Von Schimpff das 423.

[251] Einer bracht sein grösten Feind.


Es was einer, der het wider seinen Herren gethon, und es was ein seltzamer Abenthürer. Der Her schickt nach im und sprach zů im: ›Du bist einer grosen Straff wirdig; die wil ich dir ablassen und[251] dir ein herliche Schencke darzů geben, wan du die drü Ding thůst. Zů dem ersten soltu uff den Tag zů mir kumen halb geritten und halber zů Fůß gangen, und das du mit dir bringest dein grösten Feind und dein grösten Fründ, den du hast.‹ Der Abenthürer gedacht, wie er der Sach thet, und da der gesatzt Tag bald kam, da kam der Abenthürer zů seiner Frawen und bracht ein Sack, darin het er ein Kopff, Füß und Haut von einem Kalb gethon, und ließ die Frau in dem Sinn, es wer ein Mensch, das het er ermürt, und vergrůb es under die Stegen, das es die Frau sahe, und verbot ir, sie solt es niemans sagen; er vertrüwet ir als irem eignen Hertzen.

Da nun der gesetzt Tag kam, da wolt er die drü Ding beweren und nam sein Pferd, sein Hußfrau und sein Hund mit im. Und da er zů des Herren Hoff kam, da trat er mit dem rechten Fůß in den Stegreiff und hielt sich an den Zügel, und mit dem lincken Fůß gieng er; also was er halber gangen und halber geritten kumen. Der Her sprach: ›Du hast das erst wol bewert. Wa ist das ander?‹ Der Abenthürer gieng zu seiner Frawen und schlůg sie an ein Backen und sprach zů ir: ›Wie sihestu meinen Herren so schlembs an! Sihe in recht an!‹ Die Frau was gleich in dem Harnisch und saß gleich uff dem Esel und sprach zů dem Man: ›Du Mörder, můstu mich vor dem Herren schlagen?‹ Und sprach: ›Er hat ein Menschen ermůrt und hat in under die Steg vergraben.‹ Man grůb in uß und wolt lůgen, ob es war wer; da fand man ein Sack und schut in uß; da was es ein Kalb. Der Her sprach: ›Het sie Bösers gewüßt, so het sie es auch gesagt. Wa ist das drit?‹ Der Abenthürer zuckt sein Schwert uß und schlůg sein Hund mit der Fleche; da schrei der Hund. Der Abenthürer lockt dem Hund wider, da kam der Hund wider zů im wedlen, und was im gleich vergessen. Also het er sie alle drü bewert.

Quelle:
Johannes Pauli: Schimpf und Ernst. Teil 1. Berlin 1924, S. 251-252.
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