Achter Auftritt

[277] Vorige. Salome.


SALOME schüchtern zur Mitte eintretend. Mit Erlaubnis –

TITUS erschrocken, für sich. Uie, die Salome! Wirft sich nachlässig in einen Stuhl, so, daß er das Gesicht von ihr abwendet.

CONSTANTIA. Wie kommt Sie da herein?

SALOME. Draußt war kein Mensch, so hab' ich 'glaubt, das wird's Vorzimmer sein; jetzt seh' ich aber – Oh, ich bitt', Madam, kommen S' nur a bissel heraus, mir verschlagt's die Red', wenn ich so in der Pracht drinnen steh'.[277]

CONSTANTIA. Keine Umstände, was will Sie? Nur geschwind!

SALOME. Ich such' einen, ich hab' ihn schon bei der Gartnerin g'sucht, dort hab' ich ihn aber nicht g'funden, jetzt bin ich daher.

CONSTANTIA Verdacht schöpfend. Wen sucht Sie?

SALOME. Wissen S', ich such' halt ein'n mit rote Haare.

CONSTANTIA beschwichtigt. Nun, den wird Sie leicht finden, weil er Ihr auf hundert Schritte entgegenleuchtet.

TITUS für sich. O nagelneuer Witz, du hast mich schon oft erfreut.

CONSTANTIA. Hier im Schloß wird Sie sich aber vergebens bemühen, denn ich und die gnädige Frau würden einen solchen nicht dulden, wir haben beide Antipathie gegen rote Haare.

SALOME. Wenn er aber doch kommen sollt', so sag'n S' ihm, es haben ihn Leut' g'sucht, aus der Stadt, die haben so verdächtig um ihn g'fragt –

TITUS sich vergessend, springt erschrocken auf. Und was hat Sie den Leuten g'sagt?

SALOME zusammenfahrend. Was ist das!? – Titus erkennend. Ah! –


Sie wankt und fällt Constantia in die Arme.


CONSTANTIA. Was hat denn die Person? – Zu Titus. So bringen Sie doch einen Stuhl, ich kann sie nicht halten.

TITUS einen Stuhl bringend. Setzen wir s' nieder.

CONSTANTIA läßt Salome in den Stuhl sinken. Sie rührt sich nicht, sie ist ganz bewegungslos. Zu Titus. Das ist höchst sonderbar. Ihr Anblick hat diese Wirkung auf sie hervorgebracht.

TITUS verlegen. Das kann nicht sein, ich bin nicht zum Umfallen wild, und was meine Schönheit anbelangt, so is sie auch wieder nicht so groß, daß man drüber's Gleichgewicht verlieren muß.

CONSTANTIA. Sie sehn aber, daß sie sich gar nicht bewegt.

TITUS sehr verlegen. Ja, das seh' ich.

CONSTANTIA. Jetzt aber scheint mir – ja, sie bewegt sich.

TITUS. Ja, das seh' ich auch; ich werd' frisches Wasser holen.


Will fort.[278]


CONSTANTIA. Nichts da, das wird nicht nötig sein; oder haben Sie vielleicht besondere Ursachen, sich fortzuschleichen?

TITUS. Wüßte nicht, welche; ich kenn' die Person nicht.

CONSTANTIA. Dann brauchen Sie ja ihr Erwachen nicht zu fürchten.

TITUS. Gar nicht; wer sagt denn, daß ich mich fürcht'?

SALOME sich erholend. Ach, – Madam, – mir wird schon wieder leichter. –

CONSTANTIA. Was war Ihr denn eigentlich?

SALOME. Der Herr –

CONSTANTIA. Also kennt Sie ihn?

SALOME. Nein, ich kenn' ihn nicht, gewiß nicht; Aufstehend. aber wie er mich so scharf ang'redt hat –

CONSTANTIA. Darüber ist Sie –?

SALOME. Nicht wahr? 's is a Schand, solche Stadtnerven für a Bauerndirn? Zu Titus, der verblüfft dasteht. Sein S' net bös, und wenn S' vielleicht den sehen mit die roten Haar', so sagen S' ihm, ich hab's gut g'meint, ich hab' ihn nur warnen wollen; ich werd' ihn g'wiß nit verraten an die Leut', die um ihn fragen, und sagen S' ihm, ich werd' auch g'wiß sein'm Glück nicht mehr in'n Weg treten – Die Tränen unterdrückend. Sagen S' ihm das, wann S' den sehen mit die roten Haar. Zu Constantia. Und jetzt bitt' ich nochmal um Verzeihung, daß ich umg'fallen bin, in Zimmern, die nicht meinesgleichen sind, und pfürt Ihnen Gott alle zwei und – Bricht in Tränen aus. – jetzt fang' ich gar zum weinen an, – das g'hört sich schon gar net. – Nix für ungut, ich bin halt schon so a dalket's Ding. Eilt weinend zur Mitteltür ab.


Quelle:
Johann Nestroy: Werke. München 1962, S. 277-279.
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