind denn die Worte, die du gesungen hast? – Da steht ja nichts drauf als geschriebene Noten?

CLEANTHE. Wißt Ihr denn nicht, mein Herr, daß man seit kurzem die Kunst erfunden hat, die Worte zugleich mit den Noten selbst zu schreiben?

ARGAN. Schon gut! Euer Diener, mein Herr, bis auf weiteres. Wir hätten Eure unanständige Oper ganz gut entbehren können.

CLEANTHE. Ich glaubte, Euch ein Vergnügen zu machen.

ARGAN. Solche Albernheiten machen mir kein Vergnügen. Ah, da kommt meine Frau.


Quelle:
Molière: Der eingebildete Kranke. Leipzig 1945, S. 33-41.
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