Meeresbrandung

[59] »Warrrrrrrte nur . . . . . . .

wie viel schon riß ich ab von dir

seit den Äonen unsres Kampfs –

warrrrrrrte nur . . . . . . .

wie viele stolze Festen wird

mein Arm noch in die Tiefe ziehn –

warrrrrrrte nur . . . . . . .

zurück und vor, zurück und vor –

und immer vor mehr denn zurück –

warrrrrrrte nur . . . . . . .

und heute mild und morgen wild –

doch nimmer schwach und immer wach –

warrrrrrrte nur . . . . . . .

umsonst dein Dämmen, Rammen, Baun,

dein Wehr zerfällt, ich habe Zeit –

warrrrrrrte nur . . . . . . .

wenn erst der Mensch dich nicht mehr schützt –

wer schützt, verloren Land, dich dann?

warrrrrrrte nur . . . . . . .

mein Reich ist nicht von seiner Zeit:

er stirbt, ich aber werde sein –

warrrrrrrte nur . . . . . . .

und will nicht ruhn, bis daß du ganz

in meinen Grund gerissen bist –

warrrrrrrte nur . . . . . . .

bis deiner höchsten Firnen Schnee[59]

von meinem Salz zerfressen schmilzt –

warrrrrrrte nur . . . . . . .

und endlich nichts mehr ist als Ich

und Ich und Ich und Ich und Ich –

warrrrrrrte nur . . . . . . .«

Quelle:
Christian Morgenstern: Sämtliche Dichtungen. Abteilung 1, Band 2, Basel 1971–1973, S. 59-60.
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