Von Ernst das 265.

[170] Ein Frau schickt iren Bůlen zů sterbenden Menschen.


Es bůlet uff einmal ein Jung Gesel umb ein Frawen, und da er es lang getreib, da sprach sie zů im: ›Ich wil dich etwas bitten: wan du das ein Jar lang thůst umb meintwillen, so wil ich dein Willen auch thůn.‹ Er sprach, was das wer. Die Frau sprach: ›Du solt ein Jar gon, wa du hörst, das ein Mensch sterben wil, und solt sehen, wie sie sich halten an dem letsten End.‹ Der Gesel sprach: ›Das wil ich thůn.‹ Und da das Jar herumbkam, da kam der Gesel wider zů der Frawen und sprach: ›Frau, ir thůn wol jetz meinen Willen; wan mein Wil ist, ich wöl frum und küsch leben. Das hab ich gelert in den Schůlen, da ir mich hingeschickt haben.‹

Und ist war. Wer sein letst End recht wolt betrachten und die Menschen zů Bet sehen sterben, der würd die Hoffart, Geit, Neid und Unluterkeit wol leren meiden und undertrucken.

Quelle:
Johannes Pauli: Schimpf und Ernst. Teil 1. Berlin 1924, S. 170-171.
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