An Mutter Erde

[112] Sie wollen mich umgarnen,

sie wollen mich fort reißen –

aber ich werfe mich

an deine heilige Brust,

Mutter Erde ...

Mit weiten Händen

greif ich in deine Schollen,

mit tiefen Zügen

schlürf ich den herben Duft

deiner Kräuter ...

Nein, Du

verlässest mich nicht,

du nährst mich,

du stärkst mich,

daß die bösen Geister

mich lassen müssen,

und ich hoch und heiter

wieder des Weges wandere,

den ich mir kor.

Dafür will ich dich auch

ohn End, ohn Ende

lieben und preisen ...

Und wenn du mich einst

vom Strahl der Sonne

zurückheischst,

dann will ich[113]

mein Haupt still

in deinen Schoß betten ...

Und du wirst

meinen Schlummer behüten

von Ewigkeit

zu Ewigkeit.

Aus einer Lieder-Gruppe

Quelle:
Christian Morgenstern: Sämtliche Dichtungen. Abteilung 1, Band 3, Basel 1971–1973, S. 112-115.
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