Von Ernst das 538.

[307] Ein Künig gewan vil Lands.


Es was ein Künig, was Schlachten er thet, da lag er alwegen oben und gewan und mert sein Reich. Der Künig starb, und sein Sun ward Künig nach im, der verlor mit seinen Feinden alle Schlachten, und was sein Vatter gewunen het, das verlor er alsamen, Land und Lüt. Es verwundert jederman. Da ward ein weiser Man gefragt, der sprach zů dem Künig: ›Her, drü Ding machen, das ir underligen: alte Feindschafft, eigner Nutz, junger Rat.‹ Das stot zů Kolmar uff dem Ratzhuß an der Wand geschriben: heimlicher Neid, eigner Nutz, junger Rat.

Troy und Rom und ander Schloß und Stet zerstört der groß Alexander darumb. Da er Kůnig ward, da kamen die alten Herren und Rät zů im und sprachen: ›Her, wir haben euwerem Vatter so lang gedient. Wir sein alt und mögen nit me fechten, wir begeren Urlaub.‹ Er sprach: ›Lieben Herren, ich laß euch nit von mir. Ir dörffen nit fechten, ir sollen mir allein ratten. Mein Vatter hat alle Ding mit euwerm Anschlag gewunnen, darumb hat er sein Reich gemert.‹ – Das thet Roboam, Davids Sun, nit. Darumb verlor er zehen Schlachten; er folgt jungen Lüten, die Narren waren wie er.

Quelle:
Johannes Pauli: Schimpf und Ernst. Teil 1. Berlin 1924, S. 307-308.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Schimpf und Ernst
Sinnreiche Und Unterhaltende Geschichten Aus Frater Johannes Pauli's Schimpf Und Ernst
Schimpf und Ernst