[545] Silvander, Montan, Corydon.
SILVANDER.
Montan, nun muß ich fort!
Sieht den Corydon und erschrickt.
MONTAN.
Hab ichs nicht prophezeihet?
Du siehst nun, daß dein Schluß dich nur zu früh gereuet.
Nimmt dich so bald der Trieb zur Ehre wieder ein,
So würd'st du dir und mir zur Last, ein Schäfer seyn.
SILVANDER.
Das ist es nicht, Montan, was meinen Schluß verhindert;
Ich thu es, daß sich mein und Doris Schmerz vermindert;
Das arme Kind schwört mir bey der ihr heilgen Flur,
Daß sie mich lieben muß.
MONTAN.
O Unschuld! O Natur![545]
SILVANDER.
Du siehst, mein Schicksal will, ich muß den Ort verlassen;
Eh sie als Schwester liebt, ists besser, mich zu hassen.
Drum lebe wohl Montan – Montan – Freund, lebe wohl,
Es wartet schon das Boot, das mich entfernen soll.
Ich will dir wo ich bin, von meinem Glück und Leben,
Ach! könnt ichs mündlich thun! zum östern Nachricht geben.
Wenn meines Vaters Bund, wenn dich sein Sohn noch rührt,
So mach, daß sich der Schmerz aus Doris Brust verliert;
Eh das geschieht, find ich nie meine Ruhe wieder.
Noch einmal lebe wohl! die Angst schwächt Geist und Glieder.
Er will gehen.
MONTAN.
Silvander warte noch, sieh deinen Vater hier.
SILVANDER.
Wen?
CORYDON.
Wie?
MONTAN.
Den Vater, ja; der Himmel schenkt ihn dir.[546]
CORYDON.
Mein Sohn!
SILVANDER.
Mein Vater?
MONTAN.
Ja.
CORYDON.
Pfuy, hab uns nicht zum Narren!
SILVANDER.
Muß für Erstaunen nicht das Blut in mir erstarren?
Montan belügt mich nicht.
CORYDON.
Das soll Leander seyn?
SILVANDER.
Leander bin ich, ja. Entzückung nimmt mich ein.
Mein Herz spricht ja, so viel auch Zweifel widersprechen,
So will der Himmel noch mein hartes Schicksal rächen?
CORYDON.
Wer Henker führt dich denn in dieses leere Land?
Wenn du mein Sohn nun bist, kennst du hier diese Hand?
Zeigt ihm einen Brief.
SILVANDER.
Gerechter Himmel! ja – ja – das hab ich geschrieben.
CORYDON.
Dieß liebe Blatt ist nie von meiner Brust geblieben.[547]
SILVANDER.
Ach Glück! – ach Vater! – ach! gelangt es doch an euch?
CORYDON.
Bekamst du Antwort?
SILVANDER.
Nein!
CORYDON.
Das ist ein Teufelsstreich.
Ich schrieb dir mit dem Fuchs.
SILVANDER.
Dieß Schiff ist untergangen.
CORYDON.
Ja, so kömmt es heraus, daß du sie nicht empfangen.
Umarme mich mein Sohn.
Umarmt ihn.
SILVANDER.
Mein Vater!
Küßt ihm weinend die Hand.
CORYDON weinend.
Welche Lust!
MONTAN.
Seht hier des besten Sohns, des besten Vaters Brust!
Doch ich seh Doris dort, ich muß gleich zu ihr eilen,
Und machen, daß sie sich noch etwas muß verweilen;
Bleibt, Freunde, hier allein; ich halte sie dort auf,
Laßt eurer Zärtlichkeit und Freude vollen Lauf.
Ich komme bald zurück.
Ab.
Buchempfehlung
Als einen humoristischen Autoren beschreibt sich E.T.A. Hoffmann in Verteidigung seines von den Zensurbehörden beschlagnahmten Manuskriptes, der »die Gebilde des wirklichen Lebens nur in der Abstraction des Humors wie in einem Spiegel auffassend reflectirt«. Es nützt nichts, die Episode um den Geheimen Hofrat Knarrpanti, in dem sich der preußische Polizeidirektor von Kamptz erkannt haben will, fällt der Zensur zum Opfer und erscheint erst 90 Jahre später. Das gegen ihn eingeleitete Disziplinarverfahren, der Jurist Hoffmann ist zu dieser Zeit Mitglied des Oberappellationssenates am Berliner Kammergericht, erlebt er nicht mehr. Er stirbt kurz nach Erscheinen der zensierten Fassung seines »Märchens in sieben Abenteuern«.
128 Seiten, 5.80 Euro
Buchempfehlung
Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Michael Holzinger hat sechs eindrucksvolle Erzählungen von wütenden, jungen Männern des 18. Jahrhunderts ausgewählt.
468 Seiten, 19.80 Euro