Von Schimpff das 119.

[81] Die Sach hangt noch am Gericht.


Es schreibt Doctor Felix Hemerlin, wie Eusebius schreibt von einem Redner und Sophista maximo. Der hieß Prothagarus an dem Rechten. Der het ein Discipulum der hieß Euthalus, der het sich zů seinem Meister verdingt für 20 Duckaten, er solt in leren in seiner Kunst, das er auch an dem Rechten künt reden, und wan er ein Urteil gewinn, solt er im die 20 Duckaten verfallen sein. Der Euthalus lert und nam zů in den Künsten; aber er gewan kein Sach. Seine Sachen, da er ret, die gewunnen alwegen Unrecht; er kunt keins gewinnen. Das stůnd ein Jar oder zwei. Der Lermeister nam in mit Recht für und sprach: ›Das Urteil gang für mich oder wider mich, so soltu mir das Gelt geben. Ist das Urteil für mich, so soltu mir das Gelt geben; wan es ist mit Recht erkent. Ist dan das Urteil wider mich und du gewinst es, so bistu mir das Gelt aber schuldig von dem Pack, den wir gemacht haben, wan du ein Urteil gewinst, so soltu mir das Gelt verfallen sein. Nun hastu das Urteil gewunnen, darumb so solt du mir das Gelt geben.‹ Der Discipel Euthalus antwurt seinem Lermeister und sprach: ›Lermeister, leren von mir, der Sententz gang wider mich oder für mich, so bin ich dir nichtz schuldig. Gat das Urteil für mich, das ich dir nichtz schuldig bin, so bin ich mit Recht ledig erkant. Gat aber das Recht wider mich, das du es gewinst, so darff ich dir nichtz geben; wan ich noch kein Sententz gewunnen hab.‹

Also satzten sie die Sach zů dem Rechten. Der Richter mit seinen Umbsitzern sassen ůber die Sach, und da sie also verstrickt was und irrig, sprachen sie zů inen, sie solten heimgon; und wan sie die Urteil fünden, so wolten sie wider nach inen schicken. Also sollen sie noch nach inen schicken, und hanckt die Sach noch in dem Rechten, und sie můß noch lang hangen; sie ist jetz wol drüdausent Jar gehangen.

Quelle:
Johannes Pauli: Schimpf und Ernst. Teil 1. Berlin 1924, S. 81-82.
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