Der Vorreder

[59] Ovidius.


Ihr sterblichs Volck, der ich nit sterblich bin,

Komm jetzt zu euch von den Elyser-Feldern,

Wo unsre Geister ziehen hin

Und letzen sich in grünen Wäldern;

Durch deß bleichen Charons Meer

Komm' ich, o ihr Menschen, her.


Ich bin der Mann, der ich so rühmlich sang

In meine Harpff' und die beruff'nen Seiten.

Wie Amors Macht und harter Zwang

Den Himmlischen vor alten Zeiten

Hat verwandelt die Gestalt

In Geflügel, Wildt und Waldt.


Ich habe mich die schwere Liebes-Kunst,

O dich, mein Rom, zu lehren unternommen;

Hab' auch gezeigt, wie solcher Brunst

Ein Hertze wider ab soll kommen.

Daß man recht liebt, kömpt durch mich,

Daß man nicht liebt, thu' auch ich.
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Schau' aber zu, was für ein heller Schein

Umgibt mich doch, und wessen werd' ich innen?

Was Majestät muß dieses seyn,

Die mir bescheint Gesicht' und Sinnen?

Was doch blincket für ein Liecht?

Ist es mein Augustus nicht?


Ich kenne dich, du Blume dieser Zeit,

Du Zier und Spiegel aller Jugendt.

Der Rautenkrantz, die Freundlichkeit

Verrhätet dich, o Glantz der Tugendt;

Alle Menschen loben dich,

Und die Elbe neiget sich.


Du edle Braut, wol deiner Lieb' und dir;

Ich aber will jetzt wie vorweilen singen,

In was für Noth ein Cavallier

Und eine Dame sich kan bringen,

Die nicht nach der Liebe fragt,

Und nur thut, was ihr behagt.


Ihr werdet sehn für schwerer Liebes-Pein

Denselben Gott mit nassen Säufftzen klagen,

Der uns den schönen Tage-Schein

Herumb führt auff dem güldnen Wagen,

Der uns Allen gibt das Liecht,

Sieht für Liebe selber nicht.


Quelle:
Martin Opitz: Weltliche und geistliche Dichtung, Berlin und Stuttgart [1889], S. 59-60.
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