XI. Schluß

[171] Was nun weiter geschah? Was soll's weiter? Man weiß es ja wie das alle Mal kommt und alle Mal endet. Es ist hart, so Etwas wieder erzählen zu müssen, wieder erzählen zu hören! –

Im Publikum, in den Zeitungen trug man sich mit allerhand abenteuerlichen Gerüchten voller Unklarheiten und Widersprüche. Endlich begnügte man sich mit dem Bericht der in der Kürze festgestellten Thatsachen.

In der Fabrik des Herrn Felchner hatte lange eine unheimliche Gährung geherrscht. Endlich war es sogar dahin gekommen, daß eines Tages die Arbeiter bewaffnet in die Fabrikgebäude drangen, die Maschinen zerstörten und als es Abend geworden war, sogar das Wohngebäude förmlich erstürmten und darin den barbarischsten Unfug verübten. Das aus der nächsten Stadt requirirte Militair war noch in später Abendstunde auf den Schauplatz dieses unheilvollen Ereignisses eingetroffen und so war es ihm gelungen, noch in derselben Nacht ziemlich und am andern Tage vollkommen die Ordnung wieder herzustellen. –

Herrn Felchners große Verluste die er durch die sinnlose[171] Wuth der Aufrührer erlitten, gab man auf noch unberechenbare Tausende an – als den schrecklichsten Verlust, der ihn betroffen, galt natürlich der seiner einzigen Tochter Pauline, welche in jener entsetzlichen Nacht so plötzlich und unbeschützt um's Leben gekommen war – getödtet von den Kugeln derjenigen, deren Kommen ihr strenger Vater mit solcher Ungeduld erwartet hatte! – Er hatte wohl nicht daran gedacht, nicht darnach gefragt, ob unter den Schuldigen, denen er die mörderischen Kugeln entgegenschickte, auch Unschuldige sein könnten – und wenn er daran gedacht hatte, so hatte es ihn nicht gekümmert – er litt ja eben jetzt auch unschuldig – wie er meinte – das Schlimmste – aber da stand er wie vom Donner gerührt, als das eigne unschuldige Kind mit getroffen war von dem blinden Strafgericht, das er den Schuldigen zugedacht hatte. –

Darüber, ob in der Fabrik des Herrn Felchner wirklich großer Nothstand der Arbeiter geherrscht habe – ob wirklich communistische Verbindungen unter ihnen bestanden – und ob die Noth – ob communistische Aufhetzereien – ob die Organe und Vertreter der schlechten Presse die meiste Schuld trügen an all' dem Unheil, das so plötzlich hereinzebrochen war: darüber waren die Meinungen der Zeitungsleser sehr getheilt – ein jeder von ihnen bildete sich wohl seine eigene selbst.[172]

Herr Felchner raufte sich seine grauen Haare an der Leiche seiner Herzenstochter – aber es war, als sei mit ihr sein guter Engel gewichen – er ward immer mißtrauischer, immer tyrannischer und überlebte sie nicht lange.

August und Wilhelm kamen in's Zuchthaus. Anton erhielt eine Medaille.

Der Geheimrath von Vordenbrücken bekam einen Orden und der Polizeirath Schuhmacher, weil er schon Orden aus allen Classen hatte, eine goldne Dose.

Gustav Thalheim und Graf Jaromir von Szariny waren von ihnen als Theilnehmer an communistischen Verbindungen angeklagt worden. Thalheim war aber mit Eduin von Golzenau schon über die Deutsche Grenze, als man sich seiner bemächtigen wollte – so ward ihm nun die Rückreise in das Vaterland verweigert. Da gegen Jaromir der Verdacht noch geringer, er ein Graf war und einflußreiche Verbindungen hatte, so begnügte man sich damit, die Censoren auf seine Artikel besonders aufmerksam zu machen. –

Amalie verzweifelte daran, sein Glück zu zerstören, und schleppte ihr freudloses, überflüssiges Leben, dem es weder gelingen wollte, Glück noch Unglück zu verbreiten, in stiller Apathie mit sich weiter.

Aurelie gab ihre Hand dem Kammerjunker von Aarens.[173]

Jaromir und Elisabeth standen an dem schönen Marmordenkmal über Paulinens Grab:

»Sie dort oben in Liebe vereint – wir hier unten – wem ist das bessere Theil geworden?«

»Für ihre Liebe war das nur dort erreichbar – die unsere darf schon auf der kleinen trauten Erde ihre Freudenfeste feiern!«

So sprachen die Liebenden und hielten sich selig umfangen.

Quelle:
Louise Otto: Schloß und Fabrik. Band 1–3, Band 3, Leipzig 1846, S. 171-174.
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