Dem Verlornen

[183] Wie heiß auch oft mit Sehnsuchtswehen

Dein Bild die Seele mir durchzieht;

Ich hab dich nimmermehr gesehen

Seit jenem Tage, der uns schied.


Noch lebt er fort in meinem Herzen

Der finstre, sonnenlose Tag,

Wo ich im wilden Brand der Schmerzen

Zu deinen Füßen jammernd lag!


Wo ich dein Haupt, das schöne, bleiche,

Zum letzten Mal gesegnet hab',

Und dann mein innerst Selbst als Leiche

Bestattet in der Liebe Grab.
[184]

Seit jener nachtumflorten Stunde

Sah dich mein düstres Auge nicht!

Wohl ward durch Andre mir die Kunde,

Daß du noch wandelst hier im Licht;


Mir aber bist du abgeschieden,

Entrücket diesem ird'schen Ort,

Und lebst in meiner Brust in Frieden

Nur der Erinn'rung Leben fort!

Quelle:
Betty Paoli: Gedichte. Pest; Leipzig 21845, S. 183-185.
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