Fünfter Auftritt

[443] Madame Knorr, Philippine. Die Vorigen.


PHILIPPINE mit Madame Knorr aus der Seitentüre rechts kommend. Da sind die Herrn! – Geht zur Mitte ab.


Weinberl und Christoph machen Madame Knorr stumme Komplimente.


CHRISTOPH zu Weinberl leise. Wenn Sie nit zum Reden anfangen, ich fang' nit an. –

WEINBERL. Nur Geduld! –

MADAME KNORR. Was steht zu Diensten, meine Herren?

WEINBERL. Hab' ich die Ehre, Madame Knorr –?

MADAME KNORR. O ich bitte, die Ehr' ist meinerseits! –

CHRISTOPH beiseite. Der Anfang ist sehr ehrenvoll.

MADAME KNORR. Wünschen die Herren vielleicht draußen Nach der Mitteltüre zeigend. in meinem Warenlager eine kleine Auswahl zu treffen? –

CHRISTOPH leise zu Weinberl. Sie, das tut's nit, 's könnt uns 's Geld z'wenig wer'n.

WEINBERL. Wir kommen eigentlich weniger um zu kaufen –[443]

CHRISTOPH. Noch eigentlicher um gar nichts zu kaufen.

WEINBERL. Sondern vielmehr gekaufte Sachen zu bezahlen.

MADAME KNORR sehr freundlich. Oh, ich bitte! –

CHRISTOPH. Das heißt eigentlich nicht zu bezahlen –

WEINBERL. Sondern eigentlich nur um uns über eine Rechnung zu informier'n, wieviel sie betragt, und diese Tage dann zu bezahlen.

MADAME KNORR. Wie es gefällig ist, aber was für eine Rechnung meinen Sie denn eigentlich?

WEINBERL. Die Rechnung von – Beiseite zu Christoph. Sie wird doch eine Kundschaft haben, die Schmidt heißt. Laut. Die Rechnung nämlich von der Frau von Schmidt. –

MADAME KNORR. Das muß ein Irrtum sein, ich habe keine Kundschaft, die Frau von Schmidt heißt. –

WEINBERL für sich. Jetzt is recht. Laut. Ich habe mich nur versprochen, Frau von Müller hab' ich sagen wollen. – Beiseite. – Da wird s' doch eine haben. –

MADAME KNORR. Verzeihn Sie, ich hab' auch keine Frau von Müller zu bedienen.

WEINBERL beiseite. Da soll doch der Teufel – Laut. Ich bin aber heut so zerstreut, Frau von Fischer heißt diejenige –

MADAME KNORR. Ah, Frau von Fischer, ja das ist was anders, ja, die Frau von Fischer meinen Sie? –

WEINBERL leise zu Christoph. Sehn S', jetzt hab' ich's halt doch troffen.

CHRISTOPH leise zu Weinberl. Es is aber unbegreiflich, wie man nicht gleich Frau von Fischer sagen kann, das gibt doch die Vernunft.

MADAME KNORR. Aber wie kommt das? Frau von Fischer ist mehr meine Freundin als bloß Kundschaft –

WEINBERL. Bitte, wenn die Freundin was kauft, ist sie Kundschaft und muß zahlen; wenn das nicht wär', so hätten die Kaufleut' lauter Freund' und gar keine Kundschaften. –

MADAME KNORR. Aber es pressiert ja nicht, Frau von Fischer verrechnet sich alle Jahr mit mir, – und jetzt muß ich mir schon die Freiheit nehmen, zu fragen, wer Dieselben sind[444] und wie Sie dazu kommen, für die Frau von Fischer bezahlen zu wollen? –

WEINBERL. Sie ist also Ihre Freundin? –

MADAME KNORR. Das glaub' ich, noch wie ihr seliger Mann gelebt hat, und gar jetzt, die drei Jahr, als sie Witwe ist. –

WEINBERL leise zu Christoph. Jetzt geben Sie acht, was ich der Sach für eine Wendung geb' – Laut. Drei Jahr war sie Witwe, ganz recht, aber seit drei Tag ist sie's nicht mehr.

MADAME KNORR erstaunt. Wieso?

WEINBERL. Ich bin ihr Gemahl! –

MADAME KNORR aufs äußerste überrascht. Was!? –

CHRISTOPH für sich. Ah, das is ein kecker Ding! –

MADAME KNORR. Wär's möglich! Meine Freundin Fischer hat vor 3 Tagen geheirat!? –

WEINBERL. Ich bin der Glückliche von drei Täg – Leise zu Christoph triumphierend. Sehn Sie, das heißt halt Geist. –

MADAME KNORR hat etwas von diesen Worten gehört. Wer heißt Geist? –

WEINBERL. Geist? – Ich heiße Geist. Für sich. 's is all's eins, ich kann heißen wie ich will.

MADAME KNORR. Ich bin so überrascht, Herr von Geist –

CHRISTOPH für sich. Man sähet ihm's nicht an. –

MADAME KNORR. Und dieser junge Herr?


Auf Christoph zeigend.


WEINBERL. Ein meiniger Verwandter. –

MADAME KNORR. Aber warum hat man so eine wichtige Sach' vor einer intimen Freundin verheimlicht? –

WEINBERL. Sie sollen alles erfahren. Aber wollen Sie jetzt nur wegen der Rechnung nachschau'n.


Madame Knorr will zur Seitentüre rechts ab, zögert jedoch.


WEINBERL leise zu Christoph. Derweil fahrn wir ab! –

CHRISTOPH leise zu Weinberl. Recht, der Alten begegnen wir jetzt nicht mehr.

MADAME KNORR. Nein, ich kann mich noch gar nicht erholen von dem Erstaunen und der Überraschung.[445]


Quelle:
Johann Nestroy: Werke. München 1962, S. 443-446.
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