Der Blick

[38] Mir gegenüber,

dicht unterm Dach,

sitzt ein Weib

am geduckten Fenster

und näht.


Früh

in das steigende Licht,

spät

in die fallende Nacht.


Manchmal

blickt es vom Schoße auf

und verloren hinaus

auf die Dächer –

die Wolken –

die Ewigkeit.


Ich kann

sein Auge nicht sehn,

aber ich fühle den Blick –

ich blicke ihn mit,

den zehrenden Blick

auf die Dächer –

die Wolken –

die Ewigkeit ...

Quelle:
Christian Morgenstern: Sämtliche Dichtungen. Abteilung 1, Band 3, Basel 1971–1973, S. 38-39.
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