10.


Edict wider die unkeuschen Sperlinge.

[128] Wie ernstlich unsere Vorfahren auf die in unsern Tagen so verscholtene Tugend der Keuschheit hielten, und wie sehr sie sichs angelegen sein ließen, solche Beispiele aus dem Wege zu räumen, woran züchtige Augen ein Aergerniß nehmen können, beweist folgendes im Jahre 1559 zu Dresden an den dasigen Secretair Thomas Nebeln erlassene Edict:


Von Gottes Gnaden Augustus, Herzog zu Sachsen, Kurfürst. Lieber Getreuer! welcher und aus was Ursachen und christlichem Eifer der würdige unser lieber andächtiger Herr Daniel Greußer, Pfarrherr allhier, in seiner nächst gethanenen Predigt über die Sperlinge, etwas heftig bewegt gewesen, und dieselben wegen ihres unaufhörlichen und verdrießlichen großen Geschreyes und ärgerlichen[128] Unkeuschheit, so sie unter der Predigt zur Verhinderung des Gottesworts und christlichen Andacht zu begehen pflegen, in den Bann gethan, und männiglich preis gegeben. Dessen wirst du, als der damals ohne Zweifel aus heiliger Anregung im Tempel zur Predigt gewesen, guter maassen zu erinnern wissen.


Wie wohl wir uns nun versehen, du werdest auf gedachten Herrn Daniels Vermahnen und Bitten, so er an alle Zuhörer insgemein gethan, ohne daß allbereit auf Wege gedacht haben! sintetemal wir diesen Bericht erlangt, daß du dem kleinen Gevögel durch mancherley visirliche und listige Wege und Griffe nachzustellen, auch deine Nahrung unter andern damit zu suchen, und dasselbe zu fahen pflegest; wie solche Sperlinge aufgefangen, und ihnen ihrem Verdienst nach, vermöge weiland des Herrn Doctor Martini seel. Urtheil, gelohnt werden möge; So haben wir doch zur gnädigen Beförderung der Sache und Abhelfung solcher obliegenden verdrießlichen Beschwerden nicht unterlassen können, doch deswegen durch unser Schreiben gnädigst zu erinnern.


Und ist demnach unser gnädiges und ernstes Begehren, du wollest uns zur förderlichsten dein Bedenken in Schriften eröffnen, wie und welcher gestalt, auch durch was für Behendigkeit und Wege du für gut ansehest, daß die Sperlinge eher dann, wenn sie jungen, und sich durch ihre tägliche[129] und unaufhörliche Unkeuschheit unzählig vermehren, ohne sonderliche Kosten, aus der Kirche zum heiligen Krenz gebracht, und solche ärgerliche Vogeley und hinderliches Geschirrpe und Geschrey im Hause Gottes verkümmert werden moge: zuversichtig, du, als ein christlicher Zuhörer, werdest dich hierinnen deinem beiwohnenden Verstande nach und dir selbst zum Besten unverdrossen und gutwillig erzeigen. Das gereicht zur Beförderung guter Kirchenzucht, und beschiehet daran unsre gefällige und zuverläßige Meinung.


Datum Dresden den 18ten Febr. 1559.

Unserm Secretario und lieben Getreuen

Thomas Nebeln.


Was gebe der Dr. Faust dafür, wenn ein solches Keuschheitsedict auch gegen die unkeuschen Menschen erlassen würde!

Quelle:
[Nebel, Ernst Ludwig Wilhelm:] Medicinisches Vademecum für lustige Aerzte und lustige Kranken [...] Theil 1–4, Frankfurt, Leipzig 1795 (Bd. 1), 1796 (Bd. 2); Berlin, Leipzig 1797 (Bd. 3); Berlin, Leipzig 1798 (Bd. 4), S. 128-130.
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