Abend im Gebirge

[9] Über dumpfen Wäldermassen

baden steile erdenferne

Höhen sich im rosenblassen

Firmament der ersten Sterne.


Tageshelle will nicht scheiden,

ehe nicht der letzte flimmert;

und so leuchten sie, von beiden

zwiefach feurig angeschimmert.


Bis des ehernen Geschickes

strenger Schluß den Wettstreit endet

und der Tag sich langen Blickes

von den vielgeliebten wendet.


Wie beraubt der Seele, sinken

stumm die mächtigen zusammen.

Starre, kalte Strahlen blinken

statt lebendiger Liebesflammen.

Quelle:
Christian Morgenstern: Sämtliche Dichtungen. Abteilung 1, Band 7, Basel 1971–1973, S. 9-10.
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