Von Schimpff das 402.

[240] Zů Zürch warden zwen eins.


Als ich hab gehöret sagen, so waren zwen Burger zů Zürch, die lagen mit einander in dem Rechten und triben grosen Kosten uff einander, das sie einander schier verterbt hetten. Uff einmal sprach der ein zů seinem Sun: ›Leg dein Harnisch an, so wil ich mich auch anlegen, und nem deinen Hellenbart uff dein Achsel, so wil ich mein auch nemen!‹ Und giengen mit einander an des andern Huß, ires Widerpartz und klopfften an. Ir Widerpart sahe zů dem Fenster uß und sahe, das sein Feint mit seinem Sun da was, und sprach zů seinem Knecht: ›Kum, wir wöllen unß auch anlegen!‹ Und nam jeglicher auch ein Hellenbart, und giengen hinab in das Huß und stůnden die fier da gegen einander. Da sprach der, des das Huß was: ›Was bedüt es, das du also zů mir kumest?‹ Diser sprach: ›Ich kum in allem Gůtem her. Wir hangen mit einander in dem Rechten und haben einander schier verderbt; und wan wir einander gar verderbten, so spottet man unser, und[240] ist in der gantzen Eidgenoschafft nieman, der das Best zů unsern Sachen ret. Damit das wir gericht würden, laß unß ein Glocken giessen, die man weit mag hören lüten! Du hast ein Dochter, so hab ich da ein Sun. Laß unß die zůsamengeben und ein Ee machen, und verzeihe mir, so wil ich dir auch verzeihen, und laß unß gůte Fründ mit einander sein!‹ Sein Widerpart antwurt und sprach: ›Bei meinem Eid, du sagst recht; es ist mir lieb.‹ Und berůfft die Dochter und hielt ir die Sach für und fragt sie, ob es ir lieb wer. Sie sprach: ›Ja.‹ Also ward der Handschlag verbracht. Da fiengen sie an zů kochen in beiden Hüsern und legten sich hochzeitlichen an, und assen und truncken und dantzten und lůden ander Herren darzů und waren gůter Ding mit einander. Da verwundert sich jederman der Verwandlung, und lebten in Weißheit mit einander. Das waren recht Lüt.

Quelle:
Johannes Pauli: Schimpf und Ernst. Teil 1. Berlin 1924, S. 240-241.
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