3. Auftritt.

[71] Bolzau. Ludmilla. Wilhelmine. Bertha.


LUDMILLA zu Bolzau, durch die Mitte eintretend. Ich verlasse mich auf Dich, guter Oheim.

BOLZAU. Pst – Kind, da ist Deine Tante!

WILHELMINE. Willst Du nicht Toilette machen, ich denke Du willst heute noch in eine Sitzung gehen.

BOLZAU. Ja Schatz, vielleicht später.

WILHELMINE zu Bertha, die mit Ludmilla nach dem Garten geht. Laß Ludmilla nicht allein, hörst Du?

BERTHA. Keine Sorge, Tante! Bertha, Ludmilla ab.

WILHELMINE. Geh' Du nur, ich gönne Dir gern das Vergnügen, Alterchen. Streichelt ihm die Backe.

BOLZAU. Wie gut Du bist, Minona. Streichelt Wilhelmine die Backen. Es ist doch außerordentlich nett, wenn man so einig ist.

WILHELMINE. Das sind wir Beide doch wohl immer![71]

BOLZAU. Hm, ja, das heißt, Schatz, ich möchte eigentlich –

WILHELMINE. Nun, was hast Du denn?

BOLZAU. Gerade weil wir immer einig sind – weißt Du, der Gedanke von heut früh peinigt mich etwas.

WILHELMINE. Welcher Gedanke?

BOLZAU. Wir sprachen von Ludmilla – von der Möglichkeit, daß sich einst ein braver Mann fände.

WILHELMINE plötzlich ernst. Bolzau!

BOLZAU. Nu – nu – verstehe mich – von der Möglichkeit, sage ich, unsre Ansichten gingen da sehr auseinander.

WILHELMINE. Das heißt, Du behandelst die Frage leichtsinnig – ich ernst.

BOLZAU. Mienchen, ich habe nur Ludmilla's Wohl im Auge.

WILHELMINE. Ich ebenfalls – außerdem aber meine Verantwortung.

BOLZAU. Ich setze ja aber nur den Fall – es käme ein braver Mann –

WILHELMINE. Braver Mann hin – braver Mann her – laß uns darüber nicht erst sprechen. Mein Wille steht fest – ich bewahre das Mädchen vor jeder Neigung – bis ihr Vater aus Amerika zurück ist.

BOLZAU. Das kann noch Jahre dauern.

WILHELMINE. Thut nichts.

BOLZAU. Du thust wirklich, als ob die Ehe ein Unglück wäre.

WILHELMINE. Oh nein – aber Du kannst glauben, daß nicht alle Ehen so glücklich ablaufen, wie Bertha und Scheffler's zum Beispiel.

BOLZAU. Na – na – na – na –

WILHELMINE. Das ist eine Musterehe – vertraue meinem Scharfblick. Beinahe zwei Jahre verheirathet und noch nicht das leiseste Zerwürfniß –

BOLZAU lachend. Sehr gut – hahaha![72]

WILHELMINE. Was lachst Du?

BOLZAU. Ueber Deinen Scharfblick!

WILHELMINE. Nun, wüßtest Du es besser!

BOLZAU. Sage mal, Schatz, Du glaubst die Geschichte von dem Kochofen? Oh Dein Scharfblick! Hahaha!

WILHELMINE. Aber so rede doch –

BOLZAU. Als sie ankam und mir die Geschichte erzählte – hatte sie Thränen in den Augen.

WILHELMINE. Natürlich – die Maschine wird geraucht haben.

BOLZAU. Schöner Rauch – ja – blauer Dunst, den sie uns vormacht. Denke nur – Scheffler war vorhin hier – er war zerstreut – eingenommen – erzählte mir, daß seine Frau nach Rosendorf zu ihrem Bruder gefahren sei. Er weiß gar nicht, daß sie hier ist!

WILHELMINE. Ist es möglich!

BOLZAU. Bei Deinem Scharfblick!

WILHELMINE. Das arme Kind – ist gewiß ganz unschuldig.

BOLZAU. Natürlich –

WILHELMINE. Da will ich doch gleich – Will fort.

BOLZAU sie aufhaltend. Nein, nein – bitte, überlaß das mir –

WILHELMINE. Aber was soll das heißen?

BOLZAU. Schatz – in jeder Ehe giebt es Krieg – in einer guten wenig, in einer schlimmen viel – die jungen Leute haben bis jetzt in Frieden gelebt – nun ist der Krieg auch ausgebrochen.

WILHELMINE. Aus dem Hause zu gehn – so weit habe ich es nie getrieben!

BOLZAU. Hätte auch nichts geschadet – Du wärst wieder gekommen – von solchen Kriegslisten muß man sich nicht verblüffen lassen.

WILHELMINE. Du bist ein unverbesserlicher Spötter![73]

BOLZAU. Es ist also besser, wir bleiben immer in Frieden. Nimmt ihre Hand. Minona –

WILHELMINE. Nun?

BOLZAU. Gesetzt aber nun, es käme wirklich ein braver, junger Mann –

WILHELMINE sich schnell losmachend – etwas heftig. Bleib' mir mit Deinem jungen, braven Mann vom Leibe –

BOLZAU. Aber Minnachen –

WILHELMINE. Ein Unglück wäre es – ein großes Unglück – und meine Einwilligung gäbe ich nie – niemals Bolzau – ein für allemal! Ich will keinen jungen braven Mann! Ab nach links.

BOLZAU. Da mache nun einmal ein vernünftiger Mann gegen solchen Eigensinn etwas! Armer Steinkirch!


Quelle:
Gustav von Moser: Lustspiele. Band 1, Berlin 1873, S. 71-74.
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