3. Auftritt.

[36] Franz. Vorige. Dann Schnake.


FRANZ. Herr Schnake wünscht den Herrn Commerzienrath zu sprechen.

BOLZAU ärgerlich. Er soll wiederkommen – habe jetzt keine Zeit.

WILHELMINE. Er hat doch nur eine kurze Bestellung – laß den armen Menschen den Weg nicht zweimal machen.

BOLZAU unwillig. So mag er kommen – aber rasch!


Franz öffnet Schnake die Thür.


SCHNAKE. Wünsche ergebenst wohl gespeist zu haben, Herr Commerzienrath.

BOLZAU kurz. Ich habe noch nicht gespeist!

SCHNAKE. Freilich – freilich – die vornehmen Herrschaften pflegen später zu Tisch zu gehen, als unsereiner, der oft garnicht an einen Tisch kommt – sein Stückchen Brod und Fleisch aus der Hand im Gehn und Stehn essen muß!

BOLZAU. Aber ich möchte zu Tisch gehn, Schnake, und zwar gleich – also sagen Sie rasch, was Sie wollen.

SCHNAKE. Will nur die Liste vorlegen und um gnädige Unterschrift bitten.

BOLZAU. Wozu – wozu?

SCHNAKE. Ah – Herr Commerzienrath – als wenn Sie das nicht wüßten.

BOLZAU ungeduldig. Lassen Sie Ihre Querreden – also wozu?

SCHNAKE. Nun zum Stiftungsfest des allgemeinen Sängerbundes – Festtafel – ob und wie viel Gäste Sie mitbringen werden – hier – Legt die Liste vor.

BOLZAU. Wissen Sie denn, ob ich überhaupt Theil nehme?[37]

SCHNAKE. Ah – Herr Commerzienrath! daran zu zweifeln, würde ich für ein Verbrechen halten. Sie, das langjährige Mitglied der Concordia – haben fast immer im Vorstand gegessen – gesessen, wollte ich sagen – waren immer Solobariton – Ach, wie schön sangen Sie die Reichardt'sche Kanzonette mit Chorbegleitung – Wenn ich daran denke!

BOLZAU für sich, seufzend. Ich denke an meine Kapaunen!

SCHNAKE. Eine berühmte Größe unserer Stadt sollte beim Stiftungsfest fehlen – das geht ja gar nicht! Und es wird diesmal so schön – feierlicher Zug nach dem Saale – zwei Musikcorps – Herr Brimborius hat Alles vortrefflich geordnet – großes Concert – Festtafel! – Es wird prachtvoll, Herr Commerzienrath!

BOLZAU. Mag sein – ich komme doch nicht, Schnake!

SCHNAKE. Ah – nein –

WILHELMINE. Aber warum willst Du nicht gehn, lieber Mann – ich dächte doch –

BOLZAU. Wir gingen zu Tische – Nimmt Wilhelminens Arm. Das ist entschieden wichtiger!

WILHELMINE zu Schnake – besänftigend. Kommen Sie wieder vor, Herr Schnake, der Herr Commerzienrath wird sich das überlegen. – Wir wollen soeben zu Tisch gehn!

SCHNAKE. Schön, Frau Commerzienräthin, ich werde wiederkommen. Der Schreck ist mir ordentlich in die Glieder gefahren. Wenn der Herr Commerzienrath fehlte – es wäre ja nur das halbe Fest. Wünsche ergebenst wohl zu speisen. Ab durch die Mitte.

BOLZAU. Wenn der Mensch den Mund so viel zum Essen braucht, als zum Reden – müßte er dick und fett werden!

WILHELMINE. Weshalb willst Du aber nicht zu dem Feste gehn?

LUDMILLA. Du hast doch sonst immer Theil genommen?

BOLZAU. Kinder, mir geht Ruhe und Bequemlichkeit über das[38] Vergnügen. Einen Zug mitmachen in der Sonnenhitze – Abends lange sitzen – mehr trinken als mir gut ist! – Nein – nein! – Aber kommen wir denn nun endlich zu Tische? Nimmt auch Ludmilla's Arm.

WILHELMINE. Ich muß Dir nur gestehn – ich hatte für mich und Ludmilla die kleine Loge auf der Gallerie bestellt, um ungesehen das Concert mit anzuhören!

LUDMILLA. Und ich hatte mich so darauf gefreut – Streichelt ihm die Backen.

BOLZAU ungeduldig. Aber –

WILHELMINE. Das arme Mädchen muß doch auch einmal ein Vergnügen haben. Streichelt ihm die Backe.

BOLZAU. Aber Kinder – das läßt sich Alles bei Tisch besprechen – kommt doch nun endlich! Will Beide abführen.


Quelle:
Gustav von Moser: Lustspiele. Band 1, Berlin 1873, S. 36-39.
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