Von Ernst das 515.

[295] Welcher Hertzog vorgieng.


Der Hertzog von Ostereich kam uff einmal gen Venedig und wolt gen Jerusalem faren, und der Hertzog von Venedig gieng im entgegen und wolt in gleiten in Sant Marx Münster. Und kamen in ein engs Geßlin, das sie nit neben einander gon mochten, und stůnden da stil, und wolt keiner voranhin gon. Der Hertzog von Ostereich sprach: ›Die Ersamkeit, Tugent und eigen Verdienst, darumb einer Hertzog ist, ist höher und me, dan wan einer erboren ist.‹ Der Hertzog von Venedig sprach: ›Ein Hertzog, der geboren ist von dem durchlüchtigen Huß von Ostereich, der ist me dan ein gemachter Hertzog.‹ Also gieng der fremd Hertzog voranhin.

Felix Hemerlin schreibt: (quod incola detulit accole consueto more.) Es ist ein Sprichwort: Man sol den Frembden die Eer lassen.

Quelle:
Johannes Pauli: Schimpf und Ernst. Teil 1. Berlin 1924, S. 295.
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