Von Schimpff das 24.

[22] Ein Hund lief uß eim Schloß.


Es was ein nerrischer Hund, der kam in ein Tal, da waren zwen Berg, uff jeglichem Berg was ein Schloß, und hetten die Schloß die Gewonheit, dieweil man aß, so můsten die Wechter pfeiffen und trumeten ein Lied umb das ander. Der Hund gedacht, da man anfienge zu pfeiffen uff dem einen Schloß: ›Da isset man, du wilt gon uff das Schloß‹. Da er den Berg halber hinuff kam, da hort der Wechter uff zu pfeiffen, und fieng der ander uff dem andern Schloß auch an zu pfeiffen. Da gedacht der Hund: ›Man hat jetz da gessen, man isset jetz uff der anderen Burg auch‹, und lieff wider herab und den andern Berg hinuff. Darnach hort der uff, und fieng der uff dem andern Schloß wider an zu pfeiffen. Also lieff der arm Hund von einem Berg zů dem andern, biß das er sich beider Imbiß versaumpt.

Also sein vil Menschen unbestentlich; sie wöllen Fröd und Lust haben diser Welt und ewiges Leben und lauffen schier das gantz Jar den zeitlichen Fröden nach, und in der Fasten stellen sie nach der ewigen Fröd mit Beichten und zů dem Sacrament gon und mit andern guten Wercken; sie bleiben aber nit lang. Desgleichen geschicht es schier alle Tag, an dem Morgen lauffen wir zů Got, zů der Meß, zů der Predig, und nach dem Essen hincken wir zů dem Tüffel, zů dem Bretspil etc. und treiben das biß in den Dot, und ist zů besorgen, das wir unß bei der Hochzeit versaumen wie der Hund.

Quelle:
Johannes Pauli: Schimpf und Ernst. Teil 1. Berlin 1924, S. 22.
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