Das Liebesmahl

[31] Bestand aus Milch und Brodt, welches Hartknopf mit dem Pächter Heil und seiner Schwester genoß, ehe er seinen Stab weiter setzte, denn er wollte den Tag noch drey Meilen gehen. –

In Heils Wohnstube war der Fußboden mit einer weichen Decke belegt, und die Wände mit senkrechten blauen Streifen geziert.

In der Mitte stand ein rundes Tischgen, woran diese drei nun saßen. –

Sophien gegenüber hieng ein Spiegel, vor dem sie, wie beim Anfange von Hartknopfs Predigt, nur ein wenig die Augen niederschlug, und sie dann wieder aufschlug. –

Denn der Spiegel verdoppelte die schöne Seene, und stellte sie wie in dem Hintergrunde eines Gemähldes dar, das drei vorzüglich karakteristische Köpfe in sich faßte, die durch ihre Stufenfolge einen Akkord bildeten, dem nur ein fast[32] unmerkliches Etwas zur völligen Harmonie und Reinheit fehlte.

Die Liebe welche bei dem Mahle herrschte, verdeckte dieß Etwas, und knüpfte unvermerkt ein schönes täuschendes Band, zwischen diesen sich so nahe verwandtscheinenden Seelen, die in vertraulichen Gesprächen über die eigentlichen Lebenspunkte, und über das, was der Mensch in jedem Augenblick des Lebens zu seiner Glückseligkeit thun und nicht thun kann, sich immer näher aneinanderschlossen. –

Während diesen Gesprächen vernahm Hartknopf zum öftern ein sanftes Echo aus seiner gehaltenen Predigt wieder. – Ganz leise hatten die Saiten angeklungen, die seine Worte berühren wollten, nur einige waren verstummt geblieben. –

Bey diesem Liebesmahle verschwand allmälig das Torfmoor und die unglückbringende Taubengestalt über Hartknopfs Haupte. –

Die ersten Worte des Pächters, womit er ihn in sein Haus geführt hatte, tönten immer noch angenehm in seinen Ohren.[33]

In diesem Hause wohnet Heil, sagte der Pächter, indem er ihn hineinführte, und Seegen, antwortete Hartknopf, indem er ihn umarmte. –

Der Pächter Heil sagte dieß dem Ansehen nach kindische Wortspiel, mit einem so freundschaftlichen Händedruck und bedeutenden Blick auf Hartknopf, und zugleich mit einem so edlen Selbstgefühl, daß Hartknopf auf einmal harmonisch in dieses Wortspiel mit einstimmte. –

Und Seegen! setzte er hinzu, und gewiß war seine ganze Seele bewegt, indem er dieß sagte, er fühlte die Macht dieser Worte, sobald sie aus der Fülle des Herzens strömen; und aus dieser Fülle des Herzens die Kraft erhalten, womit der sterbende Patriarch das Hörn des Ueberflusses über seine Sühne ausschüttete, welche auf kommende Geschlechter seinen Seegen fortpflanzen. –

Nicht so harmonisch griff der Seegen ein, welchen er auf der Kanzel und vor dem Altar, der seegengewohnten Gemeinde gab. –

Er machte nehmlich statt des Kreuzes mit dem Mittel- und Zeigefinger nur einen geraden Querstrich zweimal durch die Luft, woran die ganze[34] Gemeinde, so oft er es that, und der Küster Ehrenpreiß zwiefach sich ärgerte. –

Dergleichen Kleinigkeiten wurden in Hartknopfs Gemeinde zu sehr wichtigen Dingen, und verwickelten ihn in der Folge in tausend Verdrießlichkeiten, deren er sich nicht im mindesten versahe. –

Für jetzt aber nahm er Abschied von dem Geschwisterpaar, da es hoch Mittag war, um den Herrn von G... zu besuchen; dieser wohnte drei Meilen weit von hier, bey dem Dorfs Nesselrode, wohin der Weg durch einen Fichtenwald führte, der eine Strecke hinter Ribbeckenäuchen seinen Anfang nahm, und unsern Wanderer auf seinem Wege vor den Strahlen, der Sonne schützte, welche schon anfiengen, den ausgetrockneten Boden zu sengen. –

Quelle:
Karl Philipp Moritz: Andreas Hartkopf. Prediger Jahre, Berlin: Johann Friedrich Unger, 1790. , S. 31-35.
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