Dritter Auftritt

[503] Gluthammer, dann Kathi.


GLUTHAMMER allein. Die reichen Leut' haben halt doch ein prächtig's Leben. Sie können trinken, schnabulieren, schlafen, sich unterhalten nach Gusto. – Schade, ich hätt' zum Reichtum viel Anlag g'habt, wenn sich so ein Millionär meiner ang'nommen hätt'; hätt' mich ausbild't, und hätt' mir mit der Zeit 's G'schäft übergeb'n, – aus mir hätt' was werden können.

KATHI tritt zur Mitte links herein. Da werd' ich den gnädigen Herrn finden, haben s' g'sagt. Gluthammer erblickend. Das is ja – is möglich – Meister Gluthammer!?

GLUTHAMMER Kathi betrachtend, und seine Ideen sammelnd. Geduld – ich hab' noch nicht den rechten Schlüssel zum Schloß der Erinnerung.

KATHI. Ich bin's – die Krautkopfische Kathi!

GLUTHAMMER. Richtig – die Kathi! Na, was macht denn mein alter Freund Krautkopf?

KATHI. Was wird er machen? bös is er auf'n Meister Gluthammer, daß er sich seit anderthalb Jahren nicht bei ihm sehn laßt, und da hat er recht! Pichelsdorf is doch nur 4 Stund weit von der Stadt.[503]

GLUTHAMMER. Ich bin ja nicht mehr in der Stadt. Aber wie kommt denn die Jungfer Kathi daher? g'wiß das Pachtgeld vom Freund Krautkopf dem gnädigen Herrn überbringen?

KATHI. Muß denn ich nur Gäng für'n Herrn Vettern machen, kann denn ich nicht meine eigenen Angelegenheiten haben?

GLUTHAMMER. Freilich! ich kenn' der Jungfer Kathi ihre Angelegenheiten nicht.

KATHI. Um eine Zahlung handelt sich's aber doch, das hat der Meister erraten. Der gute gnädige Herr von Lips war mein Taufpate.

GLUTHAMMER. Also Herr Göd!?

KATHI. Meine Mutter hat einmal gedient im Haus, wie noch der alte Lips, der Fabrikant, g'lebt hat, wie dann der junge Herr die vielen Häuser und Landgüter gekauft hat, das Pachtgut vom Vetter Krautkopf war auch dabei, – da haben ich und meine Mutter uns gar nicht mehr in seine Nähe getraut, als noblen Herrn, aber Traurig. vor 3 Jahren, wie's uns gar so schlecht gangen is, die Weißnähterei wird zu schlecht bezahlt –

GLUTHAMMER. Wie überhaupt alle feinen Arbeiten; wann man selbst Marchand de Modes war, kann man das am besten beurteilen.

KATHI. Das wohl, aber ein Schlossermeister wird da nicht viel davon verstehn.

GLUTHAMMER seufzend. Oh, ich war auch Marchand de Modes!

KATHI. Hörn S' auf mit die G'spaß!

GLUTHAMMER. Nein! 's is furchtbarer Ernst – im Verlauf der Begebenheiten wird dir das alles klarwerden.

KATHI. Da bin ich neugierig drauf.

GLUTHAMMER. Erzähl nur erst deine G'schicht aus.

KATHI. Die is schon so viel als aus. Wie's uns so schlecht gangen is, und d' Mutter war krank, da bin ich zu meinen gnädigen Herrn Göden, und hab' 100 fl. z' leihen g'nommen; er hat mir's an der Stell' geben, und hat g'lacht, wie ich vom Z'ruckzahlen g'redt hab'! Meiner Frau Mutter hab'[504] ich aber noch auf'n Tot'nbett versprechen müssen, recht fleißig und sparsam zu sein, und auf die Schuld ja nicht zu vergessen; und das hab' ich halt g'halten. Ich bin nach der Frau Mutter ihr'n Tod zum Vetter Krautkopf kommen, da hab' ich gearbeitet und gearbeitet, und gespart und gespart, und nach dritthalb Jahren waren die 100 fl. erübrigt. Jetzt bin ich da, beim Herrn Göden Schulden zahl'n.

GLUTHAMMER. Schulden zahl'n? an so was denk' ich gar nicht mehr.

KATHI. Wie kann der Meister so reden, als ordentlicher Handwerksmann und Meister?

GLUTHAMMER. Meister? Ich bin ja seit 5 Monaten wieder G'sell, und nur mit Krebsaugen blick' ich auf meine Meisterschaft zurück.

KATHI erstaunt und mitleidsvoll. Is's möglich!

GLUTHAMMER. Im Verlauf der Begebenheiten wird alles klar. Ich hab' mich verliebt – jetzt wird's bald 2 Jahr, in eine Putzerin, in eine reine, schneeblüh-weißgewaschne Seele.

KATHI mit gutmütiger Ironie. Und aufs Waschen scheint der Herr große Stück zu halten.

GLUTHAMMER. Hab' es noch keinen Samstag unterlassen, – daß ich also weiter sag', sie hat mich ang'redt, ich soll ihr d' Marchandmoderei lernen lassen; ich hab' sie also gleich in d' Lehr' geb'n, und in kurzer Zeit hat sie alles im kleinen Finger g'habt, und so war sie Mamsell. Da stirbt die alte Marchandmode, 's Heirat'n is uns von Anfang schon in Kopf g'steckt – so hat sie mir zug'redt, ich soll ihr das G'schäft von der toten Madam kaufen. 4000 fl. hat's kosten sollen; die Hälfte hab' ich gleich bar auszahlt, und so war die Meinige Marchandmod, der Ehrentag war festgesetzt. Da –


Seufzt.


KATHI. Sie wird doch nicht g'storben sein?

GLUTHAMMER. Im Verlauf der Begebenheiten wird das alles klar. Die Hochzeit war bestimmt, 's Brautkleid war fertig, mein blauer Frack g'wendt, – Mit Schluchzen. die Anginene[505] begelt, die Gäst eing'laden – Person a 2 fl. – Beinahe in Tränen ausbrechend. ohne Wein. –

KATHI tröstend. Na, g'scheit! Herr Gluthammer –

GLUTHAMMER. Den Tag vor der Hochzeit geh' ich zu ihr, sie war aber nicht z' Haus.

KATHI. War sie eine Freundin vom Spazierngehn?

GLUTHAMMER. Im Verlauf der Begebenheiten wird das alles klar. Sie is von der Stund an nicht mehr nach Haus kommen. Ich hab' s' g'sucht, ich hab' s' g'meldt, ich hab' s' woll'n austrommeln lassen, aber 's darf nur a Feuerwerk austrommelt wer'n in der Stadt, – mit ein Wort, es war alles umsonst, ich war Strohwittiber, bin Strohwittiber geblieben, und das Stroh bring' ich auf der Welt nicht mehr aus'n Kopf.

KATHI. Mein Gott, man muß sich gar viel aus den Kopf schlagen.

GLUTHAMMER. Oh! so was bleibt! Und dann die Folgen: 's G'schäft war einmal kauft, 2000 fl. war ich drauf schuldig; denk' ich mir, zu was brauch' ich zwei G'werber, es is das G'scheideste, ich verkauf' eins. Da hab' ich mein Schlosserg'werb verkauft, und bin Marchandmode blieben.

KATHI. Das war aber auch ein Gedanken –

GLUTHAMMER. Wär' kein schlechter Gedanken g'wesen, aber man war ung'recht gegen mich. Die Kundschaften hab'n g'sagt, ich hätt' keinen Geschmack, weil ich alles in schwarz und hochrot hab' arbeiten lassen. Nach 4 Monaten war ich nix, als eine zugrund gegangene Marchandmode, und um meinen Gläubigern aus'n G'sicht zu kommen, hab' ich müssen aufs Land als Schlosserg'sell gehn. O meine Mathilde!

KATHI. Die Person war eine Undankbare, is gar nicht wert, daß sich der Herr Gluthammer kränkt um sie.

GLUTHAMMER. Was!? sie liebt mich! sie is offenbar mit G'walt fortg'schleppt worden, wird wo als Gefangene festg'halten, und hat keinen andern Gedanken, als nur in meine Arme zurückzukehren.[506]

KATHI. Da g'hört sich ein starker Glauben dazu.

GLUTHAMMER. O Gott! wenn ich alles so g'wiß wüßt'! wenn ich den Räuber so g'wiß ausfindig z' machen wüßt' – Jungfer Kathi – Nimmt sie bei der Hand. dem ging's schlecht. – Ihre Hand heftig schüttelnd. Der wurd' auf schlosserisch in d' Arbeit g'nommen.

KATHI. Na, na! denk' der Herr nur, daß ich kein Räuber bin.

GLUTHAMMER. Nehmen Sie's nicht übel, aber wenn ein Schlosser in die Rage kommt –


Quelle:
Johann Nestroy: Werke. München 1962, S. 503-507.
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