|
[537] Krautkopf, dann Gluthammer.
KRAUTKOPF allein. So ein Knecht is mir noch nicht vorgekommen. Das muß mir auch noch geschehn, wo ich ohnedem – au weh, mein Kopf.
GLUTHAMMER steckt aus dem Getreideschober nur den Kopf heraus. Krautkopf!
KRAUTKOPF sich umsehend und Gluthammers Gesicht erblickend. Was is das für ein Kopf!? –
GLUTHAMMER sich aus den Getreidegarben herauswühlend. Der meinige!
KRAUTKOPF staunend. Gluthammer!
GLUTHAMMER. Ein Kopf, den 's Gericht gleich beim Kopf nehmen wird. Brüderl, versteck mich!
Sinkt an Krautkopfs Brust.
KRAUTKOPF. Ich hab' glaubt, du bist ersoffen?
GLUTHAMMER. Nicht ich, der Herr von Lips.
KRAUTKOPF. Ich hab' glaubt, alle zwei.
GLUTHAMMER. 's Gericht weiß das besser, man forscht mir nach – in jedem Dorf hab' ich einen Wachter g'sehn. Aufschreiend. Ha, sie kommen – Rettung –
KRAUTKOPF erschrocken. Wer? – wo? es is ja nix!
GLUTHAMMER sich erholend. Nein, es is nix – mir war nur so –
KRAUTKOPF. Ich bin erschrocken, daß ich keinen Tropfen Blut gäbet.
GLUTHAMMER. So erschreck' ich schon seit 8 Tag. Wie ich herausg'schwommen bin, bin ich ins Gebüsch gekrochen, die Lipsische Dienerschaft is an mir vorbei, mit den Worten: »Er is tot, er is tot!« – Seitdem is das ganze Land mit Wachtern übersät – man forscht – man spürt – ich glaub' sogar, das Unglaubliche is g'schehn.
KRAUTKOPF. Was denn?
GLUTHAMMER. Man hat einen Preis auf meinen Kopf gesetzt.
KRAUTKOPF. Ah 's Gericht wirft 's Geld net so hinaus. Aus welchen Grund sollten sie denn glauben, daß du mit Vorsatz –[537]
GLUTHAMMER. Ich bin Schlosser, ich muß verstehn was ein unangenageltes Geländer is – Aufschreiend. Ha – da sind sie! – Stricke, Ketten! zurück! zurück! Umfaßt Krautkopf krampfhaft.
KRAUTKOPF erschrocken. Wer? – wo?
GLUTHAMMER sich erholend. Es is nix – mir war nur so –
KRAUTKOPF. Hörst, wenn du mich nochmal so erschreckst –
GLUTHAMMER. Brüderl, du hast keinen Begriff, was das is, wenn man nix als Wachter im Kopf hat.
KRAUTKOPF. Wo hast dich denn aufgehalten, was hast denn g'macht in die 8 Tag?
GLUTHAMMER seufzend. Ich hab' ein sehr freies Leben geführt, aber ganz ohne Wonne, der Wald war mein Nachtquartier, der Mond war meine Sonne – Heftig zusammenfahrend. Ha!! –
KRAUTKOPF ebenfalls zusammenfahrend. Was?
GLUTHAMMER aufatmend. Nix. Gestern abend bin ich in diese Gegend kommen, du warest nicht zu Haus; so hab' ich mich da in deinem Stadl ins Getreid verkrochen, bin eingeschlafen, mir hat von nix als Gericht getraumt, man hat mich verhört, – man hat die Bank bringen lassen – da hat mich 's Dreschen aufgeweckt.
KRAUTKOPF. Und was soll denn jetzt geschehn?
GLUTHAMMER. Brüderl, versteck mich!
KRAUTKOPF ängstlich. Wenn aber –
GLUTHAMMER. Und wenn's dein Tod wär', du bist mein Freund, du mußt mich verstecken.
KRAUTKOPF. Wenn ich nur wüßt', wo – ich muß erst derweil – übermorgen wird gebacken – ich versteck' dich in die Backstub'n; komm!
GLUTHAMMER. Gut, schieb mich in Backofen hinein! wenn s' ihn auch heizen, ich rühr' mich nit – Heftig aufschreiend. Ah! – Ha, dort, Schergen – Hochgericht – Rad – Klammert sich in großer Angst an Krautkopf.
KRAUTKOPF sich von ihm losmachend. Du bist ja närrisch. Wie kommt denn auf mein Traidboden a Hochgericht.
GLUTHAMMER vergeblich bemüht, sich zu sammeln. Die Knie schnappen z'samm', Matt. ich schnapp' auf!
Sinkt.[538]
KRAUTKOPF ihn im Zusammensinken auffangend. So wart nur, bis wir in der Backstuben sind.
GLUTHAMMER sehr matt. Schlepp mich, Brüderl, – du bist mein Freund – du mußt mich schleppen.
KRAUTKOPF indem er mühsam Gluthammer in die Seitentüre rechts hineinzieht. Das is a gute Kommission – ich weiß mich nicht aus – au weh! mein Kopf.
Beide Seite rechts ab; es wird nicht abgeräumt, Tisch und Stühle bleiben in der Verwandlung stehen, die Seitentüren bleiben ebenfalls stehen. Verwandlung fällt vor. Die Bühne stellt eine Stube in Krautkopfs Pachthof vor. Mitteltür, Seitentüren, Tisch und Stühle von früher. Rechts changiert ein Kasten heraus, links im Hintergrunde ein Bett, welches mit Vorhängen ganz geschlossen ist, im Kasten ist eine große Flasche Wein, ein kälberner Schlegel, eine Laterne, Feuerzeug und Brot.
Ausgewählte Ausgaben von
Der Zerrissene
|
Buchempfehlung
Der in einen Esel verwandelte Lucius erzählt von seinen Irrfahrten, die ihn in absonderliche erotische Abenteuer mit einfachen Zofen und vornehmen Mädchen stürzen. Er trifft auf grobe Sadisten und homoerotische Priester, auf Transvestiten und Flagellanten. Verfällt einer adeligen Sodomitin und landet schließlich aus Scham über die öffentliche Kopulation allein am Strand von Korinth wo ihm die Göttin Isis erscheint und seine Rückverwandlung betreibt. Der vielschichtige Roman parodiert die Homer'sche Odyssee in burlesk-komischer Art und Weise.
196 Seiten, 9.80 Euro
Buchempfehlung
Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Nach den erfolgreichen beiden ersten Bänden hat Michael Holzinger sieben weitere Meistererzählungen der Romantik zu einen dritten Band zusammengefasst.
456 Seiten, 16.80 Euro