Von Ernst das 62.

[45] Ein Apt ward abgesetzt.


Es was uff einmal ein Kloster in einem Fürstenthům, da was Gewonheit, das der Convent zwen erwölt und ußschůb zu einem Apt. Aber der Fürst nam uß den zweien, welchen er wolt, der was dan Apt. Es fügt sich, das der Apt starb und der Convent erwölt zwen andere, und satzten sie dar. Der Fürst solt ein erwölen, welcher im liebt, doch batten sie in,[45] das er den schlechtesten von dem Geschlecht und arm von Fründen wolt nemen, er wer geschickter zů der Geistlichkeit dan der ander. Nun het aber der ander dem Fürsten einhundert Guldin oder zwei geschenckt, wan er was Großkeller gewesen, das er in annem; das auch der Fürst thet umb der Schencke willen und umb seiner Fründ willen; wan er von dem Adel was. Da er nun Apt ward, da reit er mit 16 Pferden wie ein Graff und het kein Uffsehen uff die Geistlicheit.

Es mißfiel dem Fürsten, und sprach zů einem in seinem Rat: ›Es ist mir leid, das ich nit den andern München, den schlechten zů einem Apt hab genumen; so weren wir des alles vertragen. Het ich nit mer dan ein Ursach wider in, ich wolt den andern zů einem Apt setzen.‹ Diser Ratzher sprach zů dem Fürsten: ›Gnediger Her, ich wil euch wol ein Ursach wider in geben. Es ist ir Ordnung und Statut, das ein jeglicher in dem Kloster alle Zeit und alwegen ein Nadlen bei im tragen sol. So gon etwan in ir Capittel, so sie alle bei einander seind, und fragen den Apt, das er euch sein Nadel zög; so würt er sie nit haben. So heissen dan den andern, der Apt solt werden, sein Nadel zögen; der würt sie haben, wan er würt gewarnet werden. Dan so haben ir ein Ursach wider in. Ist er so farlessig und sumig in einem kleinen Ding, was ist dan er sumig in einem grosen Ding!‹ Das hůb im nun der Fürst für, und es ward geordnet, und thet der Fürst, wie im geraten ward; und gieng also mit der Nadel, und ward der abgesetzt, und ward der ander Apt.

Diß Exempel ist gůt zu fillerlei; besunders wan man einem übel wil, so bricht man ein Ursach ab einem Zaun.

Quelle:
Johannes Pauli: Schimpf und Ernst. Teil 1. Berlin 1924, S. 45-46.
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