V. Selbsthilfe

Nur was man durch eigene Kraft erringt hat einen Werth. Kindererziehung. Selbstzweck der Mädchen. Pflicht sich selbst zu erhalten. Weibliche Bestrebungen für das Frauen-Recht im Dienst der Subjectivität, der Politik, des Sozialismus. Die Gründung des Allgemeinen deutschen Frauenvereins. Das Recht der freien Selbstbestimmung.

[67] Wer sich nicht selbst helfen will, dem ist auch nicht zu helfen, ja er verdient nicht einmal, daß ihm geholfen werde! –

Nur was man durch eigene Kraft erringt, hat einen Werth. –

Die Geschichte aller Zeiten und die unsrige ganz besonders lehrt es, daß Diejenigen auch vergessen wurden, welche an sich selbst zu denken vergaßen! welche nicht entschieden eintraten für ihre Rechte, welche unthätig stehen blieben, indeß die Andern um sie her rüstig arbeitend im Dienst des Fortschrittes weiter und weiter schritten.

Unzählige Male ist es schon gesagt worden, daß die Lage der Arbeiter nur verbessert werden kann durch den Willen der Arbeiter selbst, durch ihre eigene Kraft, daß alle unterdrückten Völker nur frei werden können, wenn sie in ihrer Bildung und Entwicklung so weit vorgeschritten sind, daß sie wirklich frei werden wollen – und ganz Dasselbe muß man auch in Bezug auf die Frauen wiederholen.

Jene sittliche Charakterstärke, mit welcher Lessing sagen konnte: »Kein Mensch muß müssen!« ist nicht nur von den Männern, sie ist auch von den Frauen zu fordern, wenn es in Wahrheit besser werden soll, und wenn er sogar betete: »Ich will! gieb mir, o Gott, zu wollen, daß ich will!« so darf jede Frau durchdrungen von solcher Frömmigkeit zum Himmel aufblickend das Wort wiederholen. – »Hilf dir selbst und der Himmel wird dir helfen!« ist ein gutes altes Sprichwort, das sich noch immer bewährt hat und das[67] wir sehr gut zum Motto unsres ganzen Strebens wie auch dieses Werkchens wählen könnten.

Nur die eigne Kraft vermag den Menschen zu adeln, zu erheben, die eigne Kraft, deren Entfaltung und Stärkung Gottes Wille ist, welcher jedes Wesen dazu schuf, daß es alle Fähigkeiten entfalte, die in ihm schlummern, daß es nach freier Entwicklung und sittlicher Vollendung strebe. Wer sich, ohne seine eigne Kraft anzustrengen, in Trägheit und Stumpfheit verharrend, auf Anderer und sei es selbst auf Gottes Hilfe verlassen will, der ist verlassen, denn er macht sich derselben unwürdig, er versündigt sich an seinen Mitmenschen, die sich seiner annehmen, ohne daß er es verdient und versündigt sich noch mehr an Gott selbst, der ihm in seiner Schöpferweisheit Kräfte gab, die er gebrauchen und entwickeln, aber nicht niederhalten und zerstören sollte. Auch für uns giebt es keinen schöneren Trost in jedem Leid, kein beseligenderes Gefühl in jedem Glück, keinen größeren Sporn für unser Streben: – als ein unerschütterliches Gottvertrauen, ja, auch wir sind trotz alles Stolzes auf unsre eigne Kraft demüthig genug um fromm zu bekennen, daß es mit ihr allein auch noch nichts gethan ist, sondern daß eine höhere Macht beides geben muß: das Wollen und das Vollbringen – aber wir würden uns scheuen aufzublicken zu dieser höhern Macht, wenn wir das Bewußtsein in uns trügen nicht zuvor und zugleich Alles gethan zu haben was in unsern Kräften war, um ein uns vorschwebendes Ziel zu erreichen.

Und dieses einfachste Recht der Menschenwürde kann Niemand den Frauen vorenthalten und wo es versucht werden sollte, da müssen sie mit dem ganzen Bewußtsein ihrer sittlichen Würde sich so lange widersetzen, bis denn endlich doch der Sieg der Humanität zu einem allgemeinen wird.

Sobald jedes Mädchen von dem Bewußtsein durchdrungen ist, daß es selbst mit einstehen muß für sein Geschick, sobald wird es auch aufmerksamer über sich selbst wachen in jeder Beziehung und nicht mehr Andere für sich denken, handeln und entscheiden lassen – und nur das allein ist eines sittlichen Wesens würdig. –

Wenn in irgend einem verworrenen Zustand eine Entwirrung eintreten soll, so weiß man gewöhnlich nicht, von welcher Seite die[68] Sache zuerst anzufangen sei, oder vielmehr es kommen dabei sehr widersprechende Ansichten zu Tage. So ist es namentlich mit der durch die Schuld der Jahrhunderte sehr verwickelt gewordenen Frage von der Stellung der Frauen, von ihren Pflichten und Rechten der Fall.

Die Einen meinen sehr naturgemäß, man müsse mit der Erziehung der Kinder beginnen. –

Die Andern: man müsse an sich selbst beginnen. –

Noch Andere: nur durch die Mütter könnten bessere Zeiten kommen – und noch unzählige Mal mehr variirt sich die Ansicht: ob man hierbei überhaupt zunächst die Lage der Frauen bei den arbeitenden Classen, dem Proletariat oder in den sogenannten höhern Ständen in's Auge zu fassen und auf welchen Punkt man zuerst seine Aufmerksamkeit zu richten habe.

Nun, ich meine, da die Frage eben eine so brennende, ihre Lösung eine so dringende ist, da sie so Viele, ja Alle angeht und wenn auch noch nicht Alle von diesem Bewußtsein durchdrungen sind, so sind es doch Viele – und da eben diese Vielen mit helfen wollen sich und Andern: so möge man nur überall zugleich getrost angreifen: ein jedes in seinem Kreise und nach seinem besten Wissen und Gewissen, man wird auf diese Weise am sichersten zum Ziele kommen.

Freilich ist es naturgemäß mit den Kindern zu beginnen – aber nicht allein dem kommenden Geschlecht, es soll auch schon dem jetzt lebenden geholfen werden. Man muß nicht ganze Generationen aufgeben, die auf den rechten Weg zu leiten noch nicht zu spät ist und die auf ihm schon den Segen stiften können, der sonst erst in jungen Saaten langsam sprießt und zu Früchten reift.

Müssen wir nicht auch erst fragen: wer soll die Kinder erziehen? ohne Zweifel: die Mütter. Und wenn nun eben die Mütter selbst noch nicht erzogen, oder wenn sie noch nicht gebildet, oder was noch schlimmer ist: wenn sie verbildet sind? was hilft dann unsere Antwort und wie ist ein hoffnungsreicher Anfang zu machen? Eine Mutter, welche selbst unselbstständig und engherzig ist, selbst in verrosteten Vorurtheilen feststeckt, kann auch ihre Kinder nicht vor demselben[69] Fehler bewahren, sie wird im Gegentheil ihn in ihnen hegen und ausbilden.

Wir können und wollen hier keinen pädagogischen Lehrplan geben – aber wir müssen immer und immer wieder darauf aufmerksam machen, daß die größte Verantwortung für das körperliche wie geistige Gedeihen ihrer Kinder auf den Müttern liegt, wie die Töchter namentlich ihrem Einfluß ganz allein überlassen sind und wie Beispiel und Lehren der Mutter – wenn anders nicht schon das Familienleben ein ganz ungesundes und verfallenes ist, ihrem Leben die Hauptrichtung geben.

Die ersten Seelenregungen des Kindes, das Erwachen desselben zum Bewußtsein seines Ich – sie werden stets zuerst von der Mutter erkannt und beobachtet werden – und wehe dann ihr und ihm, wenn sie es auch in dieser Beziehung nicht mit der größten Sorgfalt zu hüten versteht vor jeder Berührung mit Gegenständen und Eindrücken, die dem weichen, sich erst bildenden Stoff zum dauernden Schaden gereichen könnten. Und trotz dem, daß wohl jede Mutter ihr Kind mit inniger Liebe pflegt und sich ihm widmet, trotz dem daß sie es körperlich vor jedem Unheil zu behüten sucht – trotz dem überläßt sie es oft auf der andern Seite mit unbegreiflichem Leichtsinn Händen, die sie selbst als nicht zuverlässig kennt, von denen sie nur höchstens erwartet, daß sie es vor einem leiblichen Unfall bewahren. Den Kindermädchen sollte man ein eignes Kapitel widmen.

Gerade das Geschlecht, von dem man behauptet, daß es so viel geringere Fähigkeiten besitze als das andere, gerade das läßt man fast ohne jede Vorbereitung oft an die Erfüllung der schwierigsten Lebensaufgaben gehen! – »Vermiethe dich!« heißt es in den ärmeren Familien zu dem Mädchen, das kaum die Schule verlassen und außer dem genossenen nothdürftigen Unterricht nicht das Geringste gelernt hat – und so stößt man das unwissende Geschöpf in die Welt und heißt ihm – »Kindermädchen« werden. Dazu also findet man auch das unwissendste Kind geeignet: zu wachen über ein sich eben erst entfaltendes, unsterbliches Wesen! Sind nicht die zarten Seelen der Kinder in den Händen eines einfältigen und oft verdorbenen Kindermädchens oft noch mehr gefährdet als ihr körperliches Wohl,[70] und ist es zu begreifen, wie es noch so leichtsinnige Mütter geben kann, die ihre Lieblinge solchen Händen überlassen? – Aber es geschieht, weil es einmal so üblich ist. Man tröstet sich damit, das Kindermädchen sei ja nur da die Kinder anzuziehen, zu warten, in und außer dem Hause, sie in die freie Luft zu begleiten u.s.w., die Mutter könne ja das Alles anordnen und überwachen – sie kann es aber nicht! Sie hält eben ein Kindermädchen, weil es ihre Zeit nicht erlaubt und wohl auch ihre Kräfte es nicht aushielten, die Kinder selbst in's Freie zu tragen, führen oder fahren – aber in diesen oft stundenlangen Abwesenheiten sind die Kinder doch den Mädchen ganz allein überlassen und können hier die schädlichsten Eindrücke in sich aufnehmen, zum Lügen und allen möglichen Fehlern verleitet werden! – Abschaffung der ganzen Sitte solche unwissende und untergeordnete Kindermädchen zu halten, dafür Mädchen zum Dienst bei Kindern wirklich auszubilden, ihnen dann aber auch eine andere Stellung im Hause und zur Familie, die ihr ihre heiligsten Güter anvertraut, einzuräumen und sie nicht als die untergeordnetste Person im ganzen Hause zu betrachten, ist eine unabweisliche Pflicht. Eine Vorbildung hierzu könnten junge Mädchen in Kinderbewahranstalten, Kindergärten und Krippen empfangen, Anstalten, deren Nothwendigkeit sich auch immer mehr herausstellt und die aller Orten meist durch die Thätigkeit der Frauen gegründet worden sind und unter ihrer speciellen Leitung und Obhut stehen. Und damit ist wieder ein großer Wirkungskreis den Frauen geöffnet, nur ist auch hier zu wünschen, daß sie nur selbst und nach eignem Ermessen helfen und wohlthun, daß sie sich nicht dabei von andern, männlichen, namentlich geistlichen Einflüssen einer gewissen Richtung bestimmen und beherrschen lassen, welche so oft geeignet sind Einrichtungen, die bestimmt sind humanen Principien zu dienen und sie in's Leben verwirklicht einzuführen, eine ganz entgegengesetzte Tendenz zu geben.

Im Beruf der Kindergärtnerinnen und in der Pflege des Kindergartens ruht ein wichtiges Moment zur Selbsthilfe der Frauen und es sollte mehr benutzt werden als es bisher geschehen, da es ja der geniale Gedanke Friedrich Fröbels war: hier die zarten Kinder spielend zu entfalten, den ersten Grund zu künftiger Selbstständigkeit, zu[71] sittlichen Grundsätzen zu legen, die naturgemäße Entwicklung aller Fähigkeiten des Kindes, des ganzen Menschen anzubahnen. Nicht allein Mädchen, die sich dann als Kindermädchen vermiethen wollen, nicht allein solche, die sich dem Beruf des Kindergartens ganz zu widmen gedenken, entweder als Gehilfinnen oder als Dirigentinnen und Eigenthümerinnen eines Kindergartens, sondern auch andere Mädchen, die dies nicht speciell zu ihrem Beruf wählen, könnten hier lernen und wirken. In Hamburg, wo wie in Leipzig Kindergärten bestehen, welche zugleich Vorbildungsschulen für Kindermädchen und Kindergärtnerinnen sind, ist der Vorschlag gemacht worden, daß alle jungen Damen hier nach vollendeter Schulzeit einen Cursus durchmachen und so zugleich nicht nur die beste Vorbereitung zu der Erziehung eigner Kinder, sondern auch für ihre oft nutzlos verbrachten Mädchenjahre einen Lebenszweck finden möchten. Wir unsrerseits finden diesen Vorschlag für künftige Gouvernanten und Mütter sehr zweckmäßig – aber da einmal nicht alle Mädchen beides werden, so empfehlen wir ihn doch nur da, wo er keinem andern Lebensberuf hemmend in den Weg tritt. Viel eher möchten Bräute und junge Frauen einen solchen Cursus durchmachen, als Mädchen, die vielleicht den natürlichen Beruf verfehlen und von denen wir eben verlangen, daß sie sich auf einen solchen vorbereiten, der ihnen zu einer selbstständigen Existenz verhilft. Gewiß giebt es keine Mutter, die ihr Kind nicht liebt, wenn sie nicht anders ein ganz unwürdiges Geschöpf ist – aber gewiß giebt es viele Mädchen, die andere Fähigkeiten und ein anderes Streben in sich tragen als sich mit Kindern zu beschäftigen, und warum will man da mit Gewalt sie zu etwas zwingen, was nicht in ihnen liegt? Wir wollen nicht, daß die Frauen einzig und allein zu Hausfrauen erzogen werden, weil sie dann unglücklich und unfähig für Alles sind, wenn sie es nicht werden, und ganz dasselbe gilt von der Erziehung zur Mutter schon im frühesten Lebensalter. Beides kann von jedem befähigten weiblichen Wesen, dessen Anlagen allseitig ausgebildet sind und das so zu sagen Kopf und Herz auf der rechten Stelle hat, nachgeholt werden, sobald es gebraucht wird, während die Vorbereitungen zu einem andern Beruf, dem man seine Existenz verdanken will, nicht, wie wir schon gezeigt haben, erst da vorzunehmen[72] sind, wo die Nothwendigkeit sich selbst zu erhalten wie ein plötzlicher Schrecken die darauf nicht Vorbereiteten überfällt.

Konnte man vor zwanzig Jahren noch klagen, daß aller weibliche Unterricht mit der Confirmation aufhöre und daß in einem Alter, wo die Mädchen erst zu denken anfingen, sie der Schule entrissen wurden: so sind jetzt fast überall Fortbildungsschulen wenigstens »für die Töchter höherer Stände,« d.h. selbstverständlich solcher, die es bezahlen können, errichtet worden und in zahlreichen Mädchenpensionaten wird nicht mehr, wie es früher der Fall war, nur jener auf äußere Politur berechnete Unterricht ertheilt, der meist nur in fremden Sprachen gipfelte, sondern es sind alle möglichen Gegenstände mit in sein Gebiet gezogen worden. Nun werden zuweilen wieder – und zwar nicht nur von den Anhängern der guten alten Zeit, in der es nicht nöthig oder wohl ein Wunder war, daß ein Mädchen richtig schreiben konnte, sondern auch von fortschrittfreundlicher Seite dagegen Einwendungen erhoben und es heißt, daß die Mädchen überbildet würden, daß man Gelehrte aus ihnen machen wollte und daß sie doch von dem gewonnenen Unterricht nur sehr wenig profitirten. Ohne einzeln an jenen Instituten mäkeln zu wollen und ohne, weil es viele sehr oberflächliche, nur auf Gewinn berechnete unter ihnen giebt, gegen alle eifern zu wollen, sagen wir, daß es doch eben so oft nur an der Anschauung liegt, mit welcher die Mädchen von ihren Müttern in die Pension geschickt werden und mit welcher sie selbst dahin kommen, wie an den Instituten, wenn die Mädchen verbildet werden. Die meisten Institute richten sich nach den Bedürfnissen und Ansprüchen der Zeit – sie bieten das, was am Meisten verlangt wird, was geeignet ist ihnen die meisten Schülerinnen zuzuführen. Privatunternehmungen können kaum nach einem andern Grundsatz bestehen.

Was wird aber verlangt? – In vielen Fällen eigentlich geradezu gar nichts! Man schickt die Mädchen eben nur in eine Pension weil es so Mode ist, weil es andere, namentlich vornehmere Bekannte auch thun, weil sie zu Hause im Wege sind, weil man ihnen so über die Zeit des sogenannten »Backfischthums,« wo sie nicht wissen ob sie sich zu den Kindern oder den Erwachsenen halten sollen,[73] hinweghelfen will. Nach solchen Anschauungen sollen sie also in einer Pension nur gut aufgehoben sein – und das, was sie etwa dort lernen, wird als Nebensache betrachtet. In andern Fällen wünscht man wieder nur, daß sie mit dem Nimbus feinerer Bildung die Pension verlassen, wohl auch, daß sie viel lernen, um dann mit Kenntnissen und Künsten in der Gesellschaft prunken und dilettiren zu können. Und so kommen wir wieder auf das zurück, was wir gleich im ersten Abschnitt als Hauptfehler bezeichneten: es fehlt bei der weiblichen Bildung jeder Ernst und jeder Plan, es sei denn der einzige: sie um jeden Preis so zu gestalten, daß sie dem Mädchen zu einem Manne verhilft.

Sonach ist das Wichtigste freilich, daß Mütter und Töchter gleicher Weise zu der Ueberzeugung gebracht werden, daß ein Mädchen das vorzugsweise lerne, was ihrem Fortkommen in der Welt am Besten nützen kann, das zu Lernende nicht nur als leichten Aufputz, von dem es gleich sei wie lange er aushalte und welchen Grad er erreiche, betrachte, sondern mit demselben Ernst wie der Jüngling: als nothwendige Aufgabe ihres Lebens. Sich selbst zu der Anschauung zu erheben, daß kein Mädchen ihre Jugend mehr nutzlos verschwenden dürfe, daß auch sie einen Selbstzweck habe, daß auch sie sich so vorbereiten müsse, um nicht nur in einem Fall, der vielleicht gar nicht eintritt, sondern auf alle Fälle ein nützliches und Niemandem zur Last fallendes Mitglied der menschlichen Gesellschaft zu werden – in dieser Anschauung und ihrer Verbreitung liegt der hauptsächlichste Anfangspunkt der weiblichen Selbsthilfe. Ihr Geltung zu verschaffen sollte das Hauptbestreben jedes weiblichen Wesens sein, das nicht mehr sich selbst und ihr ganzes Geschlecht dem Spiel des Zufalls preisgegeben sehen will.

Nach dieser Anschauung zu handeln ist die Selbsthilfe, mit der jedes Mädchen, jede Frau an sich selbst zu beginnen hat. Eine jede, die ohne dafür eine nützliche Gegenleistung zu thun, sich von Andern ernähren läßt, möge dies als dieselbe Schande empfinden, welche der Mann empfindet und sie möge ihr zu Theil werden wie ihm, der arbeitskräftig ist und doch in Müssiggang und Erwerbslosigkeit seine Tage verbringt. Ist dieser Grundsatz nur allgemein, so werden sich dann[74] weitere Consequenzen aus ihm entwickeln. Aber er kann sich um so langsamer Bahn brechen, je mehr Vorurtheile sich ihm entgegen stemmen. Mit Wort und That und eignem Beispiel muß jede Frau diese bekämpfen, wo immer sie von ihr gefunden werden.

Die Verfasserin ist um so mehr berechtigt dies zu fordern, als sie ihr ganzes Leben lang nach diesem Grundsatz gehandelt und ihre heiligste Lebensaufgabe in ihm gefunden hat.

Und wenn wir von der Selbsthilfe der Frauen reden, so ist es wohl am Orte hier einen Blick auf die Gestaltung derselben wie der ganzen Frauenfrage seit den letzten Jahrzehnten zu werfen.

Als zu Anfang der dreißiger Jahre eine französische Frau Aurora Dudevant, unter dem Namen Georges Sand, ihre in glühender Sprache geschriebenen Romane gleich Brandraketen in die Welt sandte, die halb verblüfft, halb staunend und halb mäkelnd die neue Erscheinung betrachtete – und als dann später in Deutschland einige Schriftstellerinnen sie nachzuahmen suchten, ohne nur entfernt dem Flug eines Genius folgen zu können, dessen Schwingen sie nicht besaßen – da kam mit der Redensart auch die ganze Frage von der Emancipation des Weibes in Mißkredit und jeder über die enggezogenen Grenzen des Familienlebens hinausstrebenden Frau blieb beinahe nichts übrig, als sich zuerst feierlich zu verwahren zu jenen Emancipirten zu gehören. Damals waren die Bestrebungen der Frauen rein persönlich, sie galten nur der individuellen Freiheit. Die Abhängigkeit der Frauen von den Männern, namentlich in der Ehe, der Widerspruch der hergebrachten Sitten mit der wahren Sittlichkeit, die Ungleichheit der Rechte, in welcher die Frauen nicht allein der bürgerlichen Gesetzgebung gegenüber, sondern auch vor dem Richterstuhl der herrschenden Begriffe von Moral und Pflicht erscheinen – und all' die aus dem Widerspruch der Regungen des Herzens und der Natur mit den üblichen Gebräuchen und bestehenden Anordnungen entspringenden tragischen Conflicte – dies waren damals die Motive, welche die Frauen mit ihrer Persönlichkeit oder mit ihrer Feder oder mit beiden zugleich auf den öffentlichen Kampfplatz hinaustrieben, auf dem allein derartige Fragen zu lösen sind. Es war ein Kampf der mehr durch das Interesse der eignen Persönlichkeit[75] als durch eines an der Allgemeinheit angeregt war und der darum auch mehr mit den Waffen der Eitelkeit als der Begeisterung geführt war und mehr darauf hinauslief diese Persönlichkeit selbst in den Vordergrund zu drängen, statt sie im Dienst der Allgemeinheit freudig zu vergessen oder aufzuopfern. Es war ein Dienst der Subjectivität, wie er damals keineswegs allein bei den sich damit in den Vordergrund drängenden Frauen, sondern auch bei den Männern im Leben und in der Literatur der Grundzug der ganzen Bewegung war, deren Frische eben darum in Keckheit, ja theilweise in Frechheit ausartete, so daß sie damit der Sache schadete, sie in Mißkredit brachte und nur dadurch schließlich nützte, daß sie zum warnenden Beispiel ward, vor welchen Elementen man sich künftig zu hüten habe, um die Fahne des Fortschritts nicht in unreinen Händen und durch diese selbst in den Staub gezogen zu sehen.

Es war im Jahre 1844, als in den von Robert Blum redigirten »Sächsischen Vaterlandsblättern« die Frage aufgeworfen ward: »Haben die Frauen ein Recht zur Theilnahme an den Interessen des Staates?« Damals schrieb ich meinen ersten Zeitungsartikel und beantwortete die Frage so: »Die Theilnahme der Frauen an den Interessen des Staates ist nicht allein ein Recht, sie ist eine Pflicht der Frauen.« Ich unterschrieb den Artikel: »Ein sächsisches Mädchen,« und sandte ihn zitternd ab. Als es geschehen war – ich hatte sonst noch nichts als meinen Erstlingsroman veröffentlicht und schrieb nebenher in den von Ernst Keil redigirten »Wandelstern« unter dem Namen Otto Stern, auch nur den männlichen Pseudonymen wählend, weil eine Schriftstellerin damals kaum wagen durfte Politik und Kritik zu treiben, wie ich daselbst that – als es geschehen war, wußte ich in der That nicht, ob ich ein Verbrechen oder eine Heldenthat begangen, ich wußte nur: daß ich nicht anders gekonnt hatte. Der Artikel erschien mit einer öffentlichen Aufforderung begleitet: mehr in diesem Sinne zu schreiben – ich that es dort wie in Blum's Taschenbuch »Vorwärts« und nannte mich nun. – Was ist nun heutzutage dabei, wenn ein weiblicher Name, sei seine Trägerin nun jung oder alt, in einer politischen Zeitschrift unter den Mitarbeitern steht? Damals ward es aber allerdings[76] aufgefaßt von der einen Seite wie ein Verbrechen und von der andern wie eine Heldenthat! Fast nie hab' ich so viele Briefe von Fremden voll Zustimmung erhalten wie damals, fast nie aber auch so viele Vorwürfe, Warnungen, Mahnungen von Freund und Feind. Ich war ein junges verwaistes Mädchen und hatte wohl in den Kreisen meiner Kleinstadt wie der nahen Residenz immer für etwas »überspannt« gegolten und das rettete meinen »Ruf« – als »Unglück« aber ward es doch betrachtet, daß ich mich um öffentliche Angelegenheiten bekümmerte – Tendenzromane schrieb und politische Gedichte als »Lieder eines deutschen Mädchens« herausgab. – Und als die politische Bewegung von 1848 eine neue Aera heraufzuführen schien, da war natürlich auch die Bewegung der für die Zeit empfänglichen Frauen eine politische. Zur Zeit der Befreiungskriege von der Fremdherrschaft vor funfzig Jahren hatte unter den Frauen schon eine ähnliche Begeisterung geherrscht, ein ähnliches Heraustreten Einzelner für die Sache der Allgemeinheit: damals war es geschehen auf Grund des Patriotismus – 1848 geschah es auf Grund der Politik, der Demokratie. War auch der größte Theil der Frauen auf der Seite jener Fanatiker der Ruhe, welche den Sieg der Freiheitsbestrebungen fast viel mehr erschwerten, als selbst die erbittertsten Gegner derselben, und rächte es sich dadurch furchtbar, daß man die Frauen und selbst seitens der dem Fortschritt huldigenden Männer von aller Theilnahme an den politischen Angelegenheiten des Tages ausgeschlossen und sie im Indifferentismus und in Unwissenheit erhalten hatte – so fanden sich doch unzählige begeisterte Frauen, welche der Sache der Demokratie dienten und zugleich für die eigenen, d.h. die weiblichen politischen Rechte das Wort und die Feder ergriffen. Die Sache der Frauen und ihre Stellung war eine Partei-Angelegenheit geworden und es gab kein vereintes weibliches Wirken, das nicht im Dienste einer Partei geschehen wäre. Da und dort entstanden demokratische Frauenvereine, die namentlich zur Zeit der niedergeworfenen Erhebung noch voll schöner Hingebung Gutes und Großes unter eigenen Gefahren wirkten. Aber eben darum wurden diese Frauenvereine nur zu bald gewaltsam aufgelöst und damit waren Angesichts der immer mehr hereinbrechenden und immer[77] mehr die Gemüther niederdrückenden Reaction, auch alle die Bestrebungen und Interessen wieder verschwunden, an die auch das weibliche Geschlecht sich mit erwachendem Bewußtsein freudig hingegeben hatte. Erging es doch unter der Männerwelt nicht besser – wie hätten die Frauen dem allgemeinen Schicksal, das auf Allen lastete, sich entziehen sollen? – Ich selbst hatte unter den Einflüssen der politischen Bewegung eine »Frauenzeitung« (von 1849–52) redigirt, welche das Motto trug: »Dem Reich der Freiheit werb' ich Bürgerinnen!« – wer sie nachlesen wollte, könnte sich überzeugen, daß man von Vielem, was jetzt wie etwas Neues diskutirt wird, sagen könnte: Dies Alles war schon einmal da! Auch sie fiel natürlich der Reaction zum Opfer. Aber schon damals oder vielmehr noch früher, schon vor 1848 – und dann erst recht – hatte ich eingesehen, daß, wie damals der socialistische Ausdruck lautete: auch die Frauenarbeit organisirt werden müßte. Ich hatte Einiges im Dienst des Socialismus, besonders der weiblichen Arbeiterinnen (in Keil's »Leuchtthurm,« außerdem einen Roman »Schloß und Fabrik,« der anfänglich confiscirt ward) geschrieben und es erschien eines Tages eine Arbeiterdeputation bei mir, um mir ihre Zustimmung zu erkennen zu geben. Es waren Setzer und sie baten mich, in einer von ihnen eben gegründeten (1847) Zeitschrift »Typographia« mitzuschreiben. Ich that es und that es noch weit mehr, als sie sich 1848 in die erste »Arbeiterzeitung« umwandelte. Ich vertrat unter ihnen die Interessen meines Geschlechts. Als in Dresden unter dem Ministerium Oberländer eine Arbeitercommission zusammentrat, richtete ich an dieses und sie, wie an alle Arbeiter eine »Adresse eines Mädchens,« in welcher ich an das Elend und die Gefahr der Schande erinnerte, in welcher das weibliche Geschlecht schwebt, wenn es ohne Gelegenheit zu lohnender Arbeit ist und schloß mit den Worten: »Glauben Sie nicht, meine Herren, daß Sie die Arbeit genügend organisiren können, wenn Sie nur die Arbeit der Männer und nicht auch die der Frauen mit organisiren,« – ich rief die Arbeiter auf, abzulassen von der Verblendung, mit der einige von ihnen die Mädchen aus den Fabriken und Gewerben und damit in die Schande jagten und fügte hinzu: »Und wenn man überall vergessen sollte an[78] die armen Arbeiterinnen zu denken – ich werde sie nicht vergessen!« Und ich fand überall ein williges Ohr, bei dem Minister sowohl wie bei einigen Mitgliedern jener Commission und vor Allem bei den Arbeitern selbst, die mir auch dazu die Spalten ihrer Zeitung öffneten und auch sonst vertrauten. Immerhin war es ein harter Kampf, zumal in Sachsen, wo von Gewerbefreiheit noch keine Spur war und der Zunftzwang überall hemmend entgegentrat. Wie viel Tinte hab' ich nicht allein im Interesse der Schneiderinnen verschrieben, die vorerst von den Schneidern angelernt wurden, und bei denen dann alle Augenblicke die Schneider einmal Haussuchung hielten und die vorgefundene Arbeit confiscirten, weil jene nur auf Arbeit in die Häuser gehen durften! Die Schneider, obwohl sonst immer nur dem Fortschritt huldigend, ja oft die enragirtesten Demokraten – in diesem Punkt waren sie die schrecklichsten Reactionaire. Und so ging es in vielen Zweigen der Arbeit: in der Theorie führten die Leute immer das große Wort des Fortschritts, wenn aber Einer in seinem Gewerbe sich beeinträchtigt glaubte, so wehrte er sich mit Händen und Füßen dagegen.

Was damals gekeimt und geblüht hatte, verfiel dem Schicksal aller Märzblüthen – sie verschneiten wieder – aber jetzt, wo der Schnee wieder hinweggethaut, kommt Alles auf's Neue zum Vorschein. Im Stillen ist fortgewachsen und hat sich ausgebreitet, was zu jener Zeit nur Keim war und schießt jetzt in frischen Halmen lustig empor.

Im Dienste der Subjectivität, wie im Dienste der Politik sind die weiblichen Bestrebungen beendet worden, nicht etwa um nun am Ende zu sein, sondern um nach Verirrungen und Prüfungen geläutert und erstarkt wieder neu aufgenommen zu werden im Dienste der Humanität und des Socialismus.

Die Frage von dem Berufe und der Stellung der Frauen ist nicht anders zu lösen als nur auf diesem Wege.

Zu Anfang des Jahres 1865 lenkte eine schon etwas früher gegründete und von Hauptmann A. Korn redigirte »Allgemeine Frauen-Zeitung« die Aufmerksamkeit wieder auf diese Angelegenheiten und zwar geschah dies noch mehr, als derselbe in Leipzig Vorträge[79] über die »Frauenfrage« hielt. In beiden fand sich vieles Gute und Anregende neben manchem Wunderlichen und der Frauennatur Widerstrebenden. Aus letzterem Grunde wollte ich darum lange nichts von einem gemeinschaftlichen Wirken in dieser Richtung wissen und beschränkte mich, dem Herrn Redacteur den Abdruck einiger Artikel von mir in der »Frauen-Zeitung« zu gestatten. Da sich aber andere gleichgesinnte Frauen mit mir zusammenfanden, war ich endlich bereit mich an der Gründung eines »Frauenbildungsvereins« zu betheiligen. Zu diesem Zwecke hielt Frl. Auguste Schmidt, eine ausgezeichnete Lehrerin und Rednerin in Leipzig, einen öffentlichen Vortrag. Unter dem Motto: »Leben ist Streben,« schilderte sie die Nothwendigkeit, daß auch das Weib nicht länger auszuschließen sei von dem allgemeinen Ringen nach Fortschritt und nach einem Beruf, der nicht abhängig sei von dem Zufall der Familienverhältnisse, sondern auch da, wo ihr versagt sei als Tochter, Gattin oder Mutter ein nützliches Dasein zu führen, ihrem Leben einen Gehalt und zugleich einen Schutz gegen die Gefahren biete, denen jedes, und zumal jedes weibliche Wesen verfällt, das nicht im Stande ist, sich selbst durch eigene Arbeit zu erhalten. »Wir verlangen nur, daß die Arena der Arbeit auch für uns und unsere Schwestern geöffnet werde

So ward der Frauenbildungsverein in Leipzig gegründet. Gegen einen monatlichen Beitrag erhält jedes Mitglied desselben 3 Billets, die es verpflichtet ist an ihm bekannte Arbeiterinnen oder andere Frauen und Mädchen, die nichts für ein edles Vergnügen erübrigen können, zum Besuch der »Abendunterhaltungen« des Vereins auszugeben. Von denselben wurden jährlich 25 veranstaltet und haben darin nur weibliche Personen Zutritt. Unterhaltung und Belehrung wird hier zugleich gewährt, letztere durch einen Vortrag über ein für Frauen der größeren Kreise passendes Thema aus der Geschichte, Natur, Literatur u.s.w. stets mit specieller Berücksichtigung des Vereinszweckes: Erweiterung des weiblichen Gesichtskreises, Erhebung und Anregung für stille Arbeitsstunden, Erweckung und Stärkung zu freudiger Berufsthätigkeit u.s.w. Deklamation klassischer wie neuerer Gedichte, Pianoforte- und Gesangsvorträge, sämmtlich von Frauen[80] gehalten. Es ist dies zugleich eine Uebung, nicht allein für Dilettantinnen, sondern auch für angehende Künstlerinnen – auch anerkannte lassen sich zuweilen hören; die belehrenden Vorträge werden ebenfalls von Damen gehalten. Sodann ward eine Sonntagsschule für erwachsene Mädchen gegründet. Die Sonntagsschule und die Abendunterhaltungen, geleitet von dem gleichen Princip der Humanität wie der nothwendigen Selbsthilfe, ergänzen einander. Auch hier wird der Unterricht in den Elementarwissenschaften, Französisch und weiblichen Arbeiten von Damen – meist unentgeltlich ertheilt. Sonntagsschulen hatte man für das männliche Geschlecht schon überall als eine Nothwendigkeit erkannt und längst eingeführt, aber für das weibliche fehlen sie fast noch überall und sind gerade doppelt nöthig – wie auch hier der zahlreiche Besuch derselben zeigt. –

In die Statuten des Frauenbildungsvereins war ein Paragraph mit aufgenommen worden, nach welchem eine Frauen-Conferenz von deutschen Frauen der verschiedensten Gegenden in Aussicht gestellt ward. Herr Korn suchte dazu in seiner Frauen-Zeitung zu wirken, da aber auf seine alleinige Veranlassung die Sache sehr zweifelhaft schien, so erließ der Vorstand des Frauenbildungsvereins ein die Conferenz betreffendes Circular an ihm hierzu geeignet scheinende Persönlichkeiten, die zum Theil auch Herr Korn selbst bezeichnete.

Der Vorstand erhielt genügende Anmeldungen und die Frauen-Conferenz kam also Mitte October in Leipzig zu Stande. Herr Korn hatte dazu sehr umfängliche Vorlagen wie Statuten zu einem »großen deutschen Frauenverein« in seiner Zeitung gebracht, die neben vielem Guten und Richtigen so viel Unausführbares, der Frauennatur Widersprechendes und zugleich Komisches enthielten, daß der Leipziger Vorstand gleich in einer Vorconferenz mit Herrn Korn dasjenige strich, was zu dem Komischen gehörte (wie die projectirten Orden u.s.w.), Anderes aber abzuändern der allgemeinen Conferenz überließ. Die Leipziger Frauen, die, wie die Verf., eine gute Sache nicht wollten untergehen lassen, weil sie sich in Händen befand, die ihr mindestens schon so viel geschadet als genützt hatten, waren eben auch mit deshalb für eine allgemeine Conferenz, weil nur so etwas Klarheit in die ganze Situation kommen konnte, und sich ja durch[81] einen Austausch der Ansichten zeigen würde, ob die Frauen darum, weil Herr Korn die erste Anregung zu dieser Sache gegeben, verpflichtet wären, dieselbe für alle Zeiten seiner Oberleitung zu überlassen.

Es waren die Einladungen zur Conferenz sowohl an Männer, die sich für die Frauenfrage interessirten, als auch an Frauen ergangen und so waren denn auch unter Andern die Herren Prof. Eckardt aus Mannheim und Josef Heinrichs aus Lissa mit unter den fremden Damen, welche aus: Altenburg, Berlin, Braunschweig, Dresden, Düsseldorf, Debreczin, Gera, Halle, Jena, Köln, Mannheim, Magdeburg, München, Prag, Quedlinburg, Weimar, Zwenkau u.s.w. gekommen. Die größere Betheiligung fand natürlich von Seite der Leipziger Damen statt.

Wir lassen hier einen kleinen Bericht aus der Leipziger Mitteld. Volks-Ztg., die, in Leipzig erscheinend, gleich der gesammten Leipziger Presse ihren Berichterstatter bei der Conferenz hatte, folgen:

»Die erste deutsche Frauen-Conferenz ward am Abend des 15. Octbr. 1865 im Saal der Buchhändlerbörse gleich dadurch unter glücklichen Auspicien eröffnet, daß der Gesangverein des Arbeiterbildungsvereins erschien, um in einem ermuthigenden Gesang die anwesenden Frauen zum Beginn ihres Werkes zu begrüßen. Hierauf eröffnete Frau Louise Otto-Peters (Verf. dieser Schrift) die Versammlung. Sie sprach den zur Conferenz sowohl aus Leipzig als auch aus der Ferne herbeigeeilten Damen den wärmsten Dank aus und sagte dabei unter Anderem: »Sie haben durch Ihr Erscheinen hinreichend bewiesen, daß Sie da kein kleinliches Bedenken kennen, wo es gilt sich an ein größeres Interesse dahinzugeben. Sie bezeugen dadurch, daß Sie nicht allein unserm Rufe, sondern vielmehr noch, wie es ja des Weibes edelste Art ist und immer bleiben soll, dem Rufe Ihres eignen Herzens gefolgt sind. Sie fühlten und erkannten längst gleich uns, daß etwas geschehen müsse, den Wirkungskreis der deutschen Frauen zu erweitern und Sie sahen sich schon längst nach einem Mittel und Wege dazu um. Darum sind Sie jetzt, wo wir es gewagt haben zu einer gemeinsamen Berathung über diese Mittel und Wege aufzufordern, bei uns erschienen und[82] schon durch dies Kommen allein beweisen Sie, daß wir auf Ihren ernsten Willen, Ihre Begeisterung für unsere Sache zählen können. Denn die Bedenklichen, die Begeisterungslosen, die Unentschiedenen, die Vorsichtigen, Alle, die dem beliebten Princip des Abwartens huldigen, jenem Princip, das, wenn es wirklich das herrschende wäre, die Welt zu einem ewigen Stillstand verdammte – diese sind natürlich zu Hause geblieben und werden erst später zu uns kommen – werden kommen, da Sie, verehrte Anwesende, ja gekommen sind. Darum dank' Ihnen, daß Sie ein würdiges Beispiel gegeben haben – Ihr Kommen ist eine muthige That; denn es ist der erste Schritt zu unserem Ziele! – Dank auch den Männern, die nicht, wie so viele, nur den Fortschritt der einen Hälfte des menschlichen Geschlechtes, sondern die den Fortschritt der ganzen Menschheit wollen und darum auch die Frauen nicht ausschließen von der gleichen Bahn. Dank besonders auch den Mitgliedern des Arbeiterbildungsvereins, die unserm Wirken schon so oft ihre Theilnahme bezeigten. Wie die Arbeiter überhaupt die Stütze der Nationen sind, so erfüllt es uns mit gerechtem Stolze, gemeinsam mit ihnen zu wirken.« Mit dem Dichterworte:


Nur die Begeisterung allein hat Werth,

Die niemals weicht – nur reiner sich verklärt!


erklärte die Rednerin die Frauenconferenz für eröffnet.

Frl. Auguste Schmidt, Lehrerin in Leipzig, entwickelte in längerer Rede die natürliche Berechtigung der Frauen, sich aus der bisherigen Unterordnung zu der ihnen gebührenden der Gleichberechtigung neben dem Manne emporzuheben. In der Frau lebe ein Zug nach dem Ewigen und als Erzieherin ihrer Kinder arbeite sie für die Ewigkeit. Aber die Reformation der Frauenstellung liege auch zumeist in der Hand der Frauen selbst und mehr als ein etwaiger Widerstand des männlichen Egoismus sei die Theilnahmlosigkeit derjenigen Frauen zu fürchten, die in den beschränkten Lebensverhältnissen, in der ewigen Kindheit und Unterordnung sich glücklich und befriedigt fühlten. Weniger als im Nichtwollen liege die Gefahr im Nichterkennen. Das Haus bleibe immer ihre nächste und schönste Wirkungsstätte, aber wolle sie sich auch hier[83] begnügen, nur Handlangerdienste zu thun und zufrieden zu sein, wenn nur ein Stein nothdürftig auf den andern paßte, so werde sie das Geistesleben des Gatten nie verstehen lernen – und das sei leider in Deutschland mehr als bei andern Nationen der Fall. Nicht nur um Wissenschaft handle es sich hier, deren Cultus ja immer nur Einzelnen zufalle, sondern um richtiges Urtheil in allen Verhältnissen. Das aus Mangel an Urtheil und Verständniß unterlassene Gute bilde eine große Summe. Das Leben in Zusammenhang bringen mit der Welt des Hauses, das sei der rechte Weg für die Frau. Geistesbildung sei ein unentbehrliches Glied der harmonischen Gestaltung im Frauenleben, die Welt des Gemüths und Gefühls sei nicht allein ohne die Welt des Verstandes im Stande ein dauerndes Glück in harmonischer Gleichberechtigung zu schaffen. Aber auch diejenigen, welche nicht das Glück gefunden, Gattinnen und Mütter zu werden, können von der Welt das Recht der Arbeit fordern, weil sie Menschen sind, die nicht vegetiren, sondern arbeiten. Dies Recht der Frauen von Seiten der Männer zu bekämpfen, sei weder edel noch klug. Durch den Müssiggang entstehe die Verderbniß, aber über die verschwindende Jugend hinaus bleibe den zur Selbstständigkeit Erstarkten die wahre sittliche Kraft, welche das mit Bewußtsein und freiem Willen schafft, was sonst nur die angelernte Gewohnheit that. Bewußtes Handeln, das ist was vor Allem fehlt: über das specifisch Weibliche wird das Menschliche vergessen. – Einen neuen Lebensodem wird die Wiedergeburt der Frau in die Schöpfung bringen; Menschen werden wollen die Frauen und theilnehmen am Kranz der Arbeit und des Sieges. Dann wird Alles besser werden und auch die bestehenden Fehler, wie Eitelkeit, Luxus u.s.w., werden sich harmonisch ausgleichen – wenn die Frau erst berechtigt wird, sie erkennen zu lernen. Zum Dienst der Liebe für die ganze und große Frauenwelt sei die Frauenconferenz berufen, nur nach schwerem Kampfe mit der Zaghaftigkeit trete sie zum öffentlichen Wirken, in dem nur das innere Bewußtsein der guten Sache sie nicht wanken lasse. Irren auf dem betretenen Wege sei wahrscheinlich, aber auch die Früchte gemeinsamen Wirkens würden[84] nicht ausbleiben. Nur muthig und unverzagt ausgeharrt, dann werde der hohe Geist, der auch das Weib mit der Sehnsucht zu nützen, geschaffen habe, ihm auch beistehen zum Siege!« – Hierauf wies Herr Hpt. Korn in einem Vortrage nach, wie die Macht der Verhältnisse zur Reformation der Zustände triebe. Vor der politischen Frage stehe die Brotfrage in der Frauenreformation (die Ehe hatte er als eine »Futterfrage« der Frau bezeichnet). Eine Industrieausstellung für die Arbeiterinnen Deutschlands, freies Arbeitsfeld für die den Frauen zugänglichen Beschäftigungen und eine Unterstützungsanstalt für Bedrängte schlägt er als erste Zwecke der Frauenbestrebungen vor. Nach einigen sachlichen Vorstandsbemerkungen ward die Vorversammlung geschlossen.

In der ersten Sitzung der Frauenconferenz, 16. Octb. Morgens im Schützenhaus wurde Frau Otto-Peters zur Präsidentin, Frau Schönwasser aus Düsseldorf zur Vicepräsidentin gewählt. Außerdem befanden sich noch Frl. Hirsch (I. Heynrichs) aus Berlin, Frau Grans aus Weimar und Frau Dux-Uhlich am Vorstandstisch. Herr Hpt. Korn bringt die von ihm verfaßten Vorlagen zum Statut des Deutschen Frauen-Vereins zum Vortrag, zu deren Redaction ein Comité, bestehend aus den Damen Otto-Peters, Schönwasser, Winter aus Leipzig und Grans und den Herren Prof. Eckardt, I. Heinrichs und Hpt. Korn gewählt wird. – Die nun beginnenden Verhandlungen boten eine Menge interessanten Stoffes und gelangten in musterhafter Ordnung zu dem einstimmigen Ziel einer bestimmten Resolution über die nächsten und nothwendigsten Zwecke des zu bildenden allgemeinen Frauen-Vereins. Wir wollen nur kurz die Gegenstände der reichen und ziemlich schnell verfließenden Tagesordnung berühren. Herr Hpt. Korn sprach über »Frauenarbeit,« für welche er eine Industrieausstellung fordert, über Jugendgärten, Mädchenherbergen u s. w. Die Versammlung nahm dabei folgenden von Prof. Eckardt gestellten Antrag an:

»Die erste deutsche Frauenconferenz erklärt die Arbeit, welche die Grundlage der ganzen neuen Gesellschaft sein soll, für eine Pflicht und Ehre des weiblichen Geschlechts, sie nimmt dagegen das Recht der Arbeit in Anspruch und hält es für nothwendig, daß alle[85] der weiblichen Arbeit im Wege stehenden Hindernisse entfernt werden.«

Frau Korn referirte über Industrieschulen, um Mädchen für geeignete Gewerbe vorzubereiten. In der folgenden Debatte wird daneben auch die Association zu Gewerben empfohlen und beides für ausführbar und wünschenswerth erklärt. Eine Verneinung der Berechtigung der Frauenarbeit wegen Ueberbürdung des Arbeitsmarktes wird entschieden zurückgewiesen, wohl aber Einigung der Frauen mit den Männern für nothwendig erkannt, damit die Preise nicht verschlechtert werden. Für die Associationen werden Creditcassen vorgeschlagen; die Association würde auch die Vereinzelung und die damit verbundene Scheu des Vorurtheils beim Einzelheraustreten aus gewohnten Kreisen beseitigen. Herr H. Korn referirt über Begründung von Handelsschulen, Frl. Pauline Schmidt aus Quedlinburg über Oekonomieschulen, Frl. Auguste Schmidt über Fortbildungsanstalten (mit Bezugnahme auf den schon erwähnten Leipziger Frauenbildungsverein und seine Sonntagsschule), Prof. Eckardt spricht über weibliche Hochschulen – freilich vorläufig Ideale, die in der Zukunft reifen müssen. Die philosophischen Wissenschaften würden die nächstliegenden sein, außerdem die der Medicin. Näher liege die Ausbildung von Lehrerinnen, von denen eine von ausgezeichnetem Wissen eben gesprochen, welcher Schatz für Deutschland müsse eine Reihe solcher Lehrerinnen werden! – Frl. Hirsch wünscht auch Latein und logisches Denken nicht zu vergessen. Frau Otto-Peters fordert den ärztlichen Beruf für die Frauen als ganz besonders geeignet und theilt mit, daß eine Sachsin Frau Auguste Herz nur noch ein Examen zu bestehen habe, um dann in Sachsen das Recht zu orthopädischer Praxis zu erhalten. (Ist nun bereits geschehen.) Nach weiteren lebhaften Debatten lautet die einstimmig angenommene Resolution:[86]


  • 1. Wir halten es für ein unabweisbares Bedürfniß, die weibliche Arbeit von den Fesseln des Vorurtheils, die sich von den verschiedensten Seiten gegen sie geltend machten, zu befreien. Wir halten in dieser Hinsicht neben der Agitation durch Frauenbildungsvereine und die Presse, die Begründung von Productiv-Associationen, welche den Frauen vorzugsweise empfohlen werden, die Errichtung von Industrie-Ausstellungen für weibliche Arbeitserzeugnisse, die Gründung von Industrieschulen für Mädchen, die Errichtung von Mädchenherbergen, endlich aber auch die Pflege höherer wissenschaftlicher Bildung für geeignete Mittel, dem Ziele näher zu kommen.
  • 2. Die Conferenz beauftragt den ständigen Ausschuß des Frauenvereins sich mit diesen Punkten eingehend zu beschäftigen, die nöthigen Vorbereitungen zu treffen und der nächsten Frauen Versammlung das Material vorzuführen, auf Grund dessen definitive Beschlüsse zur Ausführung der gedachten Maßnahmen erfolgen können.

In der zweiten Sitzung am folgenden Tage ward das vom Redactionscomité redigirte Statut des Allgemeinen deutschen Frauenvereins berathen und angenommen. Es lautet:[87]

  • §1. Der »allgemeine deutsche Frauenverein« hat die Aufgabe, für die erhöhte Bildung des weiblichen Geschlechts und die Befreiung der weiblichen Arbeit von allen ihrer Entfaltung entgegenstehenden Hindernissen mit vereinten Kräften zu wirken.
  • §2. Frauen und Mädchen, welche die Großjährigkeit erreicht, erlangen die Mitgliedschaft durch Eintrittserklärung, eine einmalige Eintrittsgebühr von 1/2 Thaler und einen jährlichen Beitrag von 2 Thalern. Jüngere Mädchen können gegen einen Jahresbeitrag von 1 Thaler als Zuhörerinnen ohne Stimmrecht zugelassen werden und an allen Vortheilen der Vereinigung theilnehmen. Männer, die sich für die Zwecke des Vereins interessiren und dies bethätigen, können als Ehrenmitglieder mit berathender Stimme aufgenommen werden, ebenso solche Frauen im Auslande, die für die Frauensache in rühmlicher Weise thätig waren.
  • §3. Die Einnahmen bestehen a) aus den Jahresbeiträgen der Mitglieder, b) aus den freiwilligen Beiträgen der Männer, c) aus den Erträgen von Abendunterhaltungen, Concerten, Lotterien u.s.w.
  • §4. Die Mitglieder, welche in einzelnen Orten in größerer Zahl wohnen, sind dringend eingeladen, Localvereine zu bilden, welche mit dem Vorstande in regem Verkehr zu bleiben haben.
  • §5. Mit der Leitung wird ein Vorort beauftragt, der jedes Jahr wieder ernannt werden kann. Am Vororte wird ein Vorstand, der die laufenden Geschäfte zu besorgen hat, aus fünf Mitgliedern bestehend, bestellt. Der Vorstand kann auch männliche Ehrenmitglieder beiziehen; sie haben berathende Stimme. Der Vorstand bildet mit zehn auswärtigen Mitgliedern den weiteren Ausschuß, der in wichtigen Fragen zusammenberufen wird und sich andere Mitglieder cooptiren kann. Der Vorstand und Ausschuß wird jedes Jahr neu gewählt.
  • §6. Womöglich tritt jedes Jahr ein vom Vororte einberufener Frauentag zusammen; der Sitz desselben wechselt jährlich. Die Localvereine sind gehalten, zu dem Frauentag Vertreter zu schicken. Doch steht die Theilnahme jedem einzelnen Mitgliede des allgemeinen deutschen Frauenvereins frei.
  • §7. Eine Revision der Statuten kann, wenn sie wünschenswerth erscheint, an jedem Frauentage vorgenommen werden, jedoch sind zu jeder Aenderung 3/4 der Stimmen der Anwesenden erforderlich.

Zum Vorstand wurden bei der Gründung erwählt:

Louise Otto-Peters. Auguste Schmidt. Ottilie v. Steyber. Alwine Winter. Anna Voigt.


Als die Kornsche allgemeine Frauen-Zeitung als Vereinsorgan in Vorschlag kam, sprach Frl. Auguste Schmidt über die Nothwendigkeit, daß der Verein ein eignes Organ haben müsse und da Frau Otto-Peters und Frl. Hirsch zur Mitredaction berufen seien, dürfe man annehmen, daß das Blatt künftig den Ansprüchen mehr genügen werde als bisher. Unter dieser Voraussetzung ward der Beschluß gefaßt, für das Organ des Vereins, wenn derselbe 120 Mitglieder zähle, eine kleine Subsidie zu bewilligen. – Sodann ward Leipzig zum Vorort für dies Jahr und die oben genannten Damen wurden zum Vorstande gewählt. Zum Ausschuß wählte man die Damen Schönwasser aus Düsseldorf, Grans aus Weimar, Dux-Uhlich aus Magdeburg, Bertha Heine aus Braunschweig, Hirsch-Heynrichs aus Berlin, A. Volckhausen aus Hamburg, L. Büchner aus Darmstadt, A. Löhn aus Dresden und Er. Eckardt aus Mannheim. (Die letzten vier Abwesenden haben nachträglich angenommen, eine, die ablehnte, haben wir nicht erst genannt,[88] an ihre Stelle ward später vom Ausschuß Frau Amalia Ligonti in Krems ernannt.) Die Herren Eckardt und Heinrichs wurden zu Ehrenmitgliedern ernannt. Hiermit waren die Arbeiten der Frauen-Conferenz beendigt und Frl. Auguste Schmidt schloß dieselbe mit wahrhaft weihevollen Worten. Wie sie von dem noch kleinen Häuflein der Frauen Ausdauer und unwandelbaren Muth im Vorwärtsstreben zum edlen und guten Ziele erbat, so von der öffentlichen Meinung und ihren Vertretern gerechte Beurtheilung und freundliche Duldung.« –

Der Referent, I. Mühlfeld, den wir citirten, schließt seine Berichte mit folgenden Worten: »Unsere herzlichen Wünsche und Sympathieen, die seit Jahren der Frauensache gehören und die vor dem Takt und der Haltung dieser Frauenconferenz sich nur steigern konnten, begleiten das schöne und große begonnene Werk: – selbst unwürdig der Freiheit ist der, welcher ein Freiheitsstreben bekämpft, selbst verächtlich der, welcher im Dienst des Vorurtheils und Egoismus das Recht der freien Menschenwürde, der freien Arbeit und Selbstbestimmung Anderer verachtet und unterdrückt. Das mögen die letzten Gegner der wahren, würdigen und zum Wohl und Heil der Menschheit und kommender Geschlechter nothwendigen Emancipation der Frauen zur geistigen und socialen Unabhängigkeit neben den Männern nicht vergessen!« –

Mit gleicher Anerkennung haben sich alle Blätter, die über die erste Frauenconferenz berichteten, ausgesprochen – die Kritiker, die gegen sie auftraten, sind alle nicht selbst dabei gewesen, sie haben nur erst viel später, entweder als principielle Gegner der Frauenerhebung oder weil gewisse Personen doch Alles bemängeln müssen, hinterher ihre Glossen und Einwände gemacht. Das Vorwort dieser Schrift weist dieselben zurück und wir wollen uns hier nicht weiter mit ihnen beschäftigen.

Eines nur müssen wir noch erwähnen. Es ist dem Herrn Hpt. Korn für seine Anregungen und Bemühungen Dank gesagt und bewiesen worden, aber so weit konnte die Dankbarkeit nicht gehen seine Vereinsstatuten anzunehmen und ihm die Leitung des Ganzen zu überlassen, und darum ist nun er selbst der erbittertste[89] Gegner des Allgemeinen deutschen Frauen-Vereins geworden und aus ihm getreten. Weder die Verhältnisse seiner Frauen-Zeitung selbst noch die Stellung, welche er den erwählten Schriftstellerinnen nachträglich dabei einräumen wollte, erlaubten es, seine Zeitung wirklich zum Vereinsorgan zu machen und so sah man sich genöthigt, als solches ein neues Blatt »Neue Bahnen,« Organ des Allgemeinen Deutschen Frauenvereins, herausgegeben von Louise Otto und Auguste Schmidt, redigirt von R. Rößler-Mühlfeld, zu gründen.

Seitdem häufte Herr Korn Schmähungen auf den Verein und dieselben Personen, die er früher als Muster hinstellte – und somit können wir über seine wie über unsre Handlungsweise ruhig schon die Zeitgenossen richten lassen. –

Wie klein auch der im Stillen fortwachsende »Allgemeine deutsche Frauen-Verein« noch sein mag: seine Gründung ist dennoch von äußerster Wichtigkeit, denn nur in dem Losungswort: »Alle für Eine und Eine für Alle« kann die Förderung gemeinsamer Bestrebung, die Wahrung gemeinsamer Interessen gefunden werden.

Geschrieben von Einzelnen und fast auch wieder nur von Einzelnen gelesen, war schon so Manches über die Stellung der Frauen, ihre Rechte und Pflichten, aber nur äußerst gering waren die dadurch erzielten Resultate in Bezug auf das Eingreifen in die Lebensverhältnisse der Gegenwart. Was Einzelne hinter ihren Schreibtischen sitzend schreiben und Andere im stillen einsamen Stübchen oder selbst im Familienzimmer lesen und beifällig aufnehmen, das bedarf, um wirklich in's Leben eingreifen zu können, wirklich zu einer Veränderung bestehender Zustände zu führen, doch noch eines andern Weges als den der Presse. Die Presse ist bei jedem Fortschritt nur der erste Pionier, nur der Führer und Fahnenträger – aber den Voranschreitenden müssen Andere folgen, die handelnd und thätig mit eingreifen im Dienst der Idee, sonst gelangt sie nicht zum Siege, nicht zur Realisirung durch das Leben.

In dem Programm des Vereins sind eine Menge Mittel und Wege angegeben, mit und auf welchen eine Verbesserung in der[90] Lage der Frauen in Angriff zu nehmen ist. Der erste Schritt, den also jede deutsche Frau zu thun hat, welche nach einem Wirken für das Allgemeine sich bisher vergeblich sehnte, ist zu diesem Verein zu treten; sie wird dadurch ein Glied in der großen Kette eines Ganzen, sie tritt damit ein in eine Gemeinschaft, in der es ihr leicht wird sich und Andern zu nützen und ihre Kräfte in Verbindung mit denen Anderer doppelt nutzbar zu machen.

Alle die deutschen Frauen und Mädchen, die so oft mit dem Verhängniß grollten, die darüber seufzten und stöhnten, daß es ihnen mitten in einer nach allen Richtungen hin thätigen Zeit an einem Wirkungskreis fehlte, auch mit thätig einzugreifen in den Fortschritt des Menschengeschlechts, auch sich mit zu betheiligen an der Arbeit des Jahrhunderts – diese Alle finden nun für ihre Bestrebungen die Basis, welche sie bisher vergeblich suchten. Sie finden darin auch die Gelegenheit etwas zu thun für die Hebung des eignen Geschlechts, an der es in diesem Maße bisher fehlte; denn das war es ja eben, was auch diejenigen Frauen, welche die Schäden in der Stellung und Lage des weiblichen Geschlechts in der Gegenwart erkannt hatten, so niederdrückte, mißmuthig und verzagt machte, daß im großen Ganzen weder Etwas geschah für die Frauen noch von den Frauen. Die Eitelkeit einzelner besonders befähigter und glücklich gestellter Persönlichkeiten konnte wohl in sich selbst darin Befriedigung finden, als eine Ausnahme ihres Geschlechtes durch ihre Leistung auf dem und jenem Felde zu glänzen oder sich selbst dadurch eine ehrenvolle und ebenbürtige Stellung inmitten der Männerwelt zu erobern: aber Diejenige, der es, frei von dieser Eitelkeit, nicht um das eigene Selbst, sondern um die Sache selbst zu thun war, konnte selbst eine solche scheinbar vortheilhafte Stellung nur mit Wehmuth einnehmen, und mußte das lebhafteste Verlangen in sich tragen, das, was sie selbst erreicht, vielleicht mühsam erkämpft, nicht nur für sich, sondern auch für ihre Mitschwestern erreichen und erkämpfen zu können.

Und nun ist die Bahn geöffnet und ein weites Feld der Thätigkeit liegt vor allen Frauen da, ein Feld, das recht eigentlich ihnen allein gehört und dessen Bearbeitung nicht als unweiblich verschrieen werden kann.[91]

Auch Diejenigen, die aus Mangel an Zeit dem Verein nur ihren Beitrag geben können, wirken für die gute Sache. Neben ihnen aber befindet sich die große Schaar derer, welche bislang klagten, daß es für alle Klassen und Zwecke der gegenwärtigen Gesellschaft und ihre Interessen förderliche Vereine gebe, aber nicht für die Interessen der Frauen, Alle, welche die Sehnsucht in sich fühlten die Lage der Frauen zu verändern, zu verbessern und wohl darüber jammern, daß sie nicht wüßten wie das anzufangen sei und über die Unthätigkeit und Nutzlosigkeit, zu der sie sich für immer verdammt wähnten, wohl gelegentlich in Verzweiflung geriethen: diese haben nun hinreichend Gelegenheit zu beweisen, ob solche Aeußerungen nur momentane Gefühlsaufregungen, ob es ihnen Ernst damit ist, nun in den Kreis des Wirkens einzutreten, der ihnen nun geöffnet ist. Sie können durch Wort und Beispiel Proselyten machen für die Ideen des Allgem. deutsch. Frauenvereins, können in ihrer Heimath, ihrer Stadt sowohl Frauenbildungsvereine gründen, als auch auf dem und jenem Gebiet praktisch für die weiblichen Interessen thun, was, je nach den lokalen Verhältnissen ihres Wohnorts, sich thun läßt, und was ihnen überhaupt das Nächstliegende scheint.

Die Frauen sind somit eingetreten in den Kreis des öffentlichen Wirkens – sie haben einen großen moralischen Sieg davongetragen, einzig und allein durch den nicht minder großen moralischen Muth, der sie für eine als gut erkannte Sache in die Schranken treten ließ.

Es ist durch die Frauen-Conferenz auch an die öffentliche Meinung appellirt worden – und es hat sich gezeigt, daß dieselbe weit mehr als dies früher der Fall, ja, als zu erwarten war, auf der Seite der Frauen steht. Der Versuch, die Frauen-Conferenz lächerlich zu machen, der sehr zu fürchten war, ist doch nur wenig gewagt worden – die meisten Blätter haben ihr beigestimmt und die Feinde der Sache haben wohl eingesehen, daß diese selbst ihnen zu groß geworden, um sie mit ein paar leichtfertigen Witzen abzuthun.

Es ist ein großes, heiliges Princip in der Weltgeschichte, daß alles Neue, und wenn es noch so lebensfähig, wenn es noch so wohlvorbereitet[92] in die Welt tritt, seine Gegner findet in den Anhängern des Alten, in Denen, welche von keinem Vorwärts, keinem Streben darnach etwas wissen wollen. Solche Gegner findet natürlich auch der Frauenverein und Alles was mit ihm zusammenhängt, er findet sie wie jede ähnliche Bewegung der Neuzeit, deren Streben darauf gerichtet ist, die alte Welt immer mehr zu erlösen von jedem Bann, von jedem Drucke, der das rastlos rollende Rad der Zeit zum Stillstand zwingen will. Aber eine solche Gegnerschaft ist ja nur eine Anerkennung der weiblichen Wirksamkeit mehr, sie kann sie nicht hindern, sondern muß sie fördern, weil jeder Kampf die Kräfte der Streitenden übt und erstarken macht! –

Die Frage der »Frauenarbeit« und »Frauenbildung« ist seitdem mächtig in den Vordergrund getreten. Keine Zeitung nimmt man in die Hand, kein Verein, keine Volksversammlung findet statt, in der nicht diese Frage discutirt würde – sei's im Sinne des Fortschrittes, sei's in dem des Stillstandes, ja der krassesten Reaction: – sie von sich zu weisen, zu ignoriren, wie es so lange halb bewußt, halb unbewußt geschehen, wagt Niemand mehr, ja es kommt sogar vor, daß Diejenigen, welche dies früher thaten, sich jetzt stellen, als wären sie stets durchdrungen gewesen von der Nothwendigkeit einer Lösung dieser Frage.

Uns ist jede Bestrebung willkommen, die diesem Ziele gilt, möge sie ausgehen von wem sie immer wolle, möge sie Hand in Hand gehen mit dem Allgemeinen deutschen Frauenverein oder ihn ignoriren: wir sehen Alles mit Freuden geschehen, was geschieht, um die Frauenfrage ihrer Lösung immer näher zu führen: an der Ueberzeugung aber halten wir fest, daß ihre wirkliche Lösung nur gefunden werden kann durch die Frauen selbst, durch ihren eignen Willen und ihre eigene Kraft, daß jede andere Lösung nichts ist als ein Präservativ, das nur auf kurze Zeit helfen kann, dann aber doch wieder als unnütz beiseit geworfen werden muß.

Das Recht der freien Selbstbestimmung ist das heiligste und unveräußerlichste jedes vernunftbegabten Wesens – wer sich dasselbe rauben läßt, wer freiwillig darauf verzichtet, der versündigt[93] sich an seiner eignen Menschenwürde – und es bewährt sie nur, wer freudig seine Kraft einsetzt, jenes Recht zu bewahren oder sich zu erringen, wo man es ihm noch nicht gegeben oder wo man es ihm genommen hat.

Auch die Frauen dürfen nur wollen, so muß ihnen werden was sie wollen!

Willkommen ist uns die Mithilfe aller edlen Männer zu diesem Recht der freien Selbstbestimmung – den Männern aber, die ohne dasselbe gelten zu lassen den Frauen vielleicht auch auf neuen Gebieten Erwerbsthätigkeit zuweisen und ihnen gewissermaßen ihre Hilfe octroyiren, weil es unweiblich sei sich selbst zu helfen, müssen wir sagen: daß es das Unweiblichste ist was es giebt, wenn Frauen in ihren Frauenangelegenheiten die Männer entscheiden lassen. Was sich für sie ziemt und was sich nicht geziemt, wußten von je die Frauen selbst am besten.

Quelle:
Louise Otto: Das Recht der Frauen auf Erwerb. Hamburg 1866, S. 67-94.
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