9. Auftritt.

[15] Scheffler. Hartwig. Steinkirch.

Hartwig eine Reisetasche umgehängt, Steinkirch mit einem kleinen Handkoffer.


HARTWIG. Scheffler – Bruno – altes Haus! Schnell eintretend umarmt Scheffler.[15]

SCHEFFLER etwas kühl. Lieber Freund – sei willkommen.

HARTWIG. Oh kein Wort weiter – ein warmer Händedruck zeigt mir, daß wir noch die Alten sind. Da sind alle Worte überflüssig – und Du weißt, ich hasse ja nichts mehr als Redensarten. Eigentlich sollte man das Reden ganz abschaffen – wo man sich mit einem Worte durch ein Zeichen verständigen kann – es würde nicht so viel überflüssiges Zeug geschwatzt werden.

SCHEFFLER. Ganz recht – Du willst –?

HARTWIG unterbrechend. Wieder eine überflüssige Frage – natürlich will ich – und werde Dir schon sagen, was ich will.

SCHEFFLER auf Steinkirch deutend. Aber da ist –

HARTWIG wie oben. Ein Fremder, den ich mitgebracht habe, den Du kennen lernen sollst – ich werde ihn Dir gleich vorstellen. Nur immer eins nach dem andern, Alles in gehöriger Ordnung. Also Du befindest Dich wohl?

SCHEFFLER. Ja.

HARTWIG. Gut – freut mich – damit Du dieselbe Frage ersparst, will ich Dir gleich Antwort geben – ich befinde mich auch wohl, abgerechnet ein bischen Reißen in der linken Schulter. Hatte eine Kahnparthie – es wurde spät Abends – wodurch ich mir eine Erkältung zugezogen – hat aber nichts zu sagen, wird sich bald wieder geben. Zweitens aber ist morgen unser Stiftungsfest –

SCHEFFLER. Ja – das heißt –

HARTWIG. Ein einfaches Ja genügt. Du hättest auch nur mit dem Kopf zu nicken brauchen. Du hast mich zum Stiftungsfest eingeladen – hast mir ein Zimmer angeboten, ich habe die Einladung angenommen –

SCHEFFLER. Und kommst –

HARTWIG. Ich komme und komme auch nicht – das heißt, ich komme um wieder zu gehn![16]

SCHEFFLER. Wie? Erfreut.

HARTWIG. Ich weiß, daß Du es sehr bedauern wirst – doch es geht nicht anders alter Freund – ich muß bei meiner alten Tante wohnen.

SCHEFFLER bei Seite. Gott sei Dank.

HARTWIG. Sie hatte von meiner Ankunft gehört, und da ist es Höflichkeit – Rücksicht – es ist nämlich eine Erbtante – da treffe ich unterwegs Jemand, der noch nicht weiß, wo er Quartier finden soll. Hollah sage ich – das paßt ja vortrefflich! – dem Manne kann geholfen werden und so bringe ich Dir denn einen andern Gast mit, damit Du Dein Fremdenzimmer nicht umsonst eingerichtet hast!

SCHEFFLER. Lieber Freund –

HARTWIG. Jetzt kommt die Vorstellung – Herr Doctor Steinkirch, junger Gelehrter – sehr viel gelernt – Redacteur einer wissenschaftlichen Zeitschrift – Verbeugen Sie sich – verbeuge Du Dich auch – So, die Bekanntschaft ist gemacht, die Sache ist in Ordnung – ist Dir's recht? –

SCHEFFLER. Es würde mir –

HARTWIG. Eine noch größere Freude sein, wenn Ihr beide hier bleibt, willst Du sagen – Ich verstehe – aber das geht nun einmal nicht – die Erbtante –

STEINKIRCH zu Scheffler. Sie sehen, es ist kaum möglich, zu Worte zu kommen.

HARTWIG. Ja Kinder, wenn man Euch nicht im Zaum hielte, wenn man Euch nach Belieben reden ließe – wer sollte da Ohren genug haben zu hören. Ich denke noch daran, als wir zusammen studirten – Du hattest eine förmliche Wuth Reden zu halten, es verging kein Commers – kein Kneipabend – wo Du nicht eine Pauke losließest. – Und ich bin überzeugt, daß Du morgen beim Stiftungsfest auch wieder als Festredner auftreten wirst. –[17]

SCHEFFLER. Das heißt – man hat mich ersucht –

HARTWIG. Na schon gut – ich weiß genug. Alle Achtung – ich finde es sehr natürlich – daß die Euterpe stets die Festredner stellt. Die Euterpe ist ja natürlich besser wie die andern Vereine, treibt ja philosophische Musik – hat die besten Stimmen – Zu Steinkirch. ist nämlich kaum zum Anhören – Da muß sie natürlich den Redner stellen – die andern Vereine stehen immer zurück – wenn sie da auch Jemand haben, der die Sprache in seiner Gewalt hat – Frische – Geist – Alles einerlei – aber das nebenbei. Die Hauptsache ist also gemacht, Sie sind untergebracht – Du hast einen liebenswürdigen Gast, heut Abend treffen wir uns im blauen Roß – lebt wohl. Giebt Beiden die Hände, dann ab – macht kehrt.

STEINKIRCH. Endlich kann ich Ihnen sagen –

HARTWIG. Ja, noch eins – vor 15 Monaten hast Du Dich verheirathet. Ich habe die Gesundheit Deiner Frau zwar beim vorigen Stiftungsfest oft getrunken, habe sie aber noch nicht kennen gelernt. Du lebst glücklich in Deiner Ehe?

SCHEFFLER. Welche seltsame Frage? Allerdings –

HARTWIG. Ein einfaches Ja hätte genügt. Diese vielen Worte sind verdächtig – es ist eine Umschreibung, die mir das Gegentheil zu sagen scheint. Du kommst mir auch so blaß vor – bist etwas abgemagert, das sind die Folgen des Heirathens – ja ich bin klug und weise – Seht mal, wie ich aussehe – ich habe keine Frau – ich nehme niemals eine Frau!

SCHEFFLER UND STEINKIRCH lachen laut.

HARTWIG. Bah – was giebt es da zu lachen?

STEINKIRCH. Er brennt darauf, eine Frau zu bekommen.

SCHEFFLER. Ich weiß – ich weiß –

HARTWIG. Ich denke nicht daran.

SCHEFFLER. Alter Freund – Du hast Dir manchen Korb geholt![18]

HARTWIG. Warum nicht gar?

STEINKIRCH. Oh – wie war's mit der schönen Wittwe vor drei Monaten?

HARTWIG. Wollt' ich nicht.

STEINKIRCH zu Scheffler. Er wollte wohl – ist aber abgeblitzt.

HARTWIG. Dummes Zeug!

SCHEFFLER. Und bei der kleinen Blondine – entsinnst Du Dich?

HARTWIG. Was Ihr Alle wollt –

SCHEFFLER. Ist er auch abgefallen.

HARTWIG. Ich mag die Blondinen gar nicht.

STEINKIRCH. Ich könnte auch eine ganze Reihe Brünetten nennen –

HARTWIG knurrt.

STEINKIRCH. Ueberall hat er geschmachtet und geworben.

HARTWIG knurrt.

SCHEFFLER. Und immer wieder abgeblitzt.

STEINKIRCH. Abgeblitzt!

HARTWIG. Hab' ich es nicht gesagt – wenn Ihr einmal zu Worte kommt – nichts als dummes Zeug bringt Ihr vor. – Wenn ich auch kein ganzer Adonis bin, ich habe Geist – das könnt Ihr mir nicht absprechen – und nur mit Geist erobert man die Weiber. Wenn ich also einmal ernstlich will, werde ich nicht schmachten – sondern im Sturm erobern! Nun will ich aber meinen Ohren die Qual nicht anthun, Euer Geschwätz weiter anzuhören – Guten Morgen. Ab durch die Mitte.

STEINKIRCH. Ich falle Ihnen als Unbekannter so ins Haus, Herr Doctor – wenn ich Ihnen die leiseste Unbequemlichkeit verursache –

SCHEFFLER verlegen. Bitte – bitte –

STEINKIRCH. Ich bin nur mitgekommen, weil Hartwig behauptete, sein Zimmer wäre bereit –

SCHEFFLER. Allerdings – wenn Sie damit fürlieb nehmen wollen – Bei Seite. es ist gar nicht zu umgehn –[19]

STEINKIRCH. Sie sind sehr gütig. Aber wenn Sie erlauben, daß ich mir den Staub von der Reise etwas abschüttle –

SCHEFFLER. Ja – jawohl – Bei Seite nach einiger Verlegenheit. Haben Sie die Güte hier so lange einzutreten. Auf die Thür rechts deutend.

STEINKIRCH. Wenn Sie erlauben – ich bin gleich wieder da. Reisetasche beibt an der Thür stehn. Ab nach rechts.

SCHEFFLER sehr höflich. Ich bitte sehr – In verändertem Ton. Das ist eine verteufelte Geschichte. Ein mir selbst ganz fremder Gast gerade jetzt! – was wird meine Frau dazu sagen – Halt – oben im dritten Stock ist ein Zimmer zu vermiethen; wenn ich das nehme, sage: es ist mein Fremdenzimmer – da komme ich mit meiner Frau gar nicht in neues Zerwürfniß. Der Gedanke war gut – also schnell ihn ausgesührt. Will fort.


Quelle:
Gustav von Moser: Lustspiele. Band 1, Berlin 1873, S. 15-20.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Diderot, Denis

Die Nonne. Sittenroman aus dem 18. Jahrhundert

Die Nonne. Sittenroman aus dem 18. Jahrhundert

Im Jahre 1758 kämpft die Nonne Marguerite Delamarre in einem aufsehenerregenden Prozeß um die Aufhebung ihres Gelübdes. Diderot und sein Freund Friedrich Melchior Grimm sind von dem Vorgang fasziniert und fingieren einen Brief der vermeintlich geflohenen Nonne an ihren gemeinsamen Freund, den Marquis de Croismare, in dem sie ihn um Hilfe bittet. Aus dem makaberen Scherz entsteht 1760 Diderots Roman "La religieuse", den er zu Lebzeiten allerdings nicht veröffentlicht. Erst nach einer 1792 anonym erschienenen Übersetzung ins Deutsche erscheint 1796 der Text im französischen Original, zwölf Jahre nach Diderots Tod. Die zeitgenössische Rezeption war erwartungsgemäß turbulent. Noch in Meyers Konversations-Lexikon von 1906 wird der "Naturalismus" des Romans als "empörend" empfunden. Die Aufführung der weitgehend werkgetreuen Verfilmung von 1966 wurde zunächst verboten.

106 Seiten, 6.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Sturm und Drang. Sechs Erzählungen

Geschichten aus dem Sturm und Drang. Sechs Erzählungen

Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Michael Holzinger hat sechs eindrucksvolle Erzählungen von wütenden, jungen Männern des 18. Jahrhunderts ausgewählt.

468 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon