Im Friedhof.

[97] Die Saiten laß ich oft so hell erklingen,

Das liebe Erdendasein zu besingen,

Das Leben lieb' ich, ob's auch Wunden schlägt,

Und meist uns nur durch öde Wildnis trägt.


Wie hoch indes ich mit dem Sang auch strebe,

Wie reich ihn mit des Frohsinns Glanz durchwebe,

Das End' ist doch, daß freudlos es verklingt,

Daß es, wie alles, in die Grube sinkt.


O, wie erquick' ich mich am Reiz des Maien,

Da Aug' und Herz an Blumen sich erfreuen!

Doch, wenn mein Blick noch auf den Blüten weilt,

Mein Fuß schon hastend hin zum Friedhof eilt!


Im Friedhof, den nur Gram und Leid umsäumen,

Versinken Seel' und Herz in ernstes Träumen,

Hier träumen, scheint mir, die Akazien auch,

Geschaukelt von des Abendwindes Hauch.


Wie heil'ge Zeichen Gottes mir erscheinen

Die Lettern auf den Kreuzlein und den Steinen,

Sie halten mich in seinem hehren Bann,

Sie führen mich auf Gräbern himmelan!


Dumpf-traurig aus dem Dorf das Glöcklein läutet, –

Auch dort wird jetzt ein frisches Grab bereitet,

Voll Andacht trägt den Toten man hinaus,

Senkt ihn zur Ruh' in der Verwesung Haus.


Schon ahnt mein Herz – kaum wird die Ahnung trügen –,

Bald werd' auch ich im Grabe unten liegen,

Bald bettet man auch mir zur ew'gen Ruh',

Schließt ew'ger Traum auch mir die Augen zu.
[98]

Nun denn, mit Gott! Mag mir die Stunde schlagen,

Die meine Laufbahn schließt, ich will nicht klagen,

Zerreißen mag, was mich ans Dasein hält,

Ein Abschiedskuß, dann lebe wohl, du Welt!


Und was das Schicksal grausam mir verwehrte,

Obgleich es meine Sehnsucht heiß begehrte:

Fahr' hin, o Ruhm, des Daseins Licht und Zier,

Du Himmelsblume »Liebe«, Gott mit dir!

Quelle:
Petöfi, Alexander: Poetische Werke in sechs Bänden. Bd. 3, Wien, Leipzig 1910, S. 97-99.
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