Talfahrt

[90] Die du im ersten

jungfräulichen Schnee

dort am fallenden Hang

ahnungsvoll schläfst,

talbrünstige Lawine!

Wach auf!

Und trage mich!

wildestes Roß,

wieder hinab

in der Menschen Gefilde!

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .


Die zierliche Flocke

bewegt sich ... wächst ...

Und stürmt immer toller

von Fels zu Fels ...

Ich springe ihr nach

und fasse beherzt

in ihr weißes,

wehendes Mähnenhaar,

indessen Phanta

den Renner lenkt,

wie auf rollender Kugel[91]

die Göttin des Glücks,

hochaufgerichtet

und furchtlos.

. . . . . . . . . . . . . . . . . .


Wir sind am Ziel.

Vom Laufe ruht

im Bach des Tals

das Rößlein aus.

Ich flieg auf weichen

Wiesenplan,

und lächelnd

hilft mir Phanta auf.

Und dann – zerbricht sie

ihren Stab.

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Quelle:
Christian Morgenstern: Sämtliche Dichtungen. Abteilung 1, Band 1, Basel 1971–1973, S. 90-92.
Lizenz:
Kategorien: