Sechster Auftritt


[365] Vorige. Madame Storch.


MADAME STORCH in großer Aufregung zur Mitte eintretend. Mir wird übel!

ALLE außer Gigl, der wenig Anteil nimmt. Die Madam!

MADAME STORCH. Mir wird übel!

SCHNOFERL. Was is denn da gut dafür?

MADAME STORCH. Ein Sessel!

SCHNOFERL zu Gigl. Gigl, steh auf!

MADAME STORCH. Ah, is das Ihr Freund? freut mich, die Ehre zu haben.

GIGL. Ich bin so frei.

MADAME STORCH für sich. Recht ein artiger Mann!

SCHNOFERL Madame Storch den Stuhl präsentierend. Is Ihnen vielleicht noch gefällig unwohl zu sein?

MADAME STORCH. Es wird bereits besser.

SCHNOFERL. Was is Ihnen denn passiert?

MADAME STORCH. Eine Keckheit, eine Verwegenheit. Wenn nur mein Bruder da wär', ein Herr is mir nachgegangen.[365]

SCHNOFERL. Und das hat Ihnen aus der Fassung gebracht?

ROSALIE zu Peppi und Sabine. 's g'schieht ihr halt nicht gar oft.

SABINE zu beiden. Da müßten wir alle Tag' ohnmächtig nach Haus kommen.

MADAME STORCH zu Schnoferl und Gigl. Und stellen Sie sich vor, bis ins Haus herein verfolgt er mich.

SCHNOFERL. Ja, die jungen Leut' haben eine Effronterie.

MADAME STORCH. Oh, der war nicht jung.

SCHNOFERL. Aber die Effronterie wird er noch von der Zeit her haben, wie er jung war.

MADAME STORCH affektiert ängstlich. Ich hör' was an der Tür, wenn er etwa gar – oh, meine Herren, schützen Sie mich!

ROSALIE zu Sabine. Die braucht ein'n Schutz!

SABINE. Jetzt wird gleich mir übel werd'n.

SCHNOFERL zu Madame Storch. Sein Sie ruhig, den woll'n wir – Gigl, geh her!

GIGL. Was soll denn g'schehn, niederschlag'n oder hinauswerfen?

SCHNOFERL. Keins von beiden, wir müssen ihm was tun, was ihn geistig demütigt, ohne ihn körperlich zu verletzen.

GIGL. Wie tut man das?

SCHNOFERL. Was im Mittelalter ein Schlag mit der flachen Klinge auf den Rücken war, das is in der neuern Zeit ein Schlag mit der flachen Hand auf den Hut. Stell dich daher.


Gigl und Schnoferl stellen sich zu beiden Seiten dicht an die Tür.


MADAME STORCH. Wie glücklich ist man, wenn man unter Männerschutz –

SCHNOFERL mit gedämpfter Stimme. Still!


Quelle:
Johann Nestroy: Werke. München 1962, S. 365-366.
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