Die Priesterin

[298] Nachdenklich nickt im Dämmer die Pagode ...

Daneben tritt aus ihres Hauses Pforte

T'ang-ku-ei-i, die Hüterin der Orte

vom krausen Leben und vom grausen Tode.


Aus ihrem Munde hängt die Mondschein-Ode

Tang-Wangs, des Kaisers, mit geblümter Borte,

in ihren Händen trägt sie eine Torte,

gekrönt von einer winzigen Kommode.


So wandelt sie die sieben ängstlich schmalen

aus Flötenholz geschwungnen Tempelbrücken

zum Grabe des vom Mond erschlagnen Hundes –
[298]

und brockt den Kuchen in die Opferschalen –

und lockt den Mond, sich auf den Schrein zu bücken,

und reicht ihm ihr Gedicht gespitzten Mundes ...


v.K.


Quelle:
Christian Morgenstern: Ausgewählte Werke. Leipzig 1975, S. 298-299.
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