[39] Inhalt. Phaethon. Die Heliaden. Cycnus. Callisto. Der Rabe (Coronis). Nyctimene. Aesculapius. Ocyrrhoe. Battus. Aglauros (die Mißgunst). Europa.
Stattlich erhöht stand da Sol's Burg auf ragenden Säulen
Hell von blinkendem Gold und von flammengleichem Pyropus.
Glänzendes Elfenbein war oben die Zierde des Giebels;
Strahlend prangten die zwei Thorflügel im Lichte des Silbers.
Ueber den Stoff noch siegte die Kunst. Dort hatte gebildet
Mulcibers Meißel das Meer, wie es rings umgürtet die Länder,
Und die gerundete Erd' und den Himmel über der Rundung.
Bläuliche Götter umschließet die Flut, den blasenden Triton,
Proteus' Wandelgestalt und, wie er den mächtigen Rücken
Drückt mit den Armen dem Wal, den Riesen Aegäon, und Doris
Und, die Doris gebar. Theils scheinen zu schwimmen die Jungfrau'n,
Theils auf felsigem Riff sich die grünlichen Haare zu trocknen,[40]
Theils auf Fischen zu ruh'n. Nicht gleich ist bei allen das Antlitz,
Ohne verschieden zu sein, so wie es bei Schwestern geziemend.
Männer besitzt und Städte die Erd' und Wälder und Thiere,
Flüsse und Nymphen dazu und die anderen Mächte der Fluren.
Darob stehet gewölbt das Gebilde des glänzenden Himmels,
Und sechs Zeichen sind rechts und sechs auch links an dem Thore.
Als nunmehr dorthin auf steigendem Pfade gelangt war
Clymene's Sohn und trat in das Haus des bezweifelten Vaters,
Lenkt er die Schritte sofort nach dem Antlitz seines Erzeugers;
Fern dann bleibet er stehn; denn näher vermochte sein Auge
Nicht zu ertragen das Licht. Da saß im Purpurgewande
Phöbus auf prächtigem Thron, der glänzte von hellen Smaragden.
Neben ihm stand Tag, Monat und Jahr zur Rechten und Linken,
Zum Jahrhundert gesellt, und gleich abstehende Stunden,
Stand frisch grünender Lenz, umwunden von blühendem Kranze,
Stand mit dem Aehrengeflecht im Haar der entkleidete Sommer,
Stand der Herbst mit dem Saft der gestampfeten Trauben besudelt,
Endlich der Winter beeis't und struppig das greisende Haupthaar.
Dorther mitten im Raum ward Sol den betroffenen Jüngling,
Der bang staunte, gewahr mit den alles erblickenden Augen.
»Was trieb dich zu dem Gang? Was suchest du, Phaethon, – sprach er –
Hier in der Burg, du Sproß, der nicht zu verleugnen dem Zeuger?«
Jener versetzt: »O gemeinsames Licht des unendlichen Weltalls,
Vater Phöbus, wofern du mir solche Benennung gestattest,
Und nicht Clymene Schuld mit falschem Gebilde verhehlet,
Gib mir, Erzeuger, ein Pfand, das mich als wirklichen Sprößling
Zeige von dir, und unser Gemüth von dem Zweifel befreie.«
Phaethon sprach's. Ablegt der Erzeuger die blendenden Strahlen,
Die umglänzten sein Haupt, und gebeut ihm näher zu gehen,[41]
Und er umarmt ihn und spricht: »Wohl bist du der Meine zu heißen
Würdig, und Clymene that dir kund wahrhaftigen Ursprung.
Daß du dem Zweifel entsagest, erbitte beliebige Gabe,
Und ich gewahre sie dir. Der Pfuhl, bei welchem die Götter
Schwören, von uns noch nimmer geschaut, sei Zeuge des Wortes!«
Kaum war solches gelobt, als jener den Wagen des Vaters
Heischt und das Recht für den Tag die geflügelten Rosse zu lenken.
Jetzo bereut sein Vater den Schwur, und er schüttelt im Unmuth
Drei vier Mal sein leuchtendes Haupt: »Durch das deinige – sprach er –
Ward sinnlos mein Wort. O, wär' es vergönnt, das Verheiß'ne
Nicht zu verleih'n! Dies würd' ich dir, Sohn – ich gesteh' es – versagen.
Warnung jedoch ist vergönnt. Nicht ist dein Verlangen gefahrlos.
Großes erstrebt dein Wunsch, o Phaethon, was den geringen
Kräften mit nichten geziemt, noch so unmännlichen Jahren.
Dir fiel sterbliches Loos; nicht sterblich ist, was du begehrest.
Höheres gar, als was zu erreichen den Himmlischen möglich,
Forderst du ohne Bedacht. Sich selbst mag jeder genügen;
Aber von allen vermag auf der feurigen Achse zu stehen
Keiner denn ich. Der Beherrscher sogar von dem weiten Olympus,
Der mit der schrecklichen Hand hinschmettert vernichtende Blitze,
Lenkt nicht dieses Gespann: und was gleicht Jupiters Größe?
Steil ist der Weg im Beginn, wo kaum in der Frühe die frischen
Rosse sich mühen hinan. Hoch steigt er in Mitten des Himmels,
Wo tief unten das Meer und die Lande zu sehen mir selber
Oftmals graut, und die Brust mir erbebt vor banger Besorgniß.
Jäh ist am Ende die Bahn und bedarf der sicheren Leitung.
Dann ist Thethys sogar, die mich in dem Schooß der Gewässer
Unten empfängt, in Furcht, daß schwindligem Sturz ich erliege.
Denke dazu, daß gerafft von ständigem Schwunge der Himmel[42]
Mitzieht hohe Gestirn' und in eiligem Wirbel herumdreht.
Gegen ihn streb' ich mit Macht, und der Kraft, die alles bewältigt,
Trotz' ich und lenke die Fahrt entgegen der wälzenden Kreisung.
Laß dein sein das Gespann: was thätest du? Kannst du dich stemmen
Wider den rollenden Pol, daß nicht dich entführte die Achse?
Haine vielleicht auch dort und Häuser und Städte zu finden
Wähnst du in deinem Gemüth, und Tempel mit reichen Geschenken:
Durch Nachstellungen gehet der Weg und Gebilde von Thieren.
Wenn du die Bahn auch hältst und nie abschweifst in die Irre,
Mußt du durch das Gehirn des begegnenden Stieres dich winden,
Durch des Centauren Geschoß und den Rachen des grimm'gen Löwen,
Am Scorpion auch hin, der krümmet die dräuenden Scheeren
Weit ausgreifend im Kreis, und am Krebs, der anders sie krümmet.
Auch ist dir das Gespann, vom sprühenden Feuer getrieben,
Das es verschließt in der Brust und aus Maul und Nüstern hervorschnaubt,
Nicht zu bändigen leicht. Kaum leiden mich selber die Rosse,
Wenn heiß dränget der Muth, und der Nacken erwehrt sich der Zügel.
Drum, daß nicht ich dir sei unseliger Gabe Verleiher,
Hüte dich, Sohn, und bess're den Wunsch, da noch es vergönnt ist.
Daß du von unserem Blut dich glaubest erzeugt mit Gewißheit,
Willst du ein sicheres Pfand. Ich gebe das Pfand durch Besorgniß:
Väterlich Bangen erweis't als Vater mich. Schau und betrachte
Nur mein Gesicht! O könntest du mir in den Busen das Auge
Senken und innen die Angst des liebenden Vaters erkennen!
Ja, was immer die Welt – blick' um dich – heget an Reichthum,
Unter dem Köstlichen all auf Erden, im Meer und im Himmel[43]
Wähle dir irgend ein Gut: nicht soll Fehlbitte dich kränken.
Steh' von dem Einen nur ab, was Strafe mit richtigem Namen,
Ruhm nicht ist. Zum Geschenk, o Phaethon, heischest du Strafe.
Was umfängst du den Hals mir, Thor, mit schmeichelnden Armen?
Zweifle nicht, du erlangst, – ich schwor bei den stygischen Fluten –
Was du immer gewünscht; doch mußt du verständiger wünschen.«
Also mahnte der Gott. Doch jener verschmähte die Warnung
Und hält fest am Entschluß und brennt vor Begier nach dem Wagen.
Drum, so lang es vergönnt, noch säumig geleitet der Zeuger
An Vulcanus' Geschenk den erhabenen Wagen, den Jüngling.
Dran war golden die Achs' und dunkel die Deichsel und golden
Außen am Rade der Kranz und silbern die Reihe der Speichen.
Chrysolithen am Joch und gereihte Edelgesteine
Gaben die Strahlen zurück dem widergespiegelten Phöbus.
Als noch dies und die Kunst der muthige Phaethon staunend
Musterte, sieh, da thut im gerötheten Osten Aurora
Wach das purpurne Thor schon auf und den rosenbestreuten
Vorhof. Bald ist das Heer der Gestirne verscheucht, und den Zug schließt
Lucifer, welcher zuletzt abzieht von der Wache des Himmels.
Wie er der Erd' ihn sah sich nah'n und sich röthen das Weltall
Und gleichsam an dem Monde die Enden der Hörner vergehen,
Heißt der Titan das Gespann anschirren die hurtigen Horen.
Rasch ist gethan das Gebot, und die glutausschnaubenden Renner,
Die mit Ambrosiasaft sich gesättiget, führen von hohen
Krippen die Göttinnen her und befestigen klirrende Zäume.
Jetzo bestrich dem Sohne mit heiliger Salbe das Antlitz
Phöbus und ließ ihm Kraft zu bestehen die sengende Flamme,[44]
Und mit Strahlen umgab er sein Haar und ahnend das Unheil
Drängte er Seufzer hervor aus bekümmertem Herzen und sagte:
»Kannst du wenigstens hier des Vaters Ermahnungen folgen:
Schone den Stachel, o Sohn, und kräftiger brauche die Zügel.
Selbst da eilen sie schon. Müh ist's, ihr Streben zu hemmen.
Auch nicht wähle die Bahn durch die fünf gradlaufenden Bogen.
Schräg hin zieht sich ein Pfad in weit abbiegender Krümmung,
Der mit der Grenze begnügt von dreien der Zonen vermeidet
So den südlichen Pol wie am nördlichen Himmel den Bären:
Dort einschlage den Weg. Du erkennst noch deutliche Gleise.
Und daß Himmel und Erd' empfahn gleichmäßige Wärme,
Senke du nicht, noch treib' in die Höhe des Aethers den Wagen.
Gehst du hinauf zu hoch, so verbrennst du die himmlischen Häuser;
Gehst du zu tief, die Erd'; am sichersten hältst du die Mitte.
Daß auch nicht rechtsab zur gewundenen Schlange dich reiße,
Noch dich führe das Rad linksab zum gesenkten Altare,
Halte dazwischen die Bahn. Des Weiteren walte Fortuna!
Möge sie besser als du Acht haben und helfen: ich wünsch' es.
Während ich rede, berührt das Ziel am hesperischen Strande
Längst die thauige Nacht. Nicht frei steht längere Säumniß.
Auf denn, es drängt! Hell glänzt, da geflohen das Dunkel, Aurora.[45]
Nimm die Zügel zur Hand! Doch bist im Gemüthe du lenksam,
Mache dir unseren Rath, nicht unseren Wagen zu Nutze,
Da du es kannst und Stand noch hast auf gediegenem Grunde,
Eh rathlos du beschwerest die leider begehrete Achse.
Daß du sicher es schaust, laß Licht mich geben den Ländern.«
Leicht im Schwunge besteigt den flüchtigen Wagen der Jüngling
Und steht oben und hält in der Hand die gegebenen Zügel
Freudig und dankt von da dem nicht gutheißenden Vater.
Pyrois, Aethon indeß und Eous und Phlegon der vierte,
Phöbus' Flügelspann, erfüllen die Lüfte mit Wiehern
Flammenden Hauchs und schlagen im Drang mit den Hufen die Barren.
Als die Tethys zurück, nicht ahnend des Enkels Verhängniß,
Hatte geschoben, und frei dalag der unendliche Weltraum,
Stürzen sie hastig dahin, und die Luft mit den Hufen zertheilend
Bahnen sie sich durch Wolken den Weg, und von Schwingen gehoben
Eilen dem Ost sie voraus, der weht von derselbigen Gegend.
Aber die Last war leicht und nicht zu verspüren dem edeln
Sonnengespann, und das Joch entbehrte der sonstigen Schwere.
So wie das bauchige Schiff, dem fehlt die gebührende Ladung,
Schwankt und, weil es zu leicht, haltlos auf dem Meere dahintreibt,
Also, befreit vom gewohnten Gewicht, thut Sprünge der Wagen,
Und hoch wird er geschnellt in die Luft und erscheint wie ein leerer.
Aber das Viergespann stürzt wild, wie es solches gewahret,
Von dem befahrenen Raum und läßt von der früheren Ordnung.
Jener in Angst weiß nicht die vertraueten Zügel zu lenken,
Noch auch, welches der Weg, und wüßt' er es, wär' er doch machtlos.
Jetzt erwarmten zuerst von den Strahlen die kalten Trionen,[46]
Und sie versuchten umsonst in verbotene Flut sich zu tauchen,
Die sich gelagert zunächst dem eisigen Pole, die Schlange,
Träge von Kälte zuvor und keinem ein Bild des Entsetzens,
Thauete auf und schwoll von der Glut zu neuem Ergrimmen.
Du auch flohest gestört nach der Sage von hinnen, Bootes,
Ob auch säumig du warst und dich dein Wagen zurückhielt.
Doch als Phaethon jetzt, der unglückselige, schaute
Hoch vom Aether hinab auf die tief tief liegenden Länder,
Ward er bleich, und die Knie erbebten in plötzlichem Schrecken;
Und bei dem blendenden Licht umzog ihm Dunkel die Augen.
Hätt' er doch nie, so wünscht er, berühret die Rosse des Vaters!
Hätt' er doch nimmer erkannt das Geschlecht und erreicht das Verlangen!
Merops' Sohn gern blieb er genannt. Nun irret er unstät
Wie vor dem stürmenden Nord ein Schiff, wenn die Zügel in Ohnmacht
Frei sein Lenker ihm gibt und es Göttern vertraut und Gelübden.
Was nun thun? Viel hat er bereits vom Himmel im Rücken;
Vor ihm dehnet sich mehr. Im Geiste bemißt er die Strecken.
Vorwärts bald, wohin das Geschick zu gelangen ihm wehret,
Schaut er, zum Untergang; bald rückwärts schaut er zum Aufgang.
Rathlos starrt er in Angst und läßt nicht fahren die Zügel,
Noch auch zieht er sie an, noch weiß er die Namen der Rosse.
Hier und da auch sieht er mit Zittern am wechselnden Himmel
Wundergestalten zerstreut und Gebilde von dräuenden Thieren.
Südwärts zeigt sich ein Ort, wo die Scheeren in doppelter Windung
Krümmet der Scorpion und beugend den Schwanz und die Arme[47]
In den Bereich von zwei Sternzeichen die Glieder hinausreckt.
Als den Phaethon sah, wie er troff vom Schweiße des schwarzen
Giftes und ihn mit dem Stich des gebogenen Stachels bedrohte,
Ließ er vor eisigem Schreck sinnlos aus den Händen die Zügel.
Als die aber erschlafft nun oben die Rücken berührten,
Schweifen die Rosse vom Weg und sprengen von keinem gehalten
Durch den entlegensten Raum, und wohin sie treibt das Gelüste,
Jagen sie ohne Gesetz, und an Sterne, die oben im Aether
Fest stehn, rennen sie an und raffen den Wagen durch Wildniß.
Bald in schwindelnde Höhn, bald fahren sie jach in die Tiefe
Auf abschüssigem Pfad und gehn ganz nah an der Erde,
Und mit Verwunderung sieht tief unter dem ihrigen Luna
Laufen des Bruders Gespann und es dampfen gesenkt die Gewölke.
Feuer ergreift nunmehr an den ragenden Höhen die Erde:
Berstend zerreißet der Grund und lechzt, da die Säfte versieget.
Dürr entfärbt sich das Gras; mit dem Laube verbrennen die Bäume,
Und die getrocknete Saat gibt Stoff dem eignen Verderben.
Kleiner Verlust! Mit den Mauern vergehn großmächtige Städte;
Ganze Länder sogar mitsammt den bewohnenden Völkern
Wandelt in Asche der Brand. Mit den Bergen entbrennen die Wälder.
Athos, Tmolus entbrennt, der cilicische Taurus und Oete,
Ida, trocken anjetzt, vormals reichhaltig an Quellen,
Helicons Jungfraunhöh' und der später öagrische Hämos.
Von der gedoppelten Glut brennt nun ins Unendliche Aetne;
Auch der getheilte Parnaß und Cynthus und Othrys und Eryx,
Rhodope auch, nun endlich des Schnees entbehrend, und Mimas;
Dindyma, Mycale brennt und zur Feier erkoren Cithäron.[48]
Keinen Gewinn vom Frost hat Scythien: Caucasus brennet:
Ossa mit Pindus zugleich und groß vor beiden Olympus,
Luftige Alpenhöhn und der wolkige Apenninus.
Da sieht Phaeton nun, wie auf jeglicher Seite der Erdkreis
War von den Flammen erfaßt, und er kann nicht tragen die Hitze.
Kochende Luft, gleichwie dem Schlunde des Ofens entstiegen,
Athmet er ein, und fühlt, wie unter ihm glühet der Wagen,
Und nicht kann er die Asch' und die aufwärts fliegenden Funken
Länger bestehn, und es hüllet ihn rings heißqualmender Rauch ein.
Schwarz von Dunkel umdrängt weiß nicht er, wohin er sich wende,
Noch wo er sei, und er irrt nach Gefallen der fliegenden Rosse.
Damals trat, wie man glaubt, das Blut Aethiopiens Völkern
Bis in die äußerste Haut und brachte die dunkele Farbe.
Libyen ward damals, weil Glut aufzehrte die Nässe,
Trockener Sand. Damals mit zerstreueten Haaren beweinten
Quellen die Nymphen und Seen. Es vermißt die pirenischen Wellen
Ephyre, Argos vermißt Amymóne, Böotien Dirce.
Nicht die Flüsse sogar, die empfangen geschiedene Ufer,
Bleiben verschont. Sieh, Tanais dampft in Mitten der Wellen,
Auch Peneos der Greis und der Teuthranteer Caicus
Und mit dem phegischen Strom Erymanthus der rasche Ismenos,
Xanthus bestimmt zu erueuetem Brand und der gelbe Lycormas
Und der treibet sein Spiel mit geschlängelten Wellen, Mäandros,
Melas Mygdoniens Fluß und der Tänarusstrom Eurotas.
Babylons Strom auch brennt, Euphrates; es brennet Orontes,
Ganges, Phasis zugleich und der schnelle Thermodon und Ister.
Siedend empört sich Alpheos, es brennt Spercheos' Gestade,
Und von den Gluten zerfließet das Gold, das Tagus herabführt.[49]
Die mit hellem Gesang die mäonischen Ufer erfüllten,
Wurden gewärmt, die Vögel der Flut, im Bett des Caystros.
Fern an's Ende der Welt entwich der erschrockene Nilstrom,
Und er versteckte das Haupt, das er jetzt noch birgt, und die sieben
Mündungen lagen in Staub, nun sieben vertrocknete Thäler.
Gleiches Geschick entleert die Ismarier Hebrus und Strymon,
Padus und Rhodanus auch und den Rhein, die hesperischen Ströme,
Und, dem Obergewalt auf Erden verheißen, den Thybris,
Allorts berstet der Grund; in den Tartarus dringt durch die Spalten
Helle des Tags und schreckt mit der Gattin den König der Tiefe.
Selber das Meer sinkt ein, und ein Feld von trockenem Sande
Steht, wo See jüngst stand, und Höhen, die unter der Fläche
Ruheten, steigen hervor und mehren zerstreute Cycladen.
Rettung sucht auf dem Grunde der Fisch, und über die Wogen
Wagt sich der krumme Delphin nicht mehr in die Lüfte zu schnellen.
Leblos schwimmen gestreckt auf den Rücken die Leiber von Robben
Oben umher auf der Flut. Selbst Nereus, meldet die Sage,
Hielt sich mit Doris versteckt und den Töchtern in laulichen Grotten.
Dreimal wagte Neptun aus dem Wasser zu heben die Arme
Und sein finstres Gesicht. Drei Male vertrieb ihn die Hitze.
Aber umströmt, wie sie war, hob jetzo die gütige Erde
Zwischen den Wassern der See und all den geflüchteten Quellen,
Die sich zusammengedrängt in den Schooß der dunkelen Mutter,
Bis zum Halse gedörrt ihr allerzeugendes Antlitz
Und hielt schützend die Hand an die Stirn und bebte gewaltig
Alles erschütternd umher und versank um weniges tiefer,
Als sie gewöhnlich erscheint, und sprach mit dem heiligen Munde:
»Willst du es so, und hab' ich's verdient, was, höchster der Götter,[50]
Zaudert dein Blitz? Laß mich, wenn ich doch durch Feuer vergehn soll,
Durch dein Feuer vergehn! Im Verderb sei Trost der Verderber!
Kaum noch kann ich die Kehl' aufthun, um solches zu reden –
Dampf schloß eben den Mund – Sieh hier die versengeten Haare;
Siehe die Augen erfüllt und erfüllt von Asche das Antlitz!
Gibst du also mir Dank und Lohn für gedeihliches Schaffen
Und für treulichen Dienst, daß Wunden ich dulde vom Karste
Und von gebogenem Pflug und ständig im Jahre gequält bin,
Daß ich dem Vieh sein Laub und die harmlose Speise der Feldfrucht
Reiche dem Menschengeschlecht und euch süßduftenden Weihrauch?
Aber, wenn ich das Verderben verwirkt, was haben die Wellen,
Was dein Bruder verwirkt? Warum denn fallen die Fluten,
Die ihm das Loos zusprach, und stehen vom Aether entfernter?
Doch wenn weder zu mir, noch Liebe zum Bruder dich rühret,
Rühre dir doch dein Himmel das Herz. Schau um nach den Polen:
Beiden entsteigt schon Rauch. Wenn diese das Feuer versehret,
Stürzet das himmlische Haus euch ein. Schwer mühet sich Atlas,
Und kaum hält er gestützt mit den Schultern die glühende Achse.
Geht zu nichte das Meer und die Erd' und die Feste des Himmels,
Dann in den Chaos zurück versinken wir. Rett' aus den Flammen,
Was noch übrig verblieb, und berathe das Beste des Weltalls.«
Also hatte die Erde gesagt; denn nimmer ertragen
Konnte sie länger den Qualm, noch Weiteres reden; das Antlitz
Zog sie zurück in sich und in Höhlen, die näher den Manen.
Aber die Himmlischen nimmt der allmächtige Vater zu Zeugen
Und ihn selbst, der geliehn das Gespann, daß alles verderbe,
Rett' er nicht in der Noth. Und er steigt auf die oberste Zinne,
Wo er Gewölk anhäuft und weit umziehet die Lande,[51]
Wo er den Donner erregt und schleudert geschwungene Blitze.
Aber Gewölk war nicht, womit er umzöge die Lande,
Noch war Regen ihm jetzt zu Gebot, den er gösse vom Himmel.
Donner erscholl, und rechts vom Ohr auf den Lenker des Wagens
Sandt' er im Schwunge den Blitz, und vom Leben zugleich und den Rädern
Rafft' er ihn weg und bezwang mit schrecklicher Flamme die Flammen.
Scheu fährt auf das Gespann und reißet im Sprung auf die Seite
Schleunig den Hals aus dem Joch und verläßt die zersprengeten Riemen
Dorthin fällt das Gebiß, und dort von der Deichsel gerissen
Lieget die Achs' und hier die Speichen zerbrochener Räder,
Und weit fliegen zerstreut vom zertrümmerten Wagen die Reste.
Phaeton aber, vom Brande die röthlichen Haare verwüstet,
Stürzt kopfüber hinab, und im Strich langhin durch die Lüfte
Flieget er, wie wenn ein Stern bisweilen dem heiteren Himmel
Wenn nicht wirklich entfällt, doch scheint, als ob er entfiele.
Fern vom heimischen Land nimmt jenen im Westen der große
Strom Eridanus auf und bespült sein rauchendes Antlitz.
Vom dreizackigen Strahl noch rauchend bestatten den Leichnam
Nymphen hesperischer Flut und zeichnen den Stein mit dem Denkspruch:
»Phaethon ruht allhier, der lenkte den Wagen des Vaters.
Wenn er ihn auch nicht hielt, doch sank er in großem Beginnen.«[52]
Denn sein Vater verbarg trostlos in schmerzlicher Trauer
Sein umhülltes Gesicht, und – wofern wir glauben der Sage –
Ohne die Sonne verging ein Tag. Die Lohe gewährte
Helle des Tags, und es bot doch einigen Nutzen das Unheil.
Clymene aber, nachdem sie gesagt, was alles zu sagen
Bei so schwerem Geschick, durchwanderte jammernd und sinnlos
Und mit zerrissenem Kleid am Busen die sämmtlichen Lande;
Suchend die Glieder zuerst, bald nur die Gebeine des Todten,
Fand die Gebeine sie doch am fremden Gestade begraben,
Warf an der Stätte sich hin und begoß mit Zähren den Namen,
Den auf dem Marmor sie las, und wärmt' ihn am offenen Busen.
Ebenso weih'n Wehklag' und Thränen des Helios Töchter,
Eitele Gabe dem Tod, und die Brust mit den Händen sich schlagend
Rufen sie ihn, der nimmer vernimmt die schmerzlichen Klagen,
Phaethon, Tag und Nacht und werfen sich über das Grabmal.
Viermal war's, daß Luna den Kreis mit vereinigten Hörnern
Füllete: jene nach Brauch – Brauch ward aus dem steten Gebahren –
Schrieen ihr Ach und Weh. Da klagt Phaethusa, der Schwestern
Aelteste, als sie den Leib auf die Erde gedachte zu lagern,
Daß ihr die Füße erstarrt. Die lichte Lampetie trachtet
Helfend der Schwester zu nah'n und haftet an plötzlicher Wurzel.
Als mit den Händen das Haar sich wollte zerzausen die Dritte,
Raufet sie Laub. Die siehet mit Angst, wie die Schenkel ein Stamm hält;
Jene, wie länger gedehnt zu Aesten ihr werden die Arme.
Während sie staunen darob, umzieht schon Rinde die Weichen,[53]
Und nach einander um Bauch und Brust und Schultern und Hände
Schlingt sie sich; frei war nichts, als der Mund, der rief nach der Mutter.
Was kann diese noch thun als hierhin eilen und dorthin,
Wo sie das Herz hinzieht, und küssen, so lang es vergönnt ist?
Das nicht blos: sie versucht von den Stämmen zu reißen die Leiber
Und mit der Hand das zarte Gezweig zu brechen. Da rinnen
Blutige Tropfen herab, gleichwie aus offener Wunde.
»Mutter, o schone doch mein! – ruft jegliche, wie sie verletzt wird –
Schone doch mein! Mein Leib ja wird in dem Baume zerrissen.
Lebe denn wohl!« Und Rinde verschloß die redenden Lippen.
Thränen noch fließen heraus und erstarren vom jungen Gezweige
Tropfend am sonnigen Strahle zu Bernstein, welchen der klare
Strom aufnimmt und sendet zum Schmuck den latinischen Frauen.
Zeuge des Wundergeschicks war Cycnus, des Sthenelus Sprößling,
Welcher, obwohl durch Blut dir verwandt von Seiten der Mutter,
Näher dir, Phaethon, stand durch treue Gesinnung. Verlassen –
Denn der Ligurer Volk und mächtige Städte beherrscht' er –
Hatt' er sein Reich und erfüllt mit Klagen die grünenden Ufer[54]
Und des Eridanus Strom und den Wald, den mehrten die Schwestern.
Siehe, verdünnt ist die Stimme dem Mann, und weißes Gefieder
Macht unkenntlich das Haar, und lang von der Brust in die Höhe
Streckt sich der Hals, und ein Band verknüpft die gerötheten Zehen;
Fittige wachsen ihm an; stumpf ragt ein Schnabel am Munde.
Neu wird Cycnus ein Schwan, und er traut nicht Jupiters Himmel,
Wie des Feuers gedenk, das jener gesendet mit Unrecht;
Weiher bewohnt er und offene Seen, und hassend das Feuer
Hat er gewählt zum Sitze der Glut feindselige Wasser.
Phaethons Vater indeß im Trauergewand und entbehrend
Selber der schimmernden Pracht, wie er pfleget zu sein, wenn er finster
Mangelt der Welt, verwünschet das Licht und sich mit dem Tage,
Senkte in Trauer das Herz und fügt noch Groll zu der Trauer,
Und er verweigert der Welt den Dienst. »Unruhig – begann er –
War zur Genüge mein Loos von der Zeiten Beginn, und es reut mich
Jetzo der Müh'n, die ich ohn' End', ohn' Ehre bestanden.
Fahre denn nun, wer will, den Licht herführenden Wagen,
Und mag keiner, gestehn die Ohnmacht sämmtliche Götter,
Fahr' er selbst, daß doch, wenn er unsere Zügel versuchet,
Einmal ruhe der Blitz, womit er verwaiset die Väter.
Hat er gespüret die Kraft der feurigen Renner, so sieht er,
Daß nicht Tod sich verwirkt, wer nicht sie tüchtig gelenket.«
Als so redete Sol, umstehen ihn alle die Götter:
Daß er mit finsterer Nacht nicht wolle verhüllen das Weltall,
Bitten sie flehenden Tons. Das geschleuderte Feuer entschuldigt
Jupiter auch und fügt noch königlich Drohen zur Bitte.
Da holt ein die vom Schreck noch betäubten und bebenden Rosse
Phöbus und läßt dran aus mit Stachel und Geißel den Ingrimm;
Denn Grimm hegt er und schiebt auf jene des Sohnes Verderben.[55]
Achtsam aber umgeht der allmächtige Vater des Himmels
Riesige Mauern und forscht, ob nichts einstürze, zerrüttet
Durch des Feuers Gewalt. Wie er fest noch alles gefunden
Und im tüchtigen Stand, durchspäht er die Erd' und der Menschen
Arbeit. Aber zumeist für sein Arcadien ist er
Liebend besorgt. Neu stellet er her die Quellen und Flüsse,
Die noch scheuen den Lauf; Gras gibt er dem Boden, den Bäumen
Wieder ihr Laub und heißt frisch grünen beschädigte Wälder.
Während er geht und kommt, hat eine nonacrische Jungfrau
Fest ihn gebannt, und es glimmt im Mark das empfangene Feuer.
Nicht war jener Geschäft die Wolle geschmeidig zu ziehen,
Noch zu verändern das Haar in Tracht. Wenn die Spange das Kleid ihr
Und ein schneeiges Band nachlässige Locken gefesselt,
Und den geglätteten Spieß sie führete oder den Bogen,
War sie in Phöbus' Gefolg, und der Trivia werther besuchte
Keine des Mänalos Höh'n. Doch Macht ist nimmer beständig.
Ueber die Mitte hinaus stand hoch am Himmel die Sonne,
Als sie trat in den Hain, den kein Zeitalter gelichtet.
Drauf von der Achsel entnahm sie den Köcher und spannte den straffen
Bogen zurück und ließ auf dem grasigen Boden sich nieder,
Und ausruhend beschwert' ihr Haupt den bebilderten Köcher.[56]
Jupiter, wie er sie sah daliegen von keinem gehütet,
Sprach: »Diesmal wird nichts von dem Handel erfahren die Gattin,
Oder erfährt sie es auch: was kann ihr Schelten mich kümmern?«
Gleich nun zeiget er sich in Gestalt und Tracht der Diana:
»Jungfrau – sagt er zu ihr – du meiner Gefährtinnen eine,
Wo im Gebirg' heut' hast du gejagt?« Sie erhebt sich vom Rasen:
»Sei mir – sprach sie – gegrüßt, o Gottheit meines Bedünkens
Höher, und hört' er es selbst, als Jupiter!« Lachend vernimmt er's,
Froh, daß sie über ihn selbst ihn stellt, und bedeckt sie mit Küssen
Nicht in züchtigem Maß und nicht nach Sitte der Jungfrau.
Wie sie beginnt, in welchem Gehölz sie gejagt, zu erzählen,
Hindert er durch Umfahn, nicht ohne Vergehn sich verrathend.
Zwar sie kämpfet und ringt, so viel ein Mädchen vermögend –
Sähest du zu, o Tochter Saturns, du wärest gelinder! –
Zwar sie ringt; doch welch ein Weib, ja wer von den Göttern
Hielte vor Jupiter Stand? Siegreich kehrt wieder zum Aether
Jupiter. Ihr ist verhaßt das Gebüsch und die wissende Waldung,
Und sie vergaß, wie sie wandte den Fuß, fast Köcher und Pfeile
Aufzuheben vom Gras und vom Aste zu nehmen den Bogen.
Sieh, Dictynna einher auf der Höhe des Mänalos schreitend,
Von dem Gefolg umringt und stolz auf des Wildes Erlegung,
Wird sie gewahr und rufet sie her. Die Gerufene fliehet
Und hegt Furcht im Beginn, daß Jupiter sei in der Jungfrau.
Als sie jedoch nun auch sah nah'n die begleitenden Nymphen,
Wußte sie, Trug sei fern, und trat in die Reihe der Andern.
Ach, wie fällt es so schwer, Schuld nicht zu verrathen im Antlitz?
Kaum vom Boden erhebt sie den Blick; nicht ist sie der Göttin
Immer zur Seite wie sonst und nicht im Zuge die Erste,
Sondern sie schweigt und beweist die beleidigte Scham durch Erröthen.
Wäre sie Jungfrau nicht, wohl konnte Diana an tausend
Zeichen erkennen die Schuld. Die Nymphen erkannten sie, sagt man.[57]
Wieder erhoben am Mond sich die Hörner zum neunten der Kreise,
Als beim Jagen, erschöpft von den Flammen des Bruders, die Göttin
Kam in ein kühles Gehölz, aus dem mit Gemurmel ein Bächlein
Rann und im gleitenden Lauf mitrollte geglättete Steinchen.
Wie sie die Stätte gelobt, senkt leicht sie den Fuß in die Wellen;
Die auch lobt sie und spricht: »Nah ist kein spähender Zeuge;
Laßt uns baden den Leib in den überströmenden Wassern.«
Schamroth steht die Parrhaserin da. Sie entkleiden sich alle;
Eine nur suchet Verzug; der Zögernden nimmt man die Hülle.
Wie das Gewand hinfällt, wird sichtlich die Schuld mit der Nacktheit.
Jene gedachte bestürzt mit den Händen den Schooß zu verdecken:
»Geh – sprach Cynthia – fern von hier, daß die heilige Quelle
Nicht du entweihst!« und gebot ihr zu weichen aus ihrem Gefolge.
Längst schon hat' es gemerkt des mächtigen Donnerers Gattin
Und auf gelegene Zeit die empfindliche Rache verschoben.
Grund ist nicht zum Verzug; denn schon war Arcas der Knabe –
Dieses zumeist war Juno's Verdruß – von der Buhle geboren.
Als sie den zornigen Sinn auf ihn mit dem Auge gerichtet:
»Das noch hatte gefehlt fürwahr, Ehbrecherin, – sprach sie –
Daß Frucht reifte von dir, und ruchbar wurde die Kränkung
Durch die Geburt und meines Gemahls Unehre bezeuget.
Du sollst büßen dafür. Ich will die Gestalt dir benehmen,
Freche, darin du gefällst dir selber und unserem Gatten.«
Sprach's und faßte sie vorn an der Stirn bei den Haaren und warf sie
Mit dem Gesicht auf den Grund. Demüthig erhob sie die Arme:
Sieh, da hüllten sich rauh in schwärzliche Zotten die Arme,
Und krumm wurden die Händ' und erwuchsen zu kralligen Tatzen,
Nun als Füße gebraucht, und durch weitoffenen Rachen
Ward entstellt das Gesicht, das Jupiter hatte gepriesen.
Daß auch Bitten das Herz nicht rührten und flehende Worte,
Wird ihr die Sprache geraubt. Ein Laut nur zornig und drohend
Und voll Schrecken und Graus entringt sich der heiseren Kehle.
Aber der frühere Sinn bleibt auch, da sie Bärin geworden,
Und sie bekundet den Schmerz durch unablässiges Stöhnen
Und hebt so, wie sie sind, zu Himmel und Sternen die Hände[58]
Und klagt Jupiter an, weil Rede gebricht, in Gedanken.
Ach, wie irrte sie oft, da sie nicht in der Oede des Waldes
Wagte zu ruhn, vor dem Haus und im Feld, das selbst sie besessen!
Ach, wie oft durch Felsen gejagt vom Bellen der Hunde
Floh sie dahin voll Angst, die Jägerin bang vor den Jägern!
Oft wenn sie Wild gesehn, versteckt sie sich ihrer vergessend,
Und vor Bären erschrickt, die sie schaut im Gebirge, die Bärin,
Und sie erbebt vor Wölfen, wiewohl ihr Vater dabei war.
Siehe, der Sproß von Lycaons Geschlecht, nicht kennend die Mutter,
Arcas erscheint, dem fast dreimal fünf Jahre vergangen.
Während er folget dem Wild und gütige Forste sich aussucht
Und mit geflochtenem Garn umstellt erymanthische Waldung,
Stößet die Mutter ihm auf, und sobald sie gewahret den Arcas,
Stehet sie still und gleicht der Erkennenden. Jener erschrocken
Bebt – denn er kannte sie nicht – vor ihr, die das starrende Auge
Endlos richtet auf ihn, und da näher zu gehn sie begehrte,
Wollt' er die Brust ihr schon durchbohren mit tödtlicher Waffe.
Doch der Allmächtige schützt, und zugleich sie selbst und die Unthat
Hebt er hinweg, und im Sturm durch luftige Leere sie raffend
Stellt er am Himmel sie hin und macht sie zu nahen Gestirnen.[59]
Da schwoll Juno im Zorn, als unter den Sternen die Buhle
Leuchtete. Nieder zum Greis Oceanus und zu der grauen
Thethys stieg sie in's Meer, die oft schon weckten den Göttern
Heilige Scheu, und gefragt um des Wegs Ursache begann sie:
»Was vom ätherischen Sitz der Unsterblichen Königin führe,
Fragt ihr, zu euch? Jetzt herrscht ein anderes Weib in dem Himmel.
Lügnerin heiß' ich, wofern, wenn die Nacht verfinstert das Weltall,
Hoch am Himmel ihr nicht die neulich verherrlichten Sterne,
Mein Leidwesen, erblickt dort, wo um das Ende der Achse
Sich der äußerste Kreis und im Raume der kürzeste windet.
Soll noch Einer sich scheu'n die Juno zu kränken und zittern
Vor der Beleidigten Zorn, die allein nur nützt, wo sie schadet?
Seht, was ich Großes gethan, wie endlos meine Gewalt ist!
Mensch nicht ließ ich sie sein, sie ist Göttin. Also verhäng' ich
Strafe dem schuldigen Thun; so weit reicht unser Vermögen!
Lass' er die alte Gestalt doch kehren und schwinden des Raubthiers
Züge, wie schon er gethan bei der Phoronide von Argos.
Warum freit er sie nicht und führet sie Juno verstoßend
In mein Ehegemach und nimmt zum Schwäher Lycaon?
Aber wofern euch rühret die Schmach des beleidigten Zöglings,
Haltet vom bläulichen Grund stets ferne die sieben Trionen,[60]
Und das Gestirn, das steht am Himmel zum Lohne der Unzucht,
Scheucht, daß nicht in die lautere Flut sich tauche die Buhle.«
Folgsam nickten des Meers Gottheiten. Auf lenksamem Wagen,
Steiget die Tochter Saturns in die Luft mit den farbigen Pfauen,
Denen der farbige Glanz jüngst ward nach Argus' Erlegung,
Aehnlich wie jüngst auch du dich kleidetest, schwatzender Rabe,
Während du weiß erst warst, urplötzlich in schwarzes Gefieder.
Silbern erglänzte zuvor mit schneeigen Federn der Vogel,
Daß den Tauben er glich, daran kein Makel zu sehen,
Und mit den Gänsen sich maß, die mit wachsamer Stimme bewahrten
Roms Capitol nachmals, und mit wellenbefreundeten Schwänen.
Ihm war die Zunge Verderb. Durch Schuld der geschwätzigen Zunge
Hat sich das blendende Weiß in dunkele Farbe gewandelt.
Reizender war kein Weib im Hämonierland, als Coronis
Aus Larissa entstammt. Du liebtest sie, delphischer Jüngling,
Als keusch oder belauscht von Keinem sie war. Doch des Phöbus
Vogel ertappte sie einst in Buhlschaft, und zu entdecken
Jenem die heimliche Schuld, ein unnachsichtiger Bote,
Nahm er schleunig den Weg zum Herrn. Mit geschwungenen Flügeln
Folgt ihm, daß sie genau es erführe, die plaudernde Krähe.
Als sie vernommen des Wegs Ursache, begann sie: »Zum Heil nicht[61]
Thust du den Gang. Gib Acht, was unsere Zunge voraussagt!
Sieh, was ich war, was ich bin, und frage, warum es geschehen:
Treue, so wirst du ersehn, war Verderb. Einst hatte den Sprößling,
Welchen gebar kein Weib, Erichthonius, Pallas verschlossen
In dem geflochtenen Korb, der gemacht von actäischem Reisig,
Und ihn vertraut den drei Jungfrauen, des doppelten Cecrops
Töchtern, zur Hut, doch sollten sie nicht das Verborgene schauen:
Mitten im regsamen Laube versteckt auf der buschigen Ulme
Sah ich spähend ihr Thun. Das Vertrauete wahren die beiden,
Herse und Pandrosos, treu. Doch Eine der Schwestern, Aglauros,
Nennet sie feig und trennt das Geflecht mit den Händen, und innen
Sehen sie liegen ein Kind und einen sich reckenden Drachen.[62]
Pallas thu' ich es kund. Dafür wird mir die Belohnung
Also gezollt, daß ich heiße verjagt aus dem Schutze Minerva's,
Und mich verdrängt der Vogel der Nacht. Dem Geflügel zur Warnung
Sei mein Loos, daß Keiner Gefahr mit der Stimme sich schaffe.
Aber von selbst wohl nicht, da nimmer ich solches begehret,
Wählte sie mich? Das magst du von Pallas selber erfragen.
Wie auch zürnend sie sei, nicht wird es die Zürnende leugnen.
Denn mich zeugte berühmt im phocischen Lande Coroneus –
Kund ist, was du da hörst – und ich war einst Königestochter
Und – nicht denke gering – von reichen Bewerbern begehret.
Schönheit war mir Verderb. Denn während ich einst, wie ich pflege,
Oben im Sand mich erging am Gestade mit langsamen Schritten,
Sah mich der Herrscher des Meers und erglühete, und wie er lange
Hatte verschwendet die Zeit mit Bitten und schmeichelnder Rede,
Sinnt er Gewalt und verfolgt. Ich flieh' und verlasse den festen
Strand und mühe mich ab umsonst in dem lockeren Sande.
Himmlische ruf' ich zum Schutz und Sterbliche; aber zu keinem
Menschen gelangte mein Ruf. Für die Jungfrau sorgte die Jungfrau,
Und sie rettete mich. Zum Himmel erhob ich die Arme:
Leichtes Gefieder begann die gehobenen Arme zu schwärzen.
Rückwärts war ich bemüht das Gewand von der Schulter zu werfen:[63]
Flaum war jenes und stak schon fest in der Haut mit den Wurzeln.
Jetzo versucht' ich die nackende Brust mit den Händen zu geißeln:
Nackende Brust war nicht, noch waren mir Hände geblieben.
Laufend erhob ich den Fuß: nicht hemmte der Sand ihn wie vormals;
Leicht nur schwebt' ich am Boden dahin, und bald in die Lüfte
Schwang ich mich auf und ward schuldlose Gefährtin Minerva's.
Doch was frommet mir das, wenn Nyctimene, welche zum Vogel
Ward durch gräßliche Schuld, auf uns in der Ehre gefolgt ist?
Oder ist dir noch nicht die Geschichte zu Ohren gekommen
Auf ganz Lesbos bekannt, wie Nyctime ihres Erzeugers
Lager entweiht? Auch jetzt als Vogel, bewußt des Verbrechens,
Flieht sie die Blicke der Welt und die Helle des Tags, und im Dunkel
Birgt sie die Schmach und wird von Allen verjagt aus dem Aether.«
Also plauderte sie. »Verwünscht – antwortet der Rabe –
Seist du mit deinem Geschwätz! Wir spotten der nichtigen Warnung.«
Und er vollbringt den begonnenen Weg und erzählt dem Gebieter,
Daß er Coronis gesehn bei einem hämonischen Jüngling.
Wie von der Schuld der Liebende hört, entfällt ihm der Lorbeer,
Und mit dem Schlägel verliert die Farbe zugleich und die heit're
Miene der Gott. Wie die Brust dann kochte von wallendem Zorne,
Rafft er die ständige Wehr, und spannt an den Hörnern ihn krümmend
Straff den Bogen und trifft die Brust, die zuvor an der seinen
Hatte geruht so oft, mit dem unvermiedenen Pfeile.
Doch die Getroffene ächzt und beströmt mit purpurnem Blute,
Als sie den Stahl auszog aus der Wunde, die blendenden Glieder;
Und sie begann: »Ich konnte den Fehl, o Phöbus, dir büßen,
Aber gebären zuvor. Zwei sterben wir nun in der Einen.«[64]
Weiteres nicht, und zugleich mit dem Blute verrann ihr das Leben.
In den entseeleten Leib zog ein die Kälte des Todes.
Ach, den Liebenden reut zu spät die grausame Strafe.
Und sich, daß er es hört' und so aufloderte, haßt er,
Haßt den Vogel zugleich, der ihn zu erfahren den Treubruch
Zwang, die Quelle des Grams; nicht minder die Hand und den Bogen
Hasset er und mit der Hand die zu voreiligen Pfeile,
Und die Gesunkene wärmt er und strebt zu zwingen das Schicksal
Durch zu spätes Bemühn und übt nichts fruchtende Heilkunst.
Als er verloren die Müh nun sah und errichtet den Holzstoß
Und zu verbrennen bereit in dem Leichenfeuer die Glieder,
Da stieß klagend der Gott – denn es ziemt nicht himmlischem Antlitz
Feucht von Thränen zu sein – aus innerstem Herzen gepreßte
Seufzer hervor, nicht anders, als wenn vor den Augen der Sterke
Schallenden Schlages das Beil, rechtsher vom Ohre geschwungen,
Plötzlich dem saugenden Kalb die gewölbete Schläfe zerschmettert.
Wie er jedoch auf die Brust dankmissende Düfte gegossen
Und sie umarmt und gethan, was wider Gebühr ihr gebührte,
Duldete Phöbus es nicht, daß auch sein Samen in Asche
Sänke mit ihr. Aus den Flammen hervor und dem Schooße der Mutter
Riß er den Sohn und trug ihn zur Höhle des zwiefachen Chiron.[65]
Doch ihm, welcher für sich den Lohn untrüglicher Zunge
Hoffte, dem Raben verbot er bei weißem Geflügel zu sitzen.
Aber der Halbmensch war auf den Zögling göttlichen Stammes
Stolz indeß, und er trug mit Freuden die ehrende Bürde.
Siehe, da kommt die Schultern umwallt von röthlichem Haupthaar
Chirons Tochter herzu, die am Ufer des reißenden Stromes
War in vergangener Zeit von der Nymphe Chariclo geboren
Und Ocyrrhoe hieß. Zu verstehen die Künste des Vaters
War noch nicht ihr genug; sie sang der Geschicke Geheimniß.
Die nun, wie im Gemüth sie ergriff weissagender Wahnsinn
Und sie erfüllte der Gott, den sie trug im Busen verschlossen,
Schaute das Kind und rief: »Heilbringer dem Kreise der Lande,
Wachse, du Knabe, heran! Dir werden der Sterblichen Leiber
Oftmals danken sich selbst. Du darfst das genommene Leben
Führen zurück; doch wagst du den Göttern zuwider es einmal,
Wird dies ferner zu thun dein Ahn mit der Flamme dir wehren.
Leichnam wirst du sodann, kein Gott mehr sein, und vom Leichnam
Wandelst du dich zum Gott, und zweimal wechselt dein Schicksal.
Du auch wirst, kein Sterblicher jetzt, o theuerer Vater,
Da dich bestimmt die Geburt zu bleiben in ewigen Zeiten,
Einst dir wünschen den Tod, wenn in den verwundeten Gliedern
Brennend dich martert und quälet das Blut der entsetzlichen Schlange.[66]
Dir, dem Ewigen, gibt dann Tod zu erleiden die Gottheit,
Und dir wird von den drei Göttinnen der Faden zerschnitten.«
Uebrig war vom Geschick noch Einiges. Tief aus dem Busen
Seufzet sie auf und benetzt mit quellenden Thränen die Wangen.
»Ach, mir kommet zuvor das Schicksal, – rief sie – versagt ist
Weiteres Wort, und der Stimme Gebrauch schon wird mir benommen.
So viel ist ja die Kunst nicht werth, die das Zürnen der Gottheit
Auf mich zog. O hätt' ich doch nimmer geschaut in die Zukunft!
Schon entweichet gemach – so scheint mir – das menschliche Antlitz,
Schon lockt Gras als Kost; schon durch die Gefilde zu laufen
Treibt mich die Lust. Die verwandte Gestalt der Stute gewinn' ich,
Aber warum denn ganz? Ist doch zweileibig mein Vater.«
Also redete sie, doch war am Schlusse die Klage
Wenig verständlich bereits, und es waren verworrene Worte;
Nicht mehr Worte sodann; doch schien's nicht Stimme des Rosses,
Nur als ob sie ein Roß nachahmete. Aber in kurzem
Wieherte wirklich ihr Mund, und sie neigte die Arme zum Grase.
Bald sind die Finger verknüpft, und je fünf Nägel verbindet
Mit fortgehendem Horn ein Huf. Zu größerer Weite
Dehnt sich der Mund und der Hals. Das Ende des wallenden Mantels
Wurde zum Schweif, und das Haar, wie es lose den Nacken bedeckte,
Senkte sich rechts als Mähne hinab. Neu wurde die Stimme
Und das Gesicht. Auch gab ihr anderen Namen das Wunder.
Weinend begehrte von ihr Beistand der philyrische Heros,[67]
Delphischer Gott, umsonst. Denn vernichten den Willen des großen
Jupiter konntest du nicht, und wenn du ihn könntest vernichten,
Warst du doch fern. Du zogest in Elis umher und Messene.
Damals war's, wie ein Fell nach Sitte der Hirten dich deckte,
Und in der Linken den Stab aus dem Walde du trugst, in der andern
Hieltest das flötende Spiel mit den sieben gestufeten Rohren.
Während der Liebe du fröhnst und der Pfeife Getön dich ergötzet,
Wanderten unbewacht auf die pylischen Aecker die Kühe,
Wie uns kündet die Mähr. Sie sieht der atlantischen Maja
Sohn und treibt sie hinweg und versteckt sie schlau in dem Walde.
Niemand hatte bemerkt den Diebstahl außer ein Alter,
Dort in den Fluren bekannt; die Nachbarn nannten ihn Battus.
Ueber die Triften im Wald und die grasigen Weiden des reichen
Neleus hatt' er die Hut und die Heerden erlesener Stuten.
Ihn zog jener besorgt mit schmeichelnder Hand auf die Seite:
»Fremdling, wer du nur bist, wenn Einer dich fraget, so leugne, –
Sprach er – daß du gesehen das Vieh. Und damit du den Dienst nicht
Thuest umsonst, nimm hier dir die stattliche Kuh zur Belohnung.«
Und er gab ihm die Kuh. Sie nehmend erwidert der Fremdling:
»Gehe getrost! Der Stein wird eher verrathen den Diebstahl.«
Und er wies auf den Stein. Zum Schein geht Jupiters Sprößling;
Doch bald kehrt er und spricht in Gestalt und Stimme verändert:
»Sahest du Rinder vielleicht hier gehen des Weges, o Landmann,
Sei mir behülflich dazu und sei kein Hehler des Raubes!
Siehe, zum Lohn auch wird dir die Kuh mit dem Stiere gepaaret.«
Da sich verdoppelt der Preis, antwortete der Alte: »Sie müssen
Dort sein unten am Berg. Dort waren sie unten am Berge.«[68]
»Mich verräthst du an mich? – sagt lachend der Atlantide –
Mich, Treuloser, an mich?« Und er macht zum Felsen verhärtet
Sein wortbrüchiges Herz. Noch heißet der Stein der Entdecker,
Und unschuldigem Fels ist die Schande geblieben von Alters.
Schwebend erhob sich von dort mit den Schwingen der göttliche Herold;
Auf die munychische Flur und das Lieblingsland der Minerva
Sah er im Fluge hinab und die Bäume des schmucken Lyceum.
Und es geschah an dem Tag, daß züchtige Mädchen die reinen
Heiligthümer gemäß dem Brauch in bekränzeten Körben
Trugen zur festlichen Burg der Pallas hinan auf dem Scheitel.
Dorther sieht der geflügelte Gott sie kehren, und gradaus
Nimmt er den Weg nicht ferner; er kreist im ständigen Ringe.
Gleichwie, wenn er gesehn die Geweide, der räub'rische Weihe,
Da er sich scheut und die Diener gedrängt umstehen das Opfer,
Sich in die Runde bewegt und weit nicht mag sich entfernen,
Und heißhungrig umfliegt mit schlagenden Schwingen die Beute,
Also beuget den Flug der behende cyllenische Jüngling
Ob der actäischen Burg einkreisend die selbigen Lüfte.
Sowie Lucifer licht vor den anderen Sternen erglänzet,
Und vor Lucifer licht erglänzet die goldene Phöbe,
So ging herrlich einher in Schöne vor allen den Jungfrau'n
Herse und war des Zugs und ihrer Gefährtinnen Zierde.
Ob der Gestalt staunt Jupiters Sohn, und schwebend im Aether
Ist er im Herzen entbrannt, wie wenn balearische Schleudern[69]
Schnellen das Blei. Das fliegt und erglüht von der steten Bewegung,
Feuer, das nicht es gehabt, in der Höhe der Wolken gewinnend.
Anderen Weg nun nimmt er, anstatt nach dem Himmel zur Erde,
Und er verstellt sich nicht: so schenkt er Vertrauen dem Wuchse.
Sei untadlig er schon, doch strebt er sich noch zu verschönen:
Achtsam streicht er das Haar und sorgt, daß zierlich der Mantel
Falle, und daß der Besatz recht sichtbar sei und der Goldschmuck;
Daß der gerundete Stab, der bringt und bannet den Schlummer,
Sei in der Hand; daß am sauberen Fuße die Fittige glänzen.
Drei Gemächer geziert mit Elfenbein und mit Schildpatt
Waren im inneren Haus. Du, Pandrosos, hattest das rechte
Inne, das linke Gemach Aglauros, das mittlere Herse.
Die so das linke besaß, nahm wahr Mercurius' Ankunft
Jetzo zuerst, und sie wagte den Gott nach dem Namen zu fragen,
Und weßhalb er genaht. »Ich bin – so sprach er – des Atlas
Und der Pleïone Sproß, der des Vaters befohlene Worte
Trägt durch die Lüfte dahin. Mein Vater ist Jupiter selber.
Vorwand sinn' ich dir nicht. In Treue der Schwester ergeben
Sei du nur, und zu meinem Geschlecht laß Muhme dich nennen.
Herse gilt der Besuch: den Liebenden, flehn wir, fördre.«
Spähend betrachtet den Gott mit den nämlichen Augen Aglauros,
Womit jüngst sie geschauet der blonden Minerva Geheimniß,
Und schwer wiegendes Gold zum Lohn des gefälligen Dienstes
Heischt sie für sich. Doch muß er das Haus inzwischen verlassen.[70]
Auf sie wandte den Blick umdüstert die kriegende Göttin,
Und mit solcher Gewalt aus dem Innersten drängte sie Seufzer,
Daß erschüttert sie Brust und zugleich aufbebte die Aegis
Ueber der streitbaren Brust. Sie gedenkt, wie frech das Geheimniß
War von jener enthüllt, da sie einst des lemnischen Gottes
Mutterentbehrenden Sohn dem Beding zuwider erblickte,
Und wie lieb sie dem Gott und lieb nun würde der Schwester
Und noch reich nach des Goldes Empfang, das sie geizig gefordert.
Rasch zu der Mißgunst Haus, das strotzt von schwärzendem Moder,
Nimmt sie den Weg. Tief unten versteckt in entlegenem Thale
Stehet ihr Haus der Sonne beraubt, nie offen den Winden,
Traurig und arm und voll unrührigen Frostes und ständig
Bar der erwärmenden Glut und beständig belastet mit Dunkel.
Als hierhin sie gelangt, die streitbare männliche Jungfrau,
Bleibet sie stehn vor dem Haus – denn selbst zu betreten die Wohnstatt
Ziemet ihr nicht – und klopft mit der Spitze des Speers an die Pfosten.
Gleich ging auf die erschütterte Thür. Da sieht sie die Mißgunst
Drinnen am Natternfleische, der Speise der tückischen Laster,
Nagen und wendet sich ab von dem Anblick. Aber die Mißgunst
Hebt vom Boden sich träg und lässet die Leiber der Schlangen,
Die sie zur Hälfte verzehrt, und naht schwerfälligen Schrittes.
Wie sie die Göttin gewahrt von Gestalt ansehnlich und Waffen,
Seufzet sie auf und verzieht bei dem tiefen Gestöhne das Antlitz.
Bleichheit wohnt im Gesicht, und am Leib ist schmächtige Dürre;
Nirgends ein sicherer Blick; gelb sind vom Roste die Zähne,
Grün von Galle die Brust, voll giftigen Geifers die Zunge.
Lachen ist fern, wenn nicht es erregen gesehene Schmerzen;
Nie auch labt sie der Schlaf, da wachsame Sorgen sie stören,[71]
Sondern sie schaut, und vergehet vor Unlust über den Anblick,
Lästiges Menschenglück und nage an sich und an Andern
Und ist Marter sich selbst. Ob auch Abscheu sie erfüllte,
Redete kurz sie doch Tritonia an mit den Worten:
»Senke dein zehrendes Gift in die eine der Töchter des Cecrops, –
Solches ist Noth – die Aglauros sich nennt.« Nicht Weiteres redend
Floh sie und drängte zurück mit gestemmeter Lanze die Erde.
Jene mit schielendem Blick nachsehend der fliehenden Göttin
Murmelte leise für sich; denn daß es erreichte Minerva,
Kränkte sie. Und sie ergreift den Stab, den Dornengeflechte
Ringsum hielten verhüllt, und bedeckt von schwarzem Gewölke
Tritt, wo immer sie wandelt, die blühenden Augen sie nieder
Und macht dorren das Gras und knicket die obersten Spitzen.
Völker befleckt und Städte zugleich und Häuser des Mundes
Anhauch. Endlich erblickt sie die hehre tritonische Feste,
Die vorleuchtet an Geist und Macht und festlichem Frieden.
Thränen versagt sie sich kaum, da sie Thränenwerthes vermisset.
Als sie nun das Gemach der cecropischen Tochter betreten,
Richtet sie aus den Befehl und rührt mit der rostigen Rechten
Ihr an die Brust und erfüllt ihr Herz mit stachligen Dornen,
Flößt das verderbliche Gift ihr ein, und durch die Gebeine
Gießet sie schwarz wie Pech und tief in die Lunge den Geifer.
Daß durch weiteren Raum nicht schweife die Quelle des Leidens,
Rückt sie der Herse Gestalt ihr vor und der glücklichen Schwester
Liebesverein und den Gott im lockenden Bilde der Schönheit.
Alles vergrößert sie noch, daß Cecrops Tochter gestachelt
Am still nagenden Schmerz erkrankt und ängstlich in Nächten,
Aengstlich seufzet des Tags und kläglich am schleichenden Gifte
Hinsiecht, ähnlich dem Eis, das schmelzt unsichere Sonne.
Also brennet in ihr das Glück der begünstigten Herse,[72]
Wie wenn Glut manchmal an dornige Sträucher gelegt wird,
Die nicht lodern im Brand und langsam glimmend verkohlen.
Sterben wollen sie oft, um nicht dergleichen zu sehen,
Oft auch als ein Vergehn es erzählen dem strengen Erzeuger.
Endlich setzte sie vorn auf die Schwelle sich hin, wenn er käme,
Abzuweisen den Gott. Wie Schmeicheln und freundliche Worte
Jener und Bitten versucht, erwiderte sie: »Spare die Mühe!
Nimmer verlass' ich den Sitz, bis du dich von hinnen begeben.«
»Wohl, das möge – versetzt der behende Cyllenier – gelten.«
Und er erschließt mit dem Stab die gemeißelte Thür. Wie die Jungfrau
Aufzustehen sich müht, kann keines von allen den Gliedern,
Die wir beugen im Sitz, vor trägem Gewicht sich bewegen.
Zwar sie ringt sich empor mit gerichtetem Rumpfe zu heben,
Aber der Kniee Gelenk ist steif, und rieselnde Kälte
Schleicht in die Zeh'n, und des Blutes entleert erbleichen die Adern.
Wie stets weiter der Krebs, dies nimmer zu heilende Uebel,
Um sich greift und fügt zu behafteten Theilen gesunde,
Also drang in die Brust allmählich der tödliche Winter,
Bis er am Ende die Wege des Lebens verschloß und den Athem,
Rede versuchte sie nicht, und hätte sie Rede versuchet,
Fehlte der Stimme die Bahn. Schon haftete Stein in dem Nacken;
Schon war hart das Gesicht, und sie saß ein entseeltes Gebilde.
Weiß war nicht das Gestein: vom Gemüthe behielt sie die Farbe.
Als er den frevelnden Sinn und die trotzigen Worte geahndet,
Geht von dem Lande hinweg, dem Pallas gegeben den Namen,[73]
Atlas' Enkel und steigt in den Aether mit schlagenden Flügeln.
Jupiter ruft in bei Seit', und den Zweck der Liebe verschweigend,
Spricht er: »O Sohn, der treu stets meine Befehle verkündet,
Mache dich auf und gleite hinab rasch, wie du gewohnt bist,
Und nach dem Land, das links zu deiner Erzeugerin aufschaut
Und das sidonische heißt bei dem eingebornen Volke,
Wende dich. Treibe sodann, die du fern auf grasiger Weide
Dort siehst gehen am Berge, des Königes Rinder zur Küste.«
Jupiter sprach's, und getrieben vom Berg schon ziehet die Heerde
Nach dem befohlenen Strand, wo die Tochter des mächtigen Königs
War zu spielen gewohnt, umringt von tyrischen Jungfrau'n,
Nicht wohl gehen vereint, noch haben gemeinsame Wohnung
Lieb' und Herrschergewalt. Er läßt die Würde des Scepters;
Er, der Vater und Herr der Unsterblichen, dem in der Rechten
Zuckt dreispitziger Strahl, der winkend erschüttert den Erdkreis,
Kleidet sich jetzt in des Farren Gestalt, und gesellt zu den Rindern
Brüllt er und wandelt umher gar stattlich im üppigen Grase.
Weiß ist die Farbe wie Schnee, den weder mit drückender Sohle
Trat ein schreitender Fuß, noch löste der wässrige Südwind.
Feist ist der fleischige Hals, und dem Bug enthangen die Wampen.
Klein zwar ist das Gehörn, doch möchtest du sagen, von Händen
Sei es gemacht, und mehr durchscheinend als reine Juwelen.
Nicht ist drohend die Stirn, noch Furcht einflößend das Auge;
Sanftmuth spricht das Gesicht. Es erstaunet die Tochter Agenors,
Daß er von Wuchs so schön und nichts Feindseliges drohe.
Doch ob zahm er sich zeigt, sie fürchtet zuerst die Berührung;
Bald dann wagt sie zu nah'n und Blumen zu reichen dem Maule.
Deß ist der Liebende froh und bedeckt der erwarteten Wonne
Harrend mit Küssen die Hand; kaum, kaum verschiebt er das Weit're.
Und bald treibet er Scherz und springt im grünenden Grase;
Bald im gelblichen Sand hinstreckt er die schneeige Seite,
Und wie gemach ihr benommen die Furcht, beut bald er zum Klatschen[74]
Mit jungfräulicher Hand ihr die Brust, bald wieder die Hörner,
Sie zu umflechten mit Grün. Auch wagte die fürstliche Jungfrau,
Unkund, wen sie bestieg, auf dem Rücken des Stieres zu sitzen.
Da schleicht sachte der Gott vom Land und vom trockenen Ufer
Und setzt vorn in die Flut die betrüglichen Schritte der Füße,
Geht dann weiter und trägt quer über des mittleren Meeres
Fläche den Raub. Sie erbangt, und zurück zum verlassenen Strande
Schaut sie und hält mit der Rechten ein Horn, auf den Rücken die andre
Stemmend; das lose Gewand ist geschwellt vom Hauche des Windes.
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Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für den zweiten Band eine weitere Sammlung von zehn romantischen Meistererzählungen zusammengestellt.
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