11. Auff I. Fürstl. Gnaden, Frauen Annen Magdalenen, Hertzogin zu Münsterberg in Schlesien, zu Oelß, Leichbegängniß

[38] Wie wol doch wiederfähret

Dem, dem zu solcher Zeit

Sein Stündlein ist bescheret,

Wann er der Völcker Streit,

Den Lauff der Welt betrachtet,

Und härtet seinen Sinn,

Daß er den Tod nicht achtet,

Läufft ihm entgegen hin.


Der zu dem Städte-Brande

Ein Christenhertze bringt

Und nach dem Vatterlande,

Da kein Feind einkömpt, ringt;

Der deß Gebetes Stücke

Pflantzt für die Himmelsstatt

Und weichet nicht zurücke

Biß er das Jawort hat.


Er ist schon hier im Hertzen

Der Lust und Freuden voll,

Darzu kein Leyd noch Schmertzen

Sich jemals dringen soll;

Und wann es so weit kommen,

Daß nun die Uhr ist auß,

So wird er auffgenommen

In seines Gottes Hauß.


Da weydet sein Gemüte

Sich mit der Göttligkeit,

An derer Huld und Güte

Es schon hieng für der Zeit;

Da sieht er, wie die Kronen

Und Scepter mißlich sind,

Wie dieses, wo wir wohnen,

Nichts sey als Rauch und Wind


Du auch, du Liecht der Frauen,

O Heldinn, Bild der Zucht,

Wann du hast müssen schauen

Der Freyheit schnöde Flucht,

Die Zeit, in der wir leben,

Der Dinge blinden Schein,

So hast du dich ergeben

Deß Lebens satt zu seyn.


Du auch bist hin versetzet

In ein solche Schar,

Die sich mit dem ergetzet,

Der bleibt und ist und war,

Der dir hat angeleget

Den Rock der Ewigkeit

Der keine Hitze träget

Und den kein Frost beschneyt,
[38]

Du darffst nun nicht mehr fragen

Was umb den schönen Rhein

Sich etwann zugetragen,

Der jetzt muß dienstbar seyn,

Ob deinem Vatterlande

Was Neues ist bestimpt,

Ob an der Mosel Strande

Ein frembdes Feuer glimmt.


Du darffst nicht weiter sehen,

Wie auff diß arme Land

So wilde Stürme wehen

Und dräuen Mord und Brand,

Wie so viel werthe Fürsten

Im Streiten untergehn,

Wie wir nach Blute dürsten

Nach Feind' und Freunde stehn.


Wo durch deß Himmels Schwellen

Ein Kummer jemals dringt,

So jammert dich der Wellen,

Der Flut, die uns umbringt,

Deß Reiches, das verdirbet

Durch Mißtreu, Haß und Wahn,

Der Welt, die allzeit stirbet

Und nie ersterben kan.


Daß du bist weggenommen

In jene grosse Statt,

Ist von der Unschuld kommen,

Die dich begleitet hat,

Von Frömmigkeit, von Gaben

Der Demut und Gedult,

Die dir verliehen haben

Der Leut' und Götter Huld.


Du unerschöpfftes Wesen,

Du Anfang sonder Zeit,

Du hast dir außerlesen

Der Fürstin Frömmigkeit,

Sie in der Jugend Jahren

Geführet zu dir ein,

Das Leyd nicht zu erfahren,

Das wir verdient allein.


O Vatter, laß doch schwinden

Der Waffen Ungemach;

Du zürnest mit den Sünden

Und gibst doch gütig nach;

Nim an der Frommen Flehen,

Setz' außer der Gefahr

Und laß in Frieden sehen

Statt, Feld, Herd und Altar.


Gieb, daß der Trost deß Landes,

Der Held, den du gesetzt

In Leyd deß Witwerstandes,

Doch werde sonst ergetzt,

Laß gnädig umb ihn schweben

Der Wolfarth süsse Ruh

Und setze seinem Leben

Der Fürstinn Jahre zu.

Quelle:
Martin Opitz: Weltliche und geistliche Dichtung, Berlin und Stuttgart [1889], S. 38-39.
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