Von Schimpff das 389.

[232] Der Iud stůnd am Sabat und den Suntag in dem Proffey.


Uf einmal kam ein Iud uff ein Samstag in eins Cristen Huß, und wie er es übersahe, das er in ein Sprachhuß fiel oder in ein Prophei, wie man es dan nent. Der Cristen lieff in des Iuden Huß und[232] sagt es seinen Fründen, sie solten im herußhelffen. Einer sprach: ›Wir dörffen es hüt nit; es ist hüt unser Sabat und unser Feiertag.‹ Doch gieng einer anhin und wolt es besehen, und da er dar kam, da sprach er: ›Wie bistu da hinabkumen?‹ Der Jud sprach: ›Frag nit, wie ich herab sei kumen, frag, wie ich wider hinußkuml‹ Er sprach: ›Morgen so wöllen wir dir herußhelffen.‹ Des Morgens kamen die Juden mit den Leitern und wolten im herußhelffen. Da sprach der Cristen: ›Nit, nit, ir armen Juden! Hüt ist unser Feiertag, es sol nit sein. Gestert was es euwer Sabat und euwer Feiertag, hüt ist es unser Sontag und unser Feiertag.‹ Also můst der Jud zwen Tag in dem Dreck und in dem Gestanck ston.

Es ist den Cristen ein Schand, das die Juden ir Gesatz baß halten, dan die Cristen ir Gesatz und besunder den Feiertag halten. Was wir nit an dem Wercktag mögen thůn, das richten wir an dem Feiertag uß. Die gantzen Wochen sitzen wir und wercken, an dem Sontag spilt man und sufft, und laufft den Hůren nach und in die Dörffer und heischen Schuld, und man fürt mit dem Karren und mit den Wägen als wol an dem Feiertag als an dem Wercktag. Und so das die Juden und Heiden sehen, so werden sie geergert und werden nit Cristen; wan wir mit Worten unsern Glauben loben und riemen, wie gůt und wie gerecht er sei, und erfüllen in aber nit mit den Wercken. Es sein auch nit Feiertag gnůg, als wol als Edler, Juden, gemeine Metzen und Pfaffen; wan man mecht sunst kein gůten Montag, wan die Woch gantz ist, und dem Heiligen, der da heißt Fastnacht, drei Feiertag oder etwan zehen Feiertag.

Quelle:
Johannes Pauli: Schimpf und Ernst. Teil 1. Berlin 1924, S. 232-233.
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