Vaterländische Ode

[34] Weh dir,

der du ein Deutscher bist!

Deine glühende Seele

mußt du in Einsamkeit flüchten;

denn im Qualm und Geschrei deiner Märkte

achtet niemand dein –

und wie ein Narr

stehst du, feierlich dich gebärdend,

schwere, langsame Worte rollend,

unter der wirren, kreischenden Menge.


Rolltest du blanke Taler

in ihre Gassen,

heiß umpestete dich

ihr geiler Atem –

aber verhüllten Hauptes,

Mensch der Würde,

wendest du dich ...

Hier ist unheiliger Boden.


Weh dir,

der du ein Menschenfreund –

doppelt weh dir,

der du es Deutschen bist!

Aus der Inbrunst deiner Liebe

mußt du dich[35]

immer wieder

in brennender Scham

an die Kniee der Einsamkeit

flüchten!

Quelle:
Christian Morgenstern: Sämtliche Dichtungen. Abteilung 1, Band 3, Basel 1971–1973, S. 34-36.
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Ich und die Welt
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