X.

[44] Weil jenes heiße Regen

Durch mein Geschick zu reden mich gezwungen,

Das sonst zum Seufzen nur mich angewiesen,

Sey du, der mich durchdrungen,

Mein Führer, Amor, zu den rechten Wegen!

Laß würdig sich mein Herz im Lied ergießen,

Doch so, daß es im Uebermaß des Süßen

Nicht untergeh', wie mich zu fürchten zwinget,

Was ich in tiefster Tiefe drin empfinde,

Weil mehr ich mich entzünde

Im Reden, und, wie Geist und Will' auch ringet,

(Drum zag' ich so und bange)

Doch nimmer sich des Herzens Gluth verringet.

Ich schmelze hin, wie Eis am Felsenhange

In Sonnengluth, bey meiner Worte Klange.


Wohl glaubt' ich im Beginne,

Durch Rede kurzen Frieden zu erjagen

Und kleine Rast dem glühenden Verlangen;

Die Hoffnung ließ mich's wagen,

Die Schmerzen zu verkünden süßer Minne.

Zur Zeit der Noth nun ist sie mir vergangen.

Doch kühn verfolg' ich, was ich angefangen,

Und lasse ferner Liebesweis' erklingen;

So trägt mich Sehnsucht fort auf mächt'gem Flügel!

Vernunft, die sonst die Zügel

Ihr hielt, ist todt und kann sie nicht bezwingen.

O laß mich Worte finden,

Amor, daß, wenn zu Ohren je sie dringen:[45]

Der süßen Feindinn, sie nicht Lieb' entzünden

In ihr, doch Mitleid gegen mich entbinden!


Ich sag', es gab einst Zeiten,

Wo noch die Menschen, wahrem Ruhm gewogen,

In Lernbegier und Thatendrang erglühten,

Nach fernen Ländern zogen,

Nicht zagten, Berg und Fluth zu überschreiten,

Das Beste sammelnd und die schönsten Blüthen.

Nun Gott, Natur und Amor mir behüthen

Für jede schönste Tugend eine Stelle

In diesem Blick, wo Leben ich gewonnen,

Brauch' ich nicht andere Sonnen

Fern zu erspähn auf trügerischer Welle.

Bey ihm nur will ich weilen,

So meines Heiles lang erprobte Quelle;

Und treibt mich Sehnsucht, in den Tod zu eilen,

Kann nur sein Anblick Hülfe mir ertheilen.


Wie müd' ein Loots' im Dunkel

Durchstürmter Nacht sein Haupt erhebt nach oben,

Den Lichtern zu, die stets am Pol sich zeigen,

So ist in Sturmes Toben,

Den Lieb' erregt, der Augen Lichtgefunkel

Mein einz'ger Trost, mein einzig Rettungszeichen.


Ach! öfter, als des freyen, gnadenreichen

Geschenkes Trost, wird mir, was ich, gezwungen

Von Amor, mir bald hier, bald da entwende.

Doch schon die kleine Spende

Hat mir als stete Norm sie aufgedrungen.

Seit sie mich neugeboren,

Ist ohne sie nichts Gutes mir gelungen.[46]

So hab' ich sie zu Herrschern mir erkoren;

Denn ohne sie ist alle Kraft verloren.


Ach! ich vermöchte nimmer

Die Wirkungen zu denken noch zu künden,

Die, süße Augen, ihr mir schafft im Herzen!

Vor ihnen muß verschwinden

All' andrer Reiz des Lebens; aller Schimmer

Erbleichet vor dem Schein der lichten Kerzen.

Wohl einen holden Frieden sonder Schmerzen,

Des Himmels ew'gem Frieden zu vergleichen,

Ihr liebeselig Lächeln freundlich spendet.

Drum möcht' ich unverwendet

Nur einen Tag, deß Strahlen nie erbleichen,

Den Blick nach ihnen lenken,

Zu sehn, wie sie in Liebe hold sich neigen;

Nicht Andrer würd' ich dann, noch meiner denken,

Und häufig nicht das Auge niedersenken.


Weh mir, daß ich erblindet

Begehre, was ich nimmer doch erringe,

Und hoffnungslos mich nähre von Verlangen!

O wäre jene Schlinge,

Mit welcher Amor meine Zunge bindet,

Wenn großer Glanz den schwachen Blick befangen,

Nur erst gelöst, ich würde Muth empfangen,

So Neues augenblicklich zu erzählen,

Daß jeden es zu Thränen müßte rühren.

Die Wunden nur verführen

Das kranke Herz, sich Andres zu erwählen;

Drum seh' ich mich entfärben;

Das Blut, es will, weiß nicht, wohin, sich stehlen;[47]

Das Alte laß ich, Andres zu erwerben;

Ich fühl's, an diesen Wunden werd' ich sterben.


Canzone, sieh', von vieler süßer Rede

Wird meine Feder stumpf zuletzt und träge.

Nicht so der Geist in langem Selbstgespräche.

Quelle:
Petrarca, Francesco: Italienische Gedichte. Band 1, Wien 1827, S. 44-48.
Lizenz:
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