Schlummer

Dies Eine laß mir, dunkler Geist der Nacht,

dies Eine laß mir: Schlummer, bis zum Ende, –

wann müd ich mich von Tag und Menschen wende,

traumlosen Schlummer, der vergessen macht.


Des Lebens Tag ist spielend überwunden;

doch wenn das Grauen aus dem Schweigen tritt

der fürchterlichen zweiten, dritten Stunden,

dann fühl' ich, daß ich stets vergeblich stritt.


Es stürzt der Ungewißheit Übermacht

mein Herz in Angst und Zweifel ohne Ende ...

O wenn ich mich von Tag und Menschen wende,

so laß mich schlafen, dunkler Geist der Nacht!

Quelle:
Christian Morgenstern: Sämtliche Dichtungen. Abteilung 1, Band 7, Basel 1971–1973, S. 63-65.
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